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gehalten zu haben. Begeben Sie sich nur bald zu Ruhe. Einige Stunden Schlaf werden Sie sicherlich wiederher- stellen. Sie sind in diesem Augenblick schon nicht mehr so bleich wie vorhin. Gute Nacht!"
IV.
Anstatt sich in seine Zimmer zu bebegeben, gieng der Gras, nachdem er einen Ueberrock angezogen und dem Diener befohlen hatte, nicht aus ihn zu warten, in den Park hinaus. Dort glaubte er seiner einen Augenblick zurückgehaltenen Wut Luft machen zu können, denn das Blut drängte sich ihm mit solcher Gewalt zum Kopf, daß er einen Gehirnschlag befürchtete. Mit großen Schritten durchlief er die dunklen Alleen, gewaltige Rauchwolken aus seiner Cigarre empordampfend und den Stock bedrohlich schwingend.
Er sagte sich, daß jetzt Alles auf einmal sich gegen ihn wende, daß seine gesellschaftliche Stellung erschüttert, sein Ruf untergraben sei. Bald, das wußte er, würde er zum Gegenstand des allgemeinen Spottes seiner bisherigen Freunde werden.
„Haben Sie gehört, was dem Grafen von Bidione widerfahren ist?" würde Einer zum Ander» sagen.
„Was denn?"
„Er ist zu Grunde gerichtet!"
„Wirklich?"
„Gewiß! Seine Gemahlin hat ihm die Verwaltung ihres Vermögens entzogen und ihn auf Halbsold gesetzt. Jetzt hat sie den Kassenschlüssel, und er erhält nur dann ein kleines Taschengeld, wenn er hübsch artig gewesen ist."
„Der Aermste!"
Dazu würden sodann die beißenden Scherzreden in den Clubs, die heuchlerischen Beileidsbezeugungen der guten Freunde und das verächtliche Lächeln der lieben Freundinnen kommen. O, es war zum Verzweifeln! Dem Ziele so nahe, daß er nur die Hand auszustrecken brauchte, um das rettende Schriftstück zu erfassen, und dennoch im letzten Augenblicke seine Hoffnungen zerschellen zu sehen an dem Eigensinn eines hochmütigen Weibes.
„Nun wohl!" rief er endlich, — „wenn sie sich denn durchaus nicht fügen will, so werde ich meine Rache an dem Unbekannten nehmen! Dann wird auch den Spöttern wohl die Lust vergehen, mich zu verhöhnen! Statt eines fügsamen, lächerlichen Gatten soll man den strafenden Rächer in mir sehen."
Während er bei sich überlegte, wie er es anfangen solle, um den Namen dieses Mannes zu erfahren, gelangte er bis an das äußerste Ende des Parks und stand plötzlich vor dem Pavillon, über den er sich einige Stunden vorher zu Madame Daupin so außerordentlich lobend ausgesprochen hatte. Der Mondschein beleuchtete die Hauptfront des kleinen zierlichen Ge-, bäudes in magischer Weise, und der Graf trat unwillkürlich näher, um die einzelnen Teile genauer zu betrachten. Dabei siel es ihm auf, daß die Eingangsthür nicht festgeschlossen, sondern nur angelehnt war und vom Winde leise hin- und hcrbewegt
wurde, während die Fensterläden doch verschlossen waren. Da eine Nachlässigkeit der Dienstboten nicht angenommen werden konnte, so vermutete der Graf, daß sich dort irgend Jemand heimlich eingeschlichen habe; er trat deshalb hinter einen Baum in den Schatten, um abzuwarten, ob sich etwas Verdächtiges zeigen werde. Gleichzeitig nahm er einen kleinen Revolver hervor, den er stets bei sich trug.
Nachdem er einige Minuten vergeblich gewartet hatte, näherte er sich dem Pavillon vorsichtig, gieng leise die Stufen zum Perron hinauf, riß dann rasch die Thür auf und trat hinein. Da im Innern vollständige Finsternis herrschte, so tappte er mit der einen Hand an den Wänden entlang, als Plötzlich eine andere Hand die seinige erfaßte, und eine Stimme flüsterte:
„Sind Sie es, Martha?"
Hastig befreite er seine Hand, wandte sich zurück, drückte die Thür ins Schloß und antwortete sodann:
„Nein, ich bin nicht die Gräfin von Vidione, aber ich komme an ihrer Stelle hierher. Nur ist es mir nicht genehm, eine Unterhaltung im Finstern zu führen. Erlauben Sie mir deshalb zuvörderst, ein Licht anzuzünden."
„Wer sind Sie denn?" fragte der Andere besorgt.
„Wer ich bin? Ueberzeugen Sie sich selbst!" rief der Graf, der inzwischen mit Hilfe seines Taschen-Feuerzeugs ein Licht angezündet hatte, durch welches das Gemach aber nur sehr unzureichend beleuchtet wurde.
Die beiden Männer, welche sich nie vorher gesehen, blickten einander mit forschenden Blicken an.
