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reiche Opfer gefordert hat und sich mit der Zunahme der Not stets weiter verbreitet. Mit hohlen Augen, entzündetem Zahn­fleisch und geschwollenen Beinen liegen die Opfer der Krankheit in ihren elenden Hütten, sind kaum mehr imstande, sich zu bewegen unnd erwarten den Tod als will­kommenen Erlöfer.

Miszellen.

Der Sonnenwirt.

Bon Erich Norden.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.,

Das Pastor-Gretchen war gar schnell der Liebling des ganzen Dorfes geworden. Die Frauen streichelten das kleine Blond­köpfchen, die Männer streckten ihre harte, schwielige Hand aus und riefen:Na. Pastor-Gretchen, wie geht's?" und das kleine Mädchen legte ohne Scheu ihr kleines, sammetweiches Händchen in die rauhen Bauernhände. Selbst die unnützen Schuljungen, die für gewöhnlich richtige Dorfrangen waren, kauerten nieder, wenn das kleine blonde Gretchen am Pfarr­gartenzaun stand, plauderten mit ihr, oder geleiteten sie auch mal vorsichtig über die Dorfstraße, verjagten die Hunde und die Gänse, vor denen das kleine Ding doch erschrecken könnte.

Wenn die Blumen-Rosel auch dem Herrn Pastor und seiner Frau das stets finstere Antlitz und die gewohnte Ver­schlossenheit entgegenbrachte und bezeigte, dem lieblichen Pastor-Gretchen mit den schönen blauen Augen konnte sie nicht widerstehen.

Schon zu wiederholten Malen hatte sie dem kleinen Mädchen ans Fenster ge­klopft und es zu sich hereingerufen, um es dann heftig fortzuschicken und ihm nachzuschauen mit finsterem Blick. To that sie es heute. Der Blick ihres glanz­losen Auges folgte dem Kinde, bis es über die Straße hinweggegangen, den Pfarr­garten betreten und hinter der Thür des Pfarrhauses verschwunden war.

Es ist doch so still bei dir", hatte das Kind gesagt und Rosel schaute sich in ihrem Zimmer um und lachte rauh. Ja, es war still bei ihr. es hätte alles anders sein können. Gerade, daß das Pastor-Gretchen so sagte, machte ihr das Wort in seiner Bedeutung noch viel bitterer, als aus jedem anderen Munde. Ja, das Pfarrhaus da drüben! Sie hatte die Wohnung an der Straße, dem Pfarr­haus gegenüber, nicht bloß gewählt, weil der Weg nach Westen führte, sondern da­mit der Anblick des Pfarrhauses die Bitterkeit ihres Herzens immer vermehre, den Haß in ihr wachhalte und immer von neuem schüre. Sie hätte können Pfarr- frau sein in just solchem Pfarrhaus, ein geistig begabter, schöner Mann hätte ihres Lebens Stütze und Glück sein können, ja, liebliche Kinder, wie des Pastors Gretchen, hätten in traulichem, glücklichem Heim um sie Herumspielen können, wenn der Sonnen­wirt nicht gewesen wäre! Der Sonnen­wirt! Der Sonnenwirt! Wie bei dem Gedanken an ihn der Zorn und Haß sich in ihrem Herzen regten und Verwünsch­

ungen, ja Flüche sich auf ihre Lippen drängten!"

Jetzt saß der Sonnenwirt schon seit zwei Jahren im Zuchthaus, und die Rosel wünschte oft, daß er ein recht hohes Alter erreichen möchte, damit das ganze Leben, das er zweien Menschen gestohlen, doch einigermaßen ausgewogen würde.

Im Dorf sprach man nur wenig noch vom Sonnenwirt, der vor zwei Jahren noch die Hauptrolle im Dorfe gespielt, dessen Ansicht, Meinung und Rat jeder eingeholt hatte. Aber er war ja ein Ver­brecher! Seine früheren Genossen hatten sich sehr schnell an den Gedanken seiner Schuld gewöhnt, die ja durch das Urteil bewiesen war, einem Verbrecher konnte man doch keine Erinnerung bewahren. Mußte man sich doch schämen, daß man je an seinem Tisch gesessen hatte!

Um die Sonnenwirtin und die Rieke kümmerte man sich gar wenig. Die Sonnenwirtin hatte das ihnen gehörende Grundstück verkauft; dort war ein neues Wirtshaus erstanden, ein neuer Wirt stand hinter dem Schenktisch und bediente seine Kunden. Auf dem schönen, blau ange­strichenen Schild stand nicht mehr:Gast­haus zur Sonne", sondernGasthaus zum weißen Roß." Jede Erinnerung an das, was gewesen war, sollte getilgt werden.

Die Sonnenwirtin hatte am Ende des Dorfes ein kleines Häuschen erstanden, die bei dem Brande geretteten Möbel da hineingebracht und lebte mit der Rieke still und zurückgezogen.

