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* Der vor dem französischen Senatsgerichtshofe spielende Bou- langer-Prozeß scheint eine interessantere Wendung nehmen zu wollen. In vergangener Woche ließ der Gerichtshof bei zwei hervorragenden Boulangisten in Paris Haussuchungen vornehmen, welche zur Beschlagnahme zahlreicher Papiere führten, aus welchen sich angeblich die Beteiligung Boulanger's an einem staatsgefährlichen Komplott ergiebt.
Paris, 8. Juni. Der zum Kriegsministerium abkommandierte Unterintendant Reichert wurde heute Nacht auf Grund eines Berhaftbefehls des Staatsgerichts- hoss verhaftet und ins Militärgefängnis gebracht. Die schwersten Vermutungen lasten auf diesem Stabsoffizier, welcher durch Boulanger ins Kriegsministerium eingeführt wurde. Die Boulangisten nehmen sich die Verhaftung sehr zu Herzen.
Aus Petersburg wird der „Pol. Korr." geschrieben: „Es scheint festzustehen, daß