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Artillerist verletzte durch dieselbe Explosion beide Hände.
Vom See berichtet der „Oberschw. Anz." unterm 23. Septbr.: Soweit das Auge reicht, sind die Berge weiß. Selbst die Rorschacher Höhen tragen eine Schneehaube.
InHeilbronn, Neckarsulmund Weinsberg beginnt den 30. Septbr. die Lese des Frühgewächses, an welche sich die allgemeine Weinlese anschließen wird.
* Calw, 26. Sept. In der heute stattgehabten Versammlung von Wählern aus den 4 Bezirken des VII. Reichstagswahlkreises (Calw, Herrenberg. Nagold, Neuenbürg) wurde die Kandidatur des Hrn. Landgrichtsrats Frhrn. v. Gült- lingen nach Bekanntgabe seines Programms einstimmig gutgeheißen.
Man einigte sich zufolge dieses Beschlusses dahin, daß seitens der einzelnen Bezirkskomites Aufrufe und Einladungen zur Wahl und zur Bildung von örtlichen Komites ergehen sollen.
Calw. Die Flößerei auf der Nagold kann seit dem 24. Sept. wieder beginnen.
Calw. Der Bienenzüchter- Verein hält seine letzte Jahresversammlung Sonntag den 29. September zu Stamm heim ab. Anfang 2 Uhr.
Ausland
Paris, 26. September. Die Wahlkommission für die Präfektur Seine erklärte die für Boulanger in Mont- montre abgegebenen 8367 Stimmzettel für ungiltig und proklamierte Joffrin, der 5500 Stimmen erhielt als Abgeordneten für Montmartre, die in Belleville für Rochefort abgegebenen 3841 Wahlzettcl wurden gleichfalls für ungiltig erklärt.
(S. M.)
Paris, 26. Sept. Die beiden Deutschen, welche wegen angeblicher Spionage in Tarascon verhaftet, dann aber Anfangs September gegen Kaution freigelassen worden waren, sind jetzt durch den Untersuchungsrichter vollständig außer Verfolgung gesetzt worden.
Neapel, 25. Sept. Heute wütete ein fürchterlicher Orkan. Mehrere Häuser stürzten ein, mehrere Personen sind getötet. Die Billa Crispi's steht unter Wasser. Die Gartenmauer der Villa ist eingestürzt.
MisMen.
Aer Word bei WarvUe.
Kriminal-Roman von Paul Labarriöre.
Deutsch von Emil Neumann.
(Fortsetzung. -
Die beiden Freunde tauschten bei ihrem Wiedersehen zunächst die freudigen Erinnerungen der Jugendzeit aus und teilten sich sodann gegenseitig ihre Erlebnisse der letztvergangenen Jahre mit.
„Und nun, mein lieber Hektar", sagte Jean schließlich, „muß ich Dir ein Geständnis machen. Als ich mich zu dieser Reise anschickte, empfand ich eine eigentümliche Traurigkeit, als handelte es sich um die Pilgerfahrt an das Grab eines Freundes. Je näher ich meinem Reiseziele kam, desto größer wurde jene Traurigkeit, und wie ich vorhin durch das Thor
in Marville eintrat, glaubte ich, weiß Gott, einen Friedhof vor mir zu sehen!"
„In der That", entgegnete Hektar lachend, „der erste Anblick ist nicht allzu freundlich!"
„Nein!" bestätigte Jean heiter; „ich dachte'bei mir: „„Hier ruhen die Reste Hektar Lauziores, dieses einst so lebenslustigen Freundes, dieses hochbegabten und zu größtem Ruhm berufenen jungen Mannes, der hier zu Grunde gegangen ist!""
„Oho!" rief Hektar dazwischen. Jean aber fuhr fort:
„Glücklicherweise täuschte mich jedoch meine trübe Vermutung und ich finde Dich unverändert wieder wie damals, als wir uns verließen! Dennoch vermag ich es nicht zu fassen, wie Du, als eingefleischter Pariser, der Du geworden warst, Dich hier, in diesem abgelegensten Winkel der zivilisierten Erde einwohnen konntest!"
„Nun, ganz so abgelegen, wie Du glaubst, ist dieser Erdwinkel doch nicht!" erwiderte Hektar. „Allerdings herrscht hier nicht ein so buntes, lärmendes Treiben wie in Paris. Man lebt hier ruhiger, aber auch um so viel gemütlicher: man gehört sich selbst und den Seinigen hier mehr an, als im Trubel der Weltstadt . . . Freilich kann ich nicht leugnen, daß es mir nicht viel anders ergieng wie Dir, als ich nach dem Tode meines Vaters wieder hierher kam; auch ich glaubte, nicht für die Dauer hier bleiben zu können und sehnte mich nach Paris zurück. Aber meine Mutter bebte bei dem Gedanken einer erneuten Trennung, und da sie sich nicht dazu entschließen konnte, diesen Ort und Alles, was sie hier fesselte, zu verlassen, so blieb ich hier! . . . Und ich habe es wahrlich nicht zu bereuen gehabt, denn mir fehlt hier nichts zu meinem Glück ... gar nichts! Mein Glück ist vollkommen!"