Sie hielt alles in schönster Ordnung, arbeitete fleißig für einen Strumpfladen in der Stadt, um nur die Zeit hinzu­bringen, und Thränen bitteren Grames fielen tags auf ihr Arbeit, nachts auf ihr Kopfkissen. Ihr Mann, dem sie nie eine schlechte That zugetraut hätte, der wohl hoch hinaus wollte und oft gar hart war, ein Verbrecher ein Zucht­häusler! O, wie die Scham auf ihren Wangen brannte! wie ihr Herz sich zu- sammenkrampfte!

(Fortsetzung folgt.',

Madegeschichten aus atten Hagen.

Der Sturm der Völkerwanderung hatte die Keime der antiken Kultur ausgerodet, ihre Saaten verwüstet, ihre Blüten ge­welkt, ihre Früchte gebrochen, auch das unter den Römern so reich und glänzend ausgestattete Badewesen vernichtet, und eine große Anzahl schon hochberühmter Kurorte in Italien, Spanien, Gallien und Deutschland zerstört und verwüstet. Plom- biers fiel der Zerstörung durch die Franken, Luxeuil und Albano durch Attilla, Baden (Schweiz) und Baden-Baden durch die Allemannen anheim. Die christlichen Orden, deren hohe Kulturmission bis tief ins Mittelalter hinein unbestritten ist, haben ebenso, wie die klassische Literatur, auch das Bade- und Kurortewesen vor dem gänzlichen Verfall gerettet und viel­fach zu neuer Blüte gebracht. Viele Klöster und Abteien waren im Besitze von Heilquellen, mit Vorliebe siedelten die Orden sich in der Nähe derselben an, auch kamen sie zu zahlreichen Gütern durch Geschenke, und da sie Arzneiwissen­

schaft pflegten und übten, so entstanden unter ihnen neue Kurorte und erstanden wieder längst vergessene oder zerstörte, Der heilige Columban gründete an den berühmten heißen Quellen von Luxeuil das gleichnamige Kloster; das Kloster Savin de Tarbas ist im Besitze der be­rühmten Schwefelquellen von Bareges, den Cisterzienser Mönchen gehörte duz Hirschbad zu Warmbrunn, Johann von Tours stellte die in den Kriegen ver­wüsteten Bäder von Bach wieder her - von welchen der von Richard II. gestiftete Balh-Orden seinen Namen führt aber das größte Verdienst um die Pflege der Heilquellen hatte jener Orden, der seit jeher unentwegt im Dienste der Kultur und Humanität stand, dessen Klöster und Abteien stets Stätten waren, von denen eine Leuchte ausgieng, der Benediktiner- Orden. Die Legende läßt, als der heilige Benediktus 529 das älteste und ange­sehenste Kloster Europas, die Stammablei Monte Casino, stiftete, auf diesem gott­begnadeten Stück Erde eine heiße Quelle zu Tage treten. Im Besitze der Bene­diktiner waren: die Thermen von Arles, von Burtscheid, das Rippoldsauer Bad; dem Benediktiner-Kloster zu Fulda gehörte die Saline zu Kissingen, dem zu St. Gallen das altberühmte Pfäsfers.

Kurorteleben und Treiben" so schreibt Julius Walter in einer Fortsetzung seiner kulturhistorischen Bilder imN. W. Tagbl." beginnt aber doch erst im 15. Jahrhundert einzelne Kurorte feiern in dieser Epoche ihre Glanzperiode, die freilich oft rasch wieder erblaßte, und seither nie wieder erwachte. Die Me- gesellschaft war bis hoch ins 16. Jahr­hundert hinein eine durchwegs exklusive, blaublütige. Die Schwierigkeit, Un­sicherheit und Teuerung der Reisen in Folge des trostlosen Zustandes der Ver­kehrswege und des Räuberunwesens, das zwang, nur mit bewaffnetem Gefolge aus­zuziehen, die Dürftigkeit der Verkehrsmittel man war auf Pferd und Sänfte an­gewiesen die Erbärmlichkeit und Ge­fährlichkeit der Herbergen machen es be­greiflich, daß nur große und mächtige Herren, Fürsten und Kriegsheldcn, reiche Aebte und Aebtissinnen mit ihrem Troß und Gefolge die Bäder besuchten, zu denen sich noch die Anwohner der nächsten Umgebung gesellten.

(Fortsetzung folgt.)

(Frauen-Abc.) Wie sollen unsere Frauen beschaffen sein? Man kann es am Abc herzählen. Ein gutes Weib soll sein: an­mutig, bescheiden, charakterstark, demütig, ehrbar, fleißig, gefühlvoll, häuslich, innig, keusch, liebenswürdig, mitleidig, nachgiebig, ordnungsliebend, pflichttreu, quellfrisch, reinlich, sparsam, treu, ungekünstelt, ver­schwiegen, wirtschaftlich, xantippenunähn- lich, zuverlässig. Ein Narr, der es sucht; ein Gott, der es findet.

Marktpreise. Neuenbürg, 6. Juli. Butter V, Kilo -^6. I.OS, 1.20, 1.30.

Eier pr. St. 6 und 2 St. 11 -F- Kirschen 1016 Pf. pr. V 2 Kilo. Kartoffeln 5 pro Pfd.

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.