Es war gerade zur Zeit, als er Nana Franchard kennen lernte, eine Bekanntschaft. die ihm viel Geld kostete. Er hatte schon den größten Teil der Mitgift seiner Gattin verausgabt, und fürchtete sich vor dem Augenblick einer etwa verlangten Rechnungslegung. Um dieser Unannehmlichkeit vorzubeugen, wollte er sich ein Mittel verschaffen, durch welches er Martha in Schach halten konnte. Zu diesem Zweck hatte er Joseph bei Madame Daupin als Diener angebracht, und ihm zu verstehen gegeben, daß er von Zeit zu Zeit Nachrichten über die Lebensweise der Gräfin zu erhalten wünsche.
„Sobald ich weiß, daß Martha einen Geliebten hat«, sagte sich der ehrenwerte Herr Gemahl, „erhalte ich die Oberhand, und kann ganz nach meinem Belieben handeln!"
Joseph hatte mit Freuden den ihm angetragenen Vertrauens-Posten angenommen, umso mehr als der Gras ihm für den Fall eines günstigen Erfolges die Vernichtung derjenigen Schrift versprochen hatte, durch welche er damals sein begangenes Vergehen anerkennen mußte.
„Der Herr Graf hatten mir doch versprochen ..." begann Joseph jetzt noch einmal.
„Was denn?« entgegnete Jener in scherzhaftem Tone. „Ach ja, richtig! ich hatte Ihnen versprochen, bis auf Weiteres nicht von Ihrer früheren Stellung zu Herrn von Noirmont zu reden! Gut, lassen wir das also jetzt, und beantworten Sie mir lieber einige Fragen?«
„Kommt viel Besuch hieher?"
„Nein, Herr Graf, sehr wenig: — Herr General dÄmbleuse, der Besitzer von nebst Tochter ;
Herr d'Orchere, der Präsident des Tribunals ; Herr Beulette, der Untersuchungsrichter und einige alte Herren aus Mar- ville.«
„Sonst Niemand?« ...
„Nein, Herr Graf! Doch ja, ich vergaß! Der Maler Herr Trescou aus Paris war eine Woche hindurch bei einem seiner Freunde in Marville zu Besuch und kam während dieser Zeit einige Male hierher."
„So so!" sagte der Graf, indem er den Diener fragend anblickte.
Da dieser aber mit einem leisen Kopfschütteln antwortete, so rief der Elftere ungeduldig:
„Haben Sie mir denn gar nichts mrt- zuteilen?"
„Wenn der Herr Graf mir gestatten wollen, offen zu sprechen . . .«
„Ja doch, zum Teufel, sprechen Sie!«
„Längere Zeit hindurch habe ich, trotz der größten Wachsamkeit, nichts Verdächtiges entdecken können; aber vor einigen Wochen fiel es mir plötzlich auf. daß die Frau Gräfin jeden Morgen zu außergewöhnlich früher Stunde im Park spazieren gieng. Ich nahm mir deshalb einmal die Freiheit, ihr vorsichtig zu folgen, und überraschte sie bei einer Unterredung, die sie vom Balkon eines am äußersten Ende des Parks belegenen Pavillons über die Parkmauer hinweg mit Jemand führte, der sich außerhalb jener Mauer befand, den ich aber nicht
sehen konnte. Die Unterredung, von der ich kein Wort deutlich zu hören vermochte, schien sehr zärtlich zu sein, denn Beide hielten sich während der ganzen Zeit bei den Händen ..."
„Gut, gut!« warf der Graf unwillig ein, — „ich verlange von Ihnen keine Einzelnheilen zu hören!"
„In gleicher Weise habe ich mehrere Zusammenkünfte belauscht, und jedesmal schien die Frau Gräfin hinterher in sehr freudiger Stimmung zu sein.«
„Wann bemerkten Sie Derartiges zuletzt ?«
„Gestern früh.«
„Sind Sie sicher, daß jener Mann nicht Herr Trescou gewesen ist?«
„Ganz sicher, Herr Graf! Die Zusammenkünfte fanden schon seit lange vor der Ankunft des Herrn Trescou statt; auch bin ich überzeugt, daß dieser Herr der Frau Gräfin durchaus gleichgiltig ist.«
Der Graf machte dem Diener ein Zeichen, sich zurückzuziehen, während er selbst aufstand und an das Fenster trat. Seine Mißstimmung war verschwunden, er strahlte förmlich vor Freude, denn jetzt glaubte er sicher zu sein, daß seine Gattin einen Geliebten habe. Den Namen dieses Unbekannten zu erfahren, hielt er nicht für schwer; und sobald er darüber Gewißheit haben würde, wollte er seine längst gehegten Pläne ausführen, denn dann hatte er ja gewonnenes Spiel.
Wollte Martha sich alsdann jemals seinen Absichten entgegenstellen, so genügte die seinerseits geschickt hingeworfene Bemerkung : „Ich weiß Alles!« um ihren Widerstand zu brechen.
Ein siegessrohes Lächeln in den Gesichtszügen, wandte er sich um, und begab sich in das Ankleidezimmer.
Joseph, der ihm dorthin folgte, dachte bei sich:
„Das will ein vornehmer Mann, ein Graf fein? Der ist ja noch zehnmal schlechter wie unsereiner!«
V.
Während der Promenade durch die Park-Anlagen, welche der Graf von Vid- ione, in Begleitung der Madame Daupin, die er am Arm führte, unternahm, konnte er nicht Worte genug finden, um die Schönheit der Baumgruppen und Alleen, sowie den Geschmack der Blumen-Anlagen zu preisen. Er fand, daß das Schloß im reinsten Styl der Zeit Ludwigs des Dreizehnten gebaut sei, und erklärte den kleinen Jagd-Pavillon am Ende des Parks, mit seiner Terasse und seinen Erkern, für ein wahres Muster von Zierlichkeit.
Ganz entzückt über diese Lobsprüche, entgegnete die alte Dame: „Wenn Ihnen das Aeußere schon so gefällt, was werden Sie dann erst von der inneren Einrichtung des Pavillons sagen, den Martha zu ihrem Lieblings-Aufenthalt gemacht hat! Morgen sollen Sie das Innere am Hellen Tage besichtigen.«
„Ich bezweifle keinen Augenblick die Wunderbarkeit der Einrichtung, sobald meine Gemahlin dabei ihren mir wohl- bekannten feinen Geschmack hat walten lassen.«
Madame Daupin vergaß bei dem liebenswürdigen Benehmen des Grafen
gänzlich ihren bisher gegen ihn gehegten Zorn; sie fragte sich sogar, ob nicht etwa eine Annäherung zwischen dem Ehepaare zu ermöglichen wäre.
War die Reise des Grafen und sein Besuch in Brosselles nicht ein Beweis seiner friedlichen Absichten, seines Wunsches, ein freundliches Verhältnis herzustellen? Vielleicht war er endlich der ungeregelten Lebensweise überdrüssig geworden und kam nun, um die Verzeihung seiner Gattin zu erbitten. — Konnte die Erfüllung dieser Bitte ihm verweigert werden? Vernünftiger Weise nicht! — Am Klügsten wäre es, man zöge einen Schleier über die Vergangenheit und versuchte, die Gegenwart so angenehm wie möglich zu gestalten. Wer weiß, ob die Gatten da- durch nicht noch einer recht glücklichen Zukunft entgegen giengen.
(Fortsetzung folgt.;
Berlin, 6. Oktober. Im festlichen Brautschmuck harrte gestern nachmittag Fräulein E. Meyer auf die Ankunft ihres Bräutigams, der sie zur Kirche abholen sollte. Man wartete vergeblich, die festgesetzte Zeit war bereits überschritten, doch der Bräutigam, der Chemiker W. Gräsen- stein erschien nicht. In Thränen aufgelöst saß die junge Braut auf einem Sessel, umgeben von tröstenden Schwestern. Man fluchte dem ungetreuen Bräutigam, denn jedermann nahm an, daß er in letzter Stunde Berlin verlassen habe. Da endlich kam Nachricht von ihm. Der Unglückliche konnte, wie ein Bote meldete, nicht kommen, da er erblindet war. Als er nämlich im Begriff war, Toilette zu machen und wie gewohnt, sich mit einem Schwamm Lau äo Oologno über's Gesicht streichen wollte, da hatte er unter den vielen aus seinem Tische stehenden Flaschen eine solche erfaßt, welche allerdings vor Kurzem noch jenes Parfüm enthalten hatte, jedoch jetzt mit Schwefelsäure gefüllt war. Ohne zu ahnen, goß er in der Eile von dem verzehrenden Gift auf den Schwamm, um im nächsten Moment laut um Hilfe schreiend zu Boden zu stürzen. Die herbeieilende Mutter des jungen Mannes hatte keine Ahnung, was dem Sohne fehle, sie verstand seine wirren Worte nicht und so konnte es kommen, daß die ätzende Säure die ganze Hornhaut beider Augen zerstörte. Als der Verletzte zur Besinnung kam, da war der Zustand seiner Augen bereits ein bedenklicher geworden und dürfte nach Ansicht der Aerzte das Augenlicht sllr immer verloren sein. Unter solch traurigen Umständen mußte die Hochzeit selbstverständlich unterbleiben.
Ein gutesBierjahr muß das Jahr 1888/89 mit seinem durstreichen Sommer gewesen sein. So hat z. B. die Ber l i n e r Bock-Brauerei während des verflossenen Geschäftsjahres in ihren Brauereien Berlin und Schönpriesen 120 243Hektl. Bier verkauft gegen 79 717 Hektoliter im Vorjahr. Wohl bekomm's!
Knackrmß.
Vorne rund und hinten rund In der Mitte steht ein Pfund.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.