Neuen Weinsteige zerstörte ein Blitzstrahl Stiege und Staffel; unweit davon hat der Blitz ein Gartcnhäuschen in Brand gesetzt. Ebenso schlug der Blitz in einem freigelegenen Herrschaftshause der Rothe- bühlstraße ein. In der Markthalle schwammen zum zweiten Mal nach weni­gen Wochen Metzgergegenstände, Fisch­tröge, Hackblöcke, Blumenkränze, Tische in einer unnennbaren, etwa 1 Meter tiefen schwarzen Flut herum. In der Seestraße, der oberen Kanzleistraße traten schwere Ucberschwemmungen und Ver­schlammungen ein. Im Stadtgartenkeller schwammen die Fässer herum. In den Weinbergen wurden auf große Strecken Mauern eingerissen, der Boden hinweg­geschwemmt.

Renningen, l. Juli. Heute nach­mittag ist eine Frau, während sie unter einem Baum im Felde ihr Abendbrot ein- nahm, vom Blitze erschlagen worden. Ihre beiden Kinder und eine weitere Frau kamen mit dem Schrecken bezw. leichten Lähm­ungen davon.

Mittelfischach. O.A. Gaildorf. Ge­stern nachmittag wurde auf unserer Mark­ung unweit Engelhofen und Weiler eine ältere Frauensperson vom Blitzstrahl ge­tötet. Zwei andere Personen, Vater und Tochter, die sich mit ihr unter einen Baum geflüchtet hatten, in welchen der Blitz ein­schlug, kamen mit dem Schrecken davon.

Heidenhcim, 2. Juli. Gestern abend schlug der Blitz in eine Scheuer in Hohenmemmingen. Das Gebäude wurde eingeäschert. Der 20 Jahre alte Sohn des Hauses wurde auf der Scheunenleiter vom Strahl getroffen und stürzte auf den Boden, wo man ihn nachher mit zer­schmettertem Kopfe tot auffand. Auch der Vater wurde betäubt, erholte sich jedoch bald wieder.

Nehren, 30. Juni. Zu dem Un­glücksfall, der hier durch Blitzschlag eine Familie betroffen hat, schreibt man, daß dieselbe bei Ausbruch des Gewitters unter einen Kirschbaum flüchtete. Die Frau wurde vom Blitz sofort getötet, der Mann betäubt und gelähmt. Er liegt zwar nicht hoffnungslos, aber doch sehr bedenk­lich darnieder.

Ebingen, 2. Juli. In Hettingen bei Gamertingen arbeitete gestern eine junge, rüstige Frau auf dem Felde, als ein schweres Gewitter heranzog. Dieselbe suchte mit ihrer Dienstmagd unter einer Tanne Schutz gegen den Regen. Da schlug der Blitz in den Baum und tötete die Frau, indes das Mädchen am Leben blieb, aber auf einer Seite gelähmt wurde. So wurden beide von heimkehrenden Landleutcn aufgefunden. Die Frau hinter­läßt vier kleine Kinder.

Göppingen, 2. Juli. Am nächsten Sonntag den 7. und Montag den 8. Juli findet hier das XXII. Lied er fest des Schwäbischen Sängerbundes statt, wozu sich 123 Vereine mit 4166 Sängern an­gemeldet haben. Am Wettgesang werden sich 44 Vereine beteiligen. Die K. Eisen­bahnverwaltung hat den Verkehr durch Extrazüge über die beiden festlichen Tage erleichtert, welche im Staatsanz. Nr. 153 und Merkur Nr. 156 verzeichnet sind.

Miszellen.

Aer Sonnenwirt.

Von Erich Norden.

(Nachdruck tierboten.)

(Fortsetzung.)

Der Verteidiger wies den Gerichtshof darauf hin, daß der Hauptkläger ein Mann sei, der zwar klar und überlegt ausgesagt und gezeugt habe, aber von Haß gegen den Angeklagten erfüllt und getrieben, und durch unglücklichen Zufall in seiner gehässigen Anklage unterstützt sei. Der hohe Gerichtshof möge das alles wohl erwägen und selbst auf die an­scheinend belastenden Aussagen hin nicht einen bis dahin unbescholtenen Mann, dem keine einzige ungerechte Handlung nachzuweisen sei, in die Reihe der schweren Verbrecher stellen und als solchen verur­teilen.

Die Geschworenen zogen sich zurück. In dem Gerichtssaal herrschte trotz der dort versammelten Menschenmasse Toten­stille, und als nach Verlauf einer Viertel­stunde die Geschworenen in den Saal zurückkehrten, erwartete man mit atem­loser Spannung das Urteil.

Das Verdikt der Geschworenen lautete aufschuldig" und das Urteil wurde auf lebenslängliche Zuchthausstrafe erkannt.

4. Die Predigt.

O die schönen, schönen Blumen!" rief ein sechsjähriges, blondköpfiges Mädchen und stand vor den Fenstern der Blumen- Rosel still.