„Sie kennen mich nicht, mein Herr?" fragte der Graf, dem Andern dicht gcgen- übertretend. „Ich bin der Graf von Vidione !" Und da Jener sich nur schweigend verneigte, so fuhr er in scharfem Tone fort: „Ich darf nun wohl auch hoffen, Ihren Namen zu erfahren?"
„Ich heiße Hektar Lauziere!"
„Gut! Es dürfte wohl überflüssig sein, zu fragen, was Sie hier suchten, nicht wahr?"
„Herr Graf, ich stehe zu Ihrer Verfügung" entgegnete Hektar. „Aber vor Allem gebe ich Ihnen die Versicherung, daß die Frau Gräfin schuldlos ist! Das schwöre ich auf meine Ehre!"
Diese Worte wurden mit einer solchen überzeugenden Würde gesprochen, daß der Graf einen Augenblick stutzte; dann aber gedachte er wieder der Demütigung, die ihm Seitens seiner Gattin zu Teil geworden war; sein Zorn erwachte in verstärktem Maße, und er erwiderte höhnisch:
„Bilden Sie sich etwa ein, daß ich mich mit Ihnen zu schlagen beabsichtige?"
Hektar trat höchst erstaunt einen Schritt zurück, indem er sagte: „Was sonst?"
„Erlauben Sie", siel ihm der Graf in's Wort, „ich finde Sie zur Nachtzeit hier in diesem Pavillon, wo Ihre Anwesenheit durch nichts gerechtfertigt ist; Sie sind der Geliebte meiner Gemahlin —
„Mein Herr!" rief Hektar empört.
Der Graf fuhr jedoch mit Nachdruck fort:
„Ich weiß, daß Sie ihr Geliebter sind mithin habe ich das Recht, Sie zu töten und ich mache von diesem Recht Gebrauch'»
„Also ein Mord?"
„Nein, nur eine sühnende Tötung!»
„Bei diesen Worten richtete er leinen Revolver auf HektorS Brust, der mit erhobenem Haupt ihm gegenüber stand und i ihm mutig in's Auge blickte. Ec dachte in diesem Augenblick nicht an sich, sondern nur an Diejenige, die er mehr liebte als sein Leben, und die um seinetwillen so Vieles würde erdulden müssen. Um sie vor Verleumdungen, vor Gewaitthätig- keiten schützen zu können, hätte er zu leben gewünscht; ja, es erschien ihm sogar als eine Pflicht, zu jenem Zweck sein Leben zu verteidigen.
Durch einen Zufall versagte der Revolver, und bevor der Graf einen zweiten Versuch machen konnte, schob Hektar den Tisch, welcher zwischen ihm und seinem Gegner stand, bei Seite und erfaßte den Arm des Grafen, dem hiebei der Revolver entfiel. Diesen Augenblick wollte Hekw benutzen, um die Thür zu gewinne», Jener vertrat ihm jedoch den Weg und schrie wütend:
„Zurück, oder ich ruse die Dienerschaft herbei!"
„Lassen Sie mich hinaus! Ich rate es Ihnen!" entgegnete Hektor.
„Nein, Sie werden hier bleiben!» schrie der Graf immer lauter, während er den Advokaten, der sich sträubte, mit seinen Armen umklammerte.
Es entstand nun ein Ringen zwischen Beiden, und als der Graf dann mW um Hilfe rief, packte ihn Hektar, der wegen Marthas Ruf um jeden Preis ein öffentliches Aufsehen verhindern wollte, an der Kehle. Wie ein Wahnsinniger geberdete sich der Graf, und nachdem das Licht umgcstürzt und verlöscht war, rangen die Gegner im Finstern mit einander, bis plötzlich des Grafen Arme ihre Spannkraft verloren und er selbst, tief ansseufzend, der Länge nach auf den Fußboden niederfiel.
(Fortsetzung folgt.)
Gemeinnütziges.
(Wie Pferde beim Beschlagen leicht zu beruhigen sindj, davon wird ein Beispiel aus Breslau mitgeteilt. Der Reitknecht eines Kavallerie-Offiziers sah vor einer Schmiede Pferde beschlagen. Eines derselben war sehr wild, hatte sich nie beschlagen lassen, und auch der jetzige Versuch mißlang. Da trat der Reitknecht näher und versprach, das Pferd ohne allen äußeren Zwang dahin zu bringen, daß es sich ruhig beschlagen lasse. Dies bewilligt, trat er vor das Pferd, hielt seine beiden Hände, in denen er sein Schnupftuch hatte, an die Nase des Pferdes und siehe da, letzteres stand wie ein Lamm und ließ ruhig beschlagen. Man hatte jedoch bemerkt, daß der Knecht sich zuvor mit dem Inhalt eines Fläschchens Hände und Schnupftuch benetzt hatte, das Gläschen ward aufgesunden und der Inhalt als ätherisches Petersilienöl erkannt. Weiter an- gestellte Versuche, wobei mit ca. 2 Drachmen desselben Oels ganz ähnlich verfahren wurde, gaben bei den bösesten Pferden dasselbe erwünschte Resultat. Diese Notiz wird für manchen Pferdebesitzer von Interesse sein, wenn auch schon bekannt sein dürfte, daß verschiedene ätherische Teile zur Besänftigung wilder Pferde beitragen.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.