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John wohl ganz verrückt geworden! Wir haben's ja bald gedacht!"
Franz grüßte die Leute freundlich, ihm war so sonnig und wonnig zu Mute, der müde Greis fühlte sich als ein Jüngling, und er, der nie mehr, seit dreißig Jahren, den Frühling beachtet, empfand ihn plötzlich als etwas Köstliches, Wohlthuendes.
An Rosels Fenster blühten die Blumen und prangten in schönstem Schmuck, aber nicht zum Fenster gieng Franz, es war ja Heller, lichter Tag und er halte nicht mehr nötig, nur zur Nachtzeit wie ein Dieb sich einen Blick auf Rosels Fenster zu erstehlen. Er hatte nicht mehr nötig, seinen Namen zu verbergen, seine Unschuld war ja bewiesen.
Das Herz schlug ihm und seine Hände zitterten, als er jetzt vor Rosels Stubenthür stand. Rosel saß im Zimmer mit einer Handarbeit beschäftigt und ihre Gedanken weilten in Amerika, einen suchend, um einen bangend, der schon lange in ihrer Nähe weilte, der draußen vor ihrer Thür stand.
Es klopfte; auf Rosels „herein" trat Franz ein und blieb an der Thür stehen.
Rosel schaute ihn befremdet an, er war ja der Ausländer, der Liebling ihrer Schülerinnen, was wollte er von ihr?
Sie stand auf und gieng ihm einige Schritte entgegen.
„Rosel!" sagte Franz leise und innig.
Aus Rosels Gesicht wich jegliche Farbe, wie im Traume starrte sie den Mann mit den schneeweißen Haaren an. So weich, so innig konnte nur Franz ihren Namen aussprechen.
„Rosel!" erklang es noch einmal.
Da wich die Erstarrrung von Rosel: „Franz! Franz!" rief sie jubelnd. „Franz, Du bist es!" und sie streckte beide Hände dem Mann entgegen, dem ihre ganze Liebe gehörte, mit dem ihre Jugend und ihr Glück geflohen waren.
„Ich bin's, Rosel, ich bin's", sagte Franz und hielt ihre beiden Hände fest in den seinen, „und Rosel, ich bin unschuldig."
„Warum sagst Du das mir?" ent- gegnete Rosel vorwurfsvoll, „habe ich je an Dir gezweifelt? Warum bist Du damals gegangen, allein gegangen, warum nahmst Du mich nicht mit als Dein Weib? — So wären wir beide nicht um unser Leben betrogen gewesen, — so" —
„Ich durfte nicht, Rosel, und ich konnte nicht, so lange der Verdacht eines Verbrechens auf mir ruhte, ich durfte nicht vor Dich hintreten, und habe es nicht gewagt, obgleich ich schon so lange in Deiner Nähe weile, aber jetzt-"
„Aber jetzt?" wiederholte Rosel voller Spannung.
„Aber jetzt«, sagte Franz mit glücklichem Lächeln, „ist meine Unschuld klar am Tage", und er erzählte, was sich eben zugetragen.
„Endlich! endlich! o Gott!" schluchzte Rosel, „zu spät, um Dir ein verlorenes Leben zu ersetzen, um Dich vergessen zu lassen, was Du gelitten. Und ich bin schuld, Franz, ich habe nicht gethan, was Du von mir verlangt, ich habe statt zu beten und zu vergeben, gehaßt und ge
flucht durch zwanzig Jahre hindurch! Armer Franz, um meiner Flüche willen hat Gott wohl das Licht so lange zurück- bchalten. Aber wenn Du wüßtest, wie schwarz es in mir war, Du hättest Mitleid mit mir!"
„Arme Rosel!" sagte Franz, „wir wollen das Dunkel vergessen und uns am Licht erfreuen; Deine und meine Haare sind schneeweiß geworden, ich bin so müde gewesen, hätte mich so gern begraben lassen, aber nun ist die Lust zum Leben wieder rege geworden. Habe ich dreißig Jahre lang mich meines Namens schämen und die Schande tragen müssen, so möchte ich jetzt noch eine kurze Zeit mich meines Namens freuen, noch kurze Zeit als ehrlicher Mann leben."
„Der Sonnenwirt! was sagt der Sonnenwirt?" fragte Rosel.
„Reinhold!" murmelte Franz, „er ist mein Bruder, er weiß, was es heißt, unschuldig zu leiden. Gott ist wunderbar in seinem Gericht, worin er sündigt, darin wird er gestraft. Rosel, ich muß zu ihm, was mich bis in den Himmel erhebt, wird ihn zu Boden drücken, er ist ja nicht schlecht, er ist nur hart. Rosel, komm mit."
„Zum Sonnenwirt, Franz? Ach, der Gang wird mir schwer."
- . ' (Schluß folgt.)
Die historischen Familien-Namen des Enzthals.