Die Rosel saß in ihrer Stube hinter dem Fenster. Sie hatte das Strickzeug, an dem sie gearbeitet, zur Erde geworfen und sah gar finster aus. Wozu sollte sie stricken und fleißig sein! Dort im Kasten lagen fertige Strümpfe dutzendweise, sie hatte ja während der Zeit von zwanzig Jahren nichts zu thun gehabt, als zu stricken und wieder zu stricken. Den Armen mochte sie ihre Schätze nicht geben, ihr Herz war hart geworden und keinem freundlichen Gefühl zugänglich.

Jetzt hörte sie den Ausruf des Kindes und schaute durch die Blumen hindurch auf die Straße.

Bist Du's, Pastor-Gretchen?" sagte sie,so komm herein."

Bald stand das kleine freundliche Blondköpfchcn neben der finsteren Rosel, zeigte wieder auf die Blumen und sagte: O, die schönen, schönen Blumen! Wir haben nicht so schöne hast Du sie immer?"

Immer", erwiederte Rosel.Willst Du welche haben?" fragte sie schnell.

O ja, bitte, bitte! Ich nehme sie meiner Mama mit, die ist krank und Papa ist traurig. Und wenn ich die schönen Blumen bringe, wird Mama sich freuen und Papa nicht mehr traurig sein."

Rosel schnitt hastig die schönsten Blumen ab und gab sie dem kleinen Mädchen, das voller Entzücken sich über sie beugte und sie küßte.

Du bist wohl sehr gut?" fragte Gretchen und schaute mit den blauen Augen zu Rosel auf.

Nein", sagte Rosel schnell mit harter

Stimme; ich bin schlecht geworden, - ich war gut als ich jung war."

Sind alle Menschen schlecht, wenn sie alt werden?" fragte das Kind neu­gierig.Werde ich auch schlecht sein, wenn ich eine alte Frau bin und weihe Haare habe und so schöne Blumen wie Du?"

Rosel wendete sich ab, sie konnte den unschuldigen Kinderblick und die unschul­digen und doch so tiefen Kinderfragen nicht vertragen.

Geh jetzt nach Haus", sagte sie.

Aber'darf ich wiederkommen zu Dir und den schönen Blumen?"

Ja, Du darfst", sagte Rosel.

Aber hast Du gar keine Kinder zum Spielen für mich?" fragte Gleichen.Es ist doch so still bei Dir."

Nein, ich habe keine", war Rosels hastige Antwort,geh jetzt, geh jetzt", drängte sie und schob den Riegel vor, als das kleine Blondköpfchen mit freund­lichem Lächeln gegangen war.

Sie trat ans Fenster und schaute dem Kinde nach, das langsam über die Straße auf das Pfarrhaus zugieng, sein glück­strahlendes Gesichtchen fast in die schönen Blumen drückte und vor sich hin plauderte.

Da drüben stand das Pfarrhaus. Seit kurzem war ein neuer Pastor dort einge­zogen, der alle seine Gemeindemitglieder in ihren Häusern aufgesucht hatte und auch zur Blumen-Rosel gekommen war.

Man hatte ihm gesagt, die Rosel Walter wolle von Gott und Menschen nichts wissen, man hatte ihm so manches von ihr erzählt, um ihn von einem Be­such abzuhalten, aber er war doch hin­gegangen. Wer konnte es wissen, ob für das anscheinend erstarrte und verhärtete Herz nicht auch ein Augenblick komme, der cs weich und zugänglich für einen freundlichen Zuspruch mache.

Pastor Hollmann wußte, daß das Verhältnis zwischen der Gemeinde und seinem Vorgänger nicht gewesen war, wie es sein sollte, daß zwischen Dorf und Pfarrhaus eine Entfremdung geherrscht und der Pastor in den letzten Jahren nie mehr die Schwelle seiner Kirchkinder überschritten hatte, daß die Kirche leer geblieben und die Wirtshäuser immer ge­füllt waren.

Er wollte gern eine Aenderung Her­vorbringen und ließ sich durch die teil­weis erstaunten Gesichter und die mit­unter sehr kühle Aufnahme durchaus nicht beirren.

Seinem ernsten und freundlichen Wesen, sowie der Liebenswürdigkeit der Frau Pastor konnten die Leute nicht lange widerstehen, und in kurzer Zeit wurde cs so, wie es eigentlich sein muß: das Pfarrhaus war der Mittelpunkt des Dorfes, jeder trug sein Leid und seine Freude dahin, und den Leuten wurde nun erst klar, was sie eigentlich während langer Jahre hatten entbehren müssen.

Wenn gar an der Hand des Herrn Pastors oder der Frau Pastor das kleine Gleichen in den Bauernhäusern und kleinen Dorfwohnungen erschien, jedem so freundlich zulächelte und mit jedem so traulich plauderte, war die Freude groß.

(Fortsetzung folgt.',

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.