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nismäßig flüchtig derselbe auch war. so dürfte das Ereignis schon in seinen äußeren Eindrücken auf die öffentliche Meinung Europas noch längere Zeit nachwirken. Man kann nicht anders sagen, als daß der russische Herrscher in der deutschen Reichshauptstadt eine seiner persönlichen Machtstellung wie dem Ansehen seines Reiches würdige Aufnahme gefunden hat und daß Kaiser Wilhelm nebst den Mitgliedern des kaiserlichen Hauses dem erlauchten Gaste in herzlicher und gewinnender Weise begegnete. Auch die Bevölkerung der Reichshauptstadt begrüßte den Zaren bei seinem Einzuge wie auch später mit aller Ehrerbietung und Achtung und wenn hierbei jener begeisterungsvolle Zug fehlte, der bei dem Einzuge König Humbert's von Italien und dann des Kaisers Franz Josef in Berlin in den Massen des Publikums so überwältigend hervortrat, so erklärt sich dies zur Genüge aus den bekannten obwaltenden Verhältnissen.
Berlin.1l.Okt. Nach Abstattung der Besuche bei den Mitgliedern des Königshauses zog sich Kaiser Alexander einige Zeit in seine Gemächer zurück; gegen '/-5 Uhr fuhr der Reichskanzler vor. Derselbe verweilte eine Stunde zwanzig Minuten bei dem russischen Kaiser. Bei seinem Weggange gab der Botschafter dem Reichskanzler bis zum Wagen das Geleite. Abends 6 Uhr fand das Festessen im Weißen Saale des k. Schlosses statt. Nach dem Festessen wohnten die Majestäten, Großfürst Georg, die anwesenden Prinzen und Prinzessinnen der Galavorstellung im Opernhause (zweite Hälfte des Rheingvld, Ballet) bei. Der Zar saß zwischen dem Kaiserpaare.
Berlin, 12. Okt. Kaiser Alexander und Kaiser Wilhelm sind heute früh 7'/i Uhr zur Jagd nach Hubertusstock abgereist. Kaiser Wilhelm hatte den russischen Kaiser in der russischen Botschaft abgeholt.
Berlin, 10. Oktbr. Die Preisverteilung in der Ausstellung für Unfallverhütung fand heute nachmittag um 2 Uhr in der Rotunde des Landesausstellungspalastes durch den Unterstaatssekretär im Reichsamt des Innern, Vosse, und in Anwesenheit des Ausstellungs- komites sowie vieler hervorragender Persönlichkeiten statt. Unterstaatssekretär Vosse verkündete die Verteilung der Staatspreise und sprach dabei den Wunsch aus, daß die Preise den Empfängern zu hoher Freude und Genugthuung gereichen, zugleich aber dazu beitragen möchten, die Bestrebungen zum Nutzen der Unfallverhütung zu verbreiten und zu kräftigen, zum Segen der deutschen Industrie und der Arbeiter, insbesondere zur Festigung des sozialen Friedens im deutschen Bater- lande. Bei dem Diner nach der Preisverteilung gedachte Graf Waldersee der Verdienste der Ausstellung um die Verhütung von Unfällen auf den Gebieten der Eisenbahnen, der Telegraphie, im Sanitätsdienst, im Schiffsbau, auf den Gebieten, welche die Armee, die Marine, die Kriegssührung berührten. Der schlimmste aller Unfälle, der Krieg, könne verhütet werden, wenn die Bestrebungen der Veranstalter der Ausstellung Gemeingut aller
Nationen seien. Er trinke darauf, daß die Ausstellung in ihren Bestrebungen und Wirkungen zur Erhaltung des Friedens beitrage.
Verliehen wurde u. A. folgenden Württem- bergern:
die vom Kaiser gestiftete Medaille „Für verdienstvolle Leistungen" in Silber: Magirus- Ulm;
die Medaille „Für gewerbliche Leistungen" in Silber: I. G. Lieb-Biberach, Krumrain und Katz-Stuttgart.
Württemberg.
Bei dem Eisenbahnunglück auf der Bahnstrecke zwischen Hasenberg und Vaihingen haben sich durch einsichtsvolle und aufopfernde Hilfeleistung besonders ausgezeichnet: res. Schultheiß Spieß. Schultheiß Bosch, Steinbruchbesitzer Vetter, Friedrich Bestlen, Steinhauer Krauß, Steinbrecher Brandstätter, sämtlich von Kaltenthal; vr. meä. Gustav Sigel in Heslach; Wundarzt Krayl in Vaihingen a. F., ferner die Vorstände und die Mitglieder der freiwilligen Sanitätskolonnen in Stuttgart und Berg. Den Genannten ist wie wir erfahren durch Schreiben des Präsidenten der Generaldirektion der Staatseisenbahnen im Namen der Eisenbahnverwaltung Dank und Anerkennung ausgesprochen worden.
