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Sanitätsmannschaften, welche durch ihr rasches Eingreifen so manchen Schmerz stillten, meinen heißgefühltesten Dank auszudrücken. Wenn ich nur diese Einzelnen hervorhebe, so ist mir und meinen Leidensgenossen der Dank für alle die wackeren Männer, welche uns Hilfe leisteten, nicht weniger teuer, ihre Aufopferung wird stets bei allen Verwundeten lebendig vor der Seele und in dankbarem Herzen stehen. Es möge hier noch des Herrn Major Dedekind aus Rottweil besondere Erwähnung geschehen. Als der Arzt sich ihm näherte, um ihm den ersten Verband anzulegen, deutete er auf einen neben ihm liegenden schwer verwundeten jungen Mann und bat, diesen zuerst zu behandeln. Ein dankbarer Blick für diesen Liebesdienst war das einzige, was der junge Mann geben konnte.
Stuttgart, 4. Okt. Die Lokomotive und Tender des verunglückten Zuges Nr. 222 sind heute auf die Station Hasenberg verbracht worden. Es waren 40 Arbeiter von der Eisenbahnwerkstätte Rottweil gekommen; dieselben haben die ganze Nacht hindurch gearbeitet.
fV o m Heere.) Die Zahl der R e - kruten, welche in diesem Herbst in die Garnison Stuttgart eintreten, beträgt 1353, und zwar 578 zum Gren.-Reg. Königin Olga Nr. 119, 577 zum Jnf.-Reg. Kaiser Friedrich Nr. 125, 198 zum Ulan.-Reg. König Karl Nr. 19; außerdem kommen je 11 Oekonomiehandwerker zum Gren.-Reg. und Jnf.-Reg. und 6 zum Ulan.-Reg. Der Eintritt der Rekruten des Grenadier- und Jnf.-Regts. erfolgt Anfangs November, der des Ulan.-Regts. wie der Oekonomie- Handwerker geschah am 1. Oktober, an welchem Tage auch der Eintritt der Einj.- Freiw. erfolgt ist. Von letzteren erhält das Gren.-Reg. 119 85, das Jnf.-Reg. 125 59, ferner erhält jedes der beiden Regimenter noch einige 3jähr. Freiwillige. Die Beeidigung der Freiwilligen, der Rekruten des Ulanenreg. und der Oekonomiehandwerker wir am Samstag 5. Okt. vorm. 9 und 9^/» Uhr in den beiden Garnisonskirchen stattfinden. (S. M.)
Cannstatt, 3. Oktbr. Im Laufe dieses Sommers wurde bei der Herstellung des sogen. Kellerbrunnens neben der Elsas- schen Fabrik ein Teil einer Eiche ausgegraben, die nach der Schätzung der Sachverständigen ca. 5000 Jahre alt sein mag. Aus den noch verwendbaren Teilen des Holzes ließen die bürgerlichen Kollegien 2 Kasetten im Renaissancestil durch Bildhauer Flück von hier Herstellen und solche am letzten Samstag II. KK. Majestäten zum Andenken an das Jubiläums-Bolks- fest überreichen. Die Kasetten sind künstlerisch ausgeführt, zeigen auf der vorderen Seite das württemb.-russische Wappen, auf den beiden Nebenseiten vergoldete Reliefbilder J.J. K.K. Majestäten und auf der Rückseite die Widmung. Der Oberbürgermeister teilte nun in der heutigen Sitzung der bürgerlichen Kollegien mit, daß J.J. K.K. Majestäten für das überreichte Geschenk ihren Dank ausgesprochen und zugleich bedauert haben, verhindert gewesen zu sein, dem heurigen Volksfeste anwohnen zu können.
Oesterreich.
Aus Preßburg wird berichtet: Der hiesige Weinbergbesitzer Blaser besuchte heute seinen Weinkeller, ohne die nötige Vorsicht zum Schutze gegen die dem zählenden neuen Wein entströmenden Gase zu beobachten. Er wurde durch dieselben betäubt und fand, da er sich allein im Keller befand, infolge Erstickung den Tod.
Schweiz.
Das von den schweizerischen Sozialdemokraten und ihren anarchistischen Hintermännern vergeblich angefochtene Gesetz über die B u n d e s a n w a l ts ch a f t wird laut Beschluß des Bundesrates am 15. Oktober in Kraft treten. Es steht zu erwarten, daß alsdann dieses gegen das bedenkliche Treiben sozialdemokratischer und anderer Unruhstifter in der Eidgenossenschaft gerichtete Gesetz auch mit voller Energie gehandhabt werden wird.
Miszellen.
Der Mord bei Marvisse.
Kriminal-Roman von Paul Labarriöre.
Deutsch von Emil Neumann.
(Fortsetzung.)