Während dieser Auseinandersetzung hatte sich Jean bequem in einen Fauteuil zurückgelehnt, die Arme über der Brust verschlungen, und blickte seinen Freund lächelnd an. Als dieser beteuerte, daß sein Glück vollkommen sei, fiel ihm wieder die Scene an der Parkmauer von Bros- selles ein; und seine Vermutung, Hektor Lauziere und der unsichtbar gebliebene Reiter möchten eine und dieselbe Person sein, wurde ihm fast zur Gewißheit, denn er sagte sich, daß Derjenige mit vollem Recht sich glücklich schätzen könne, dem die Gräfin von Vidione ihre Gunst zuwende.
Um sich sofort zu überzeugen, fragte er seinen Freund ohne Weiteres:
„Wie heißt denn Diejenige, welche Dein Glück vollkommen macht?"
„Was meinst Du damit?" entgegnete Jener betroffen.
„Nun", sagte Jean lächelnd, sich an der sichtbaren Verlegenheit Hektars weidend, „ich kenne Dich doch genugsam, um zu wissen, daß Du trotz Deiner scheinbaren Besonnenheit nicht unempfindlich bist gegen weibliche Schönheit, und daß Du ein Liebes - Abenteuer nicht verschmähst !"
„Bedenke, Unglücklicher", fiel ihm Hektor in's Wort, „daß in dieser sittenstrengen Stadt die Liebe nur in der Ehe
möglich ist! Wir haben hier einen förmlichen Geheimbund alter Jungfern, di- Tag für Tag hinter ihren Fenstervorhängen lauschen, um jeden Schritt der jungen hübschen Mädchen und Frauen zu bewachen, ebenso wie die Lebensweise der Männer! Dank diesen Wüchterinnen der Ehrbarkeit sind hier sogenannte Liedes- Abenteuer gar nicht denkbar!"
„Das muß man sich merken!" rief Jean scherzend. „Sollte ich mich jemals verheiraten, so bringe ich meine junge Frau unfehlbar hierher . . . Aber um wieder von Dir zu sprechen: Du willst also behaupten, nicht verliebt zu sein?"
„Lieber Freund, ich bin kein Jüngling mehr: ich habe das zwei und dreißigste Jahr überschritten . . ."
„Und ich das drei und dreißigste,
. . . was mich aber nicht hindert, sterblich verliebt zu sein in eine reizende junge Frau, die ich hier wiederzusehen hoffe!"
„In Marville?"
„Nicht gerade in Marville, aber in dessen nächster Umgebung ... in dem Schlosse . . . Wie heißt es doch? . . . Hilf mir, Freund, nenne mir die Namen der nahegelegenen Schlösser!"
Hektor, der ein wenig bleich geworden war, nannte mehrere Schlösser der Umgegend, vermied aber sorgfältig, den Namen Broffelles auszusprechen.
„Gleichviel!" sagte endlich Jean. „Wenn Du mir Dein Reitpferd zur Verfügung stellen willst, so wird mich das schon an den richtigen Ort bringen!"
Diese Anspielung war zu deutlich, als daß sie unverstanden bleiben konnte. Hektor stand auf, näherte sich seinem Freunde und fragte in einem Tone, der deutlich erkennen ließ, welche Befürchtungen sein Inneres erregten:
„Was bedeuten Deine sonderbaren Worte?"
„Nichts weiter", erwiderte Jean heiter, „als daß wir Beide eine und dieselbe Frau lieben!"
„Wie?"
„Oder vielmehr liebten, . . . denn ich trete von meiner Bewerbung freiwillig zurück!"
Und nun erzählte er dem Freunde seine ganzen Erlebnisse seit der Ankunft auf der sogenannten „Station Marville": das Verfehlen des Waldwegs, die unfreiwillige Beobachtung des Abschiedsgrußes von der Höhe der Parkmauer des Schlosses Brosselles, seine in der Wut über diese Entdeckung gehegte Absicht, den unsichtbaren Reiter zu verfolgen, . - und endlich seinen, im weiteren Verlauf der Wanderung gefaßten Entschluß der Entsagung.
(Fortsetzung folgt.)
Der Berliner Witz hat für den „Gerichtsvollzieher" eine neue Bezeichnung gefunden, er nennt ihn „Hausleerer."
Marktpreise.
Stuttgart, 26. September. Kartoffel: 400 Ztr. ä 2 70 ^ bis S ^
20 per Zir.
Filderkraut: 3000 Stück. 12 bis 14 ^ per
100 Stück. ^ .
Mo st ob st: 300 Ztr. ausländisches, tz
bis 7 ^ 30 ^ per Ztr.j
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.