Stuttgart. 10. Okt. Der kommandierende General v. Alvensleben erläßt aus Anlaß des Abschlusses der Herbstübungen folgendes Schreiben: Wie aus den mir vorliegenden übereinstimmenden Berichten der Divisionen hervorgeht, haben bei den diesjährigen Herbstübungen die Truppenteile überall die freundlichste Aufnahme gefunden. Es gereicht mir deshalb zur angenehmen Pflicht, sämtlichen Behörden und Gemeinden, welche durch die Einquartierung betroffen worden sind, im Namen des Armeekorps hier öffentlich meinen aufrichtigen und lebhaften Dank auszusprechen.
Stuttgart. (Neues im Lande s- Gewerbemuseum.) Eine Thüre zu einem Wandkästchen, mit Jntarsie: „Aurora in einer Muschel von Delphinen gezogen und von Amoretten umgeben"; von M. May, Hauptmann a. D. in Mindelheim in Bayern. — Zwei figürliche Intarsien, farbig mit Holzbrand: „Kunst und Wissenschaft"; eine Füllung. Metall in Holz; Entwurf von W. Gagel in Karlsruhe, sämtlich ausgeführt von Heinrich Maybach, Bildhauer in Karlsruhe. — Zwei Schilde von Holz, Wappenform mit Löwe und Hirsch, Holzbrand auf Eschenholz; von I. Hesser, Bildhauer und Holzbrandmaler in München.
MisMkn.
Vor hundert Jahren, am 10. Oktober 1789, stellte der französische Arzt und Abgeordnete I. I. Guillotin (geb. 28. Mai 1738 zu Saintes, gest. 26. Mai 1814 in Paris) in der konstituierenden Versammlung Frankreichs den Antrag, die Todesstrafe ohne Berücksichtigung des Standesunterschiedes und der Art des Verbrechens auf einerlei Weise zu vollziehen und dabei, damit der Akt möglichst schnell und sicher ausgeführt werde, eine Maschine in Anwendung zu bringen. Hiermit war die erste Anregung
zur Einführung der später in der fr«, fischen Revolution so berüchtigt gewordener „Guillotine" gegeben. DieAnsicht.Guilloiin sei der Erfinder der Guillotine, ist unrichtig vielmehr waren ähnliche Maschinen Mn lange vorher und vielfach in Gebrauch.
Ein Prediger auf Langeland sollte seiner Anstellung gemäß jährlich „wenige Klafter Holz" vom Gut gelieserl erhalten. Man gab ihm anfangs 4 Klaftei und glaubte freigiebig zu sein. Bas glaubte der Prediger aber nicht, er sagte: „Wenige sind mehr als vier." — „Wie viele sind es denn?" — „Acht, denn es steht in der heiligen Schrift, Petri 1. Epistel Kapitel g Vers 20 „da man die Arche zurüstete, in welcher wenige, das ist acht, behalten wurden." — So erzählt die „Nordd. Allg. Z.«, fügt aber nicht hinzu, ob der Prediger d>e 8 Klaftern erhalten hat.
Durch einen einfachen Handgriff die heftigsten Stickhusten-Anfälle kleiner Kinder augenblicklich zu unterdrücken, darüber schreibt ein Arzt, der das Verfahren gelegentlich einer Erkrankung seines eigener Kindes an Keuchhusten mit vielem Glück erprobt hat, Folgendes: Mit den beiden halbgebogencn Zeige- und Mittelfingern wird der Hintere Rand des Unterkiefer» unmittelbar vor dem Ohre fest gefch, die Daumen werden aufs Kinn gefetzl und mit kräftigem, aber doch sanften Zuge und Druck schiebt man den Unterkiefer nach vorn und unten. — Wenn der Mund beim Husten, wie es gewöhnlich der Fall, schon offen steht, so greifen beide Zeigefinger in der Gegend der Eckzähne in den Mund und voWien den Zug nach vorn und unten. Der Handgriff ist ungemein einfach, jo ich ihn ohne Weiteres jeder Lase, jede verständige Mutter oder Wärterin leichi uiid wenig schmerzlos auszuführen vermag. Die Wirkung ist eine durchaus sichere; der Anfall wird regelmäßig unterbrochen, der Husten und Athemnot hören auf und zum Erbrechen kommt es niemals.
Knacknuß.
(Was ist das?)
Gemeinnütziges.
(Behandlung derSchinkennach dem Räuchern.) Um das Verderben der Schinken zu vermeide», empfiehlt es sich, das zur Versendung und Aufbewahrung bestimmte Rauchfleisch in Pergamentpapier, das eine Stunde lang in heißem Holz- Essig eingelegt war, einzuwickeln und dann in eine Kiste mit verschließbarem Deckel gelegt, reichlich mit Holzasche überschüttet. So verpackt wird es gar nicht Vorkommen, daß das Rauchfleisch verdirbt, dadurch kann vielem Schade» vorgebeugt werden. Die Würste werden ani besten im Feuerungsloch des Ofens aufbewahrt, welches selbstredend erst geschehen kann, nachdem das Heizen durch Eintritt warmer Witterung aufgehört hat; man muß jedoch daraus achten, daß sich dort kein Mäuslein zu Gaste ladet.
SL» Den Herren Wahl-Vorstehern wäre für die baldigst thunliche Mitteilung des Ergebnisses der Reichstagswahl sehr dankbar ^
die Redaktion des Enzthalers.
Mt einer Nettage.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.