Im Enzthal mehr als in andern Teilen Württembergs macht sich eine gewisse Stabilität der Einwohnerschaft geltend, die von der Abgeschlossenheit des Thales einerseits und von der Entfernung vom Landes- Mittelpunkt andererseits herrühren mag. Daher kommt es auch, daß man hier, wie in echt bäuerlichen Gegenden die Familien- Namen auf eine respektable Zeitstrecke von 300 Jahren zurückoerfolgen kann, ohne daß die Familienglieder, seltene Fälle ausgenommen, aus ihren bescheidenen Verhältnissen heraustreten. Daher auch der scharf ausgeprägte Tonfall der Enzthäler, welcher immer ein Zeichen lang angemessener, sich abschließender Bevölkerung ist und die Eigentümlichkeit der stärkeren Betonung der Berufsnamen gegenüber dem Familiennamen, sowie die starke Dehnung der Endsilben, besonders das „er" dem mittelhochdeutschen „äre" in Fideläre (Filder) entsprechend, z. B. Waggnöhr anstatt Wagner.
Die Namen: Treiber, Pfeiffer, Knüller, Schober, Wandpflug, Brachold, Schwitz- gäbele rc. scheinen spezifische Wildbader Namen zu sein. Die „Treiber" mögen wohl ursprünglich hörige Bauern gewesen sein, die bei den Treibjagden in den herzoglichen Waldungen das Wild treiben mußten. Die Pfeiffer würden von den alten Stadtmusikanten abstamiffen, die den Berufsnamen Stadtpfeiffer führten. Hanselmann mag eine Verketzerung von Handelsmann sein. Die Knüller wären Fuhrleute, welche den Verkehr mit Langholz besorgten, indem erst im Jahre 1650 die Langholzflößerei auf der Enz eingeführt wurde ff. u.) Wandpflug und Brachold deuten auf landwirtschaftlichen Ursprung hin, indem ersterer den Pflüger an der Berg
wand und letzterer den Besitzer eines Brachlandes zu bedeuten scheint; während Schober den Wiesenbesitzer kennzeichnet und wohl früher richtiger Schoberer geheißen haben mag, d. h. Besitzer von Heuschobern. Schwitzgäbele ist offenbar eine Verketzerung des Namens Zwickgabler, indem Zwickgabel ein im Schwarzwald öfters vorkommender Ortsname ist. (Zwickgabel, Dorf an der Gabelung des Schönmünzachthals in Langenbach- und Schönmünz- achthal.)
Andere den breiten Volksschichten des Enzthals angehörige Namen sind: Kleinbub , Gutbub. (Ober- und Unterknecht eines Hofes) , Krauß, Rothfuß, Rehfuß, Wildbrett, Fischer. Weber, Bätzner, Hammer, Schmid, Eitel, Keller rc., welche als Beinamen zum Familiennamen zu betrachten sind, hergeleitet aus der Beschäftigung, wie Hammer, Schmid, Weber, Fischer, Kleinbub, Gutbub; oder aus körperlichen Merkmalen, Aushängeschildzeichen u. a., wie Krauß, Rothfuß, Rehfuß, Wildbrett, Eberle u. s. w. Eitel weist auf das mittelhochdeutsche Wort „eit" (Eid) und würde somit Beeideteter oder Geschworener bedeuten; Keller ist der Titel eines fürstlichen Beamten, welcher Küche und Keller zu besorgen und die Steuer in Form von Naturalleistungen, wie Hühner, Korn, Heu, Wein und auch Geld einzutreiben hatte, Bätzner weist auf das altdeutsche Bete (Steuer) hin und wurde wohl iin alten Stil Belsner geschrieben. Die Bete war eine allgemeine Steuer, die jährlich durch den Dorfvogt oder Schultheißen eingezogen wurde, daher ihm auch der Name „Betsner" zukommen mochte. Alle Steuer, welche nicht von Grund und Boden erhoben wurde, hießen die leibeigenen Bauern ein Ungeld (ungerechtes Geld) und diejenigen, welche es eintreiben mußten, den Ungelter, woraus der Familienname Umgelter entstanden sein mag. Im Enzthal finden wir 1641 den Untervogt in Neuenbürg, Joh. Andr. Ungclter, der Vogt und Forstmeister zu Freudenstadt, wurde. Er ist 1658 entlassen worden. „Von dieser Zeit an hat er weit und breit herumb vagiert mit nicht gar richtigem Verstand und ist endlich misserime gestorben"; so meldet uns das württ. Dienerbuch. Rometsch enthält die altdeutsche Wurzel Rom oder Ram (Reisig) und mag aus dem alten Wort „Romtschouper" (Reissigbündelmacher) durch Abkürzung entstanden sein. Wie schon in früher Zeit die Gleichartigkeit der Familiennamen zur Entstehung von Beinamen geführt hat, die selbst wieder zu Familien-Namen geworden sind, möge ein Beispiel zeigen. Im Konzeptlagerbuch von Wildbad wird nach Renz (Führer von Wildbad) ein Bernhardt, genannt „Christoffel" , Wirt und Schulmeister in einer Person aufgeführt ffm Jahr l525); während ein Bernhard von Calmbach „Funkh" genannt wird, welch letzterer Name sich in Wildbad als Familienname erhalten hat.
(Fortsetzung folgt.',
Marktpreise. Neuenbürg, 24. Aug. Butter 1.15, 1.10, 1.05 u. 1 M. pro V, Kilo. Erer 2 St. 11—13 I St. 6—7 ^j. Kartoffeln, rote und weiße, 2.50 u. 3 M. pro
50 Kilo.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.