Mit untadelhaftem Anstande bot Letzterer der alten Dame seine Hand und war ihr beim Aussteigen behilflich; sodann wandte er sich um und begrüßte seine Gemahlin mit ausgesuchter Höflichkeit. Dieser Gruß und die Form der Erwiderung durch die Gräfin, bewiesen mehr als lange Auseinandersetzungen, wie gleichgiltig die beiden Gatten einander waren. Während einer Viertelstunde drehte sich das Gespräch zwischen dem Grafen und den beiden Damen, nach ihrem Eintritt in den Empfangssaal, um die gleichgiltigsten Dinge; man unterhielt sich über die Witterung, über die Reise des Grafen, die Annehmlichkeiten des Landlebens und die Schönheit der Gegend.
„Sie hatten eine glützliche Hand, werte Madame Daupin, als Sie das Schloß Brosfelles kauften", sagte der Graf, zur Freude der guten Dame, die sehr stolz auf den Besitz dieses Schlosses war. „Sobald ich meine Reisekleider mit einem geeigneten Anzuge vertauscht habe, werde ich Sie bitten, mich durch die Gebäude und den Park geleiten zu wollen. Ich bin überzeugt, daß der vorteilhafte Eindruck, den die Besitzung gleich beim ersten Anblick macht, noch bedeutend erhöht wird bei deren genauerer Besichtigung!" . . .
„Das hoffe ich!" erwiderte Madame Daupin geschmeichelt; sodann rief sie einem Diener im Tone einer Dame der vornehmen Welt zu: „Joseph, führen Sie den Herrn Grafen in die für ihn in Bereitschaft gesetzten Gemächer!"
Jene Wohnräume lagen im ersten Stockwerk des Gebäudes, und hatten die Aussicht in den Park; sie bestanden aus einem höchst geschmackvoll möblierten Salon, einem großen, im Renaissance- Stil gehaltenen L-chlafgemach und einem luxuriös ausgcstatteten Ankleidezimmer.
Der Graf besichtigte die Räume nur oberflächlich und warf sich sodann im Salon auf einen Fauteuil nieder, wo er
bald in tiefe Gedanken verfiel, ohne fick weiter um den wartend stehen gebliebenen reich galonierten Diener zu kümmern' Dieser wagte nach einiger Zeit zn staue,
„Haben der Herr Graf mir keine weiteren Befehle zu erteilen?"
Nein, der Herr Graf hatte augenscheinlich keine Befehle weiter zu geben denn er antwortete nicht auf diese Frage' er schien recht sorgenvoll zu sein, der Herr Graf. Sein selbstbewußtes Lächeln das er vorhin zur Schau getragen, war verschwunden; die Augen halb geschlossen, die Stirn in finstere Falten gezogen, saß er da, wie ein Mann, der sich in einer verzweifelten Lage befindet, aus der er keinen Ausweg zu finden weiß.
Angenehm war die derzeitige Lage des Herrn Grafen gewiß nicht. In Paris hatten seine verschiedenen Gläubiger,, des langen Wartens überdrüssig, endlich die Geduld verloren, und verlangten stürmisch die Bezahlung ihrer meistens sehr bedeutenden Forderungen. Diese Unverschämte» wollten nicht einsehen, daß sie sich an der Ehre genügen lassen müßten, einen j« vornehmen Herrn zu ihren Kunden z« zählen! Hatte es doch sogar am vochei- gegangenen Tage ein Tapezierer gewagt, durch einen Huissier eine amtliche Aufforderung bei dem Concierge des Grafen abgeben zu lassen, wonach Letzterer binnen 24 Stunden die Kleinigkeit von dreiundfünfzig Tausend Francs 60 Centimes bezahlen sollte, für ein der Demoiselle Nana Franchard geliefertes Meublement! — Ueverdies waren in nächster Zeit mehrere größere Wechsel fällig, die der Herr Graf unvorsichtig genug gewesen, zu unterschreiben. Und bei Alledem wollten selbst die Wucherer kein Güt> mehr hergeben, ohne die persönliche Bürgschaft der Frau Gräfin.
Der Diener wollte sich eben leise entfernen, als der Graf, sich nach ihm im- wendend, rief:
„Warten Sie. Joseph! ... ich habe mit Ihnen zu reden!"
Der Gerufene näherte sich diensteifrig und verbeugte sich sehr tief, während der Graf sagte:
„Wissen Sie wohl, daß man Sie im „Großen Club" in Paris vermißt? Herr von Noirmont behauptet, Sie seien sei» Glücksengel gewesen. Und in der That, seit Sie fort sind verliert er fortwährend im Spiel!"
Joseph war auffallend bleich geworden und sagte, den Grafen mit dem Ausdruck komischer Verzweiflung anglotzend:
. . . „Der Herr Graf hatten mir doch versprochen . . ."
(Fortsetzung folgt..
Knacknuß.
1 1 (Eine Stadt).
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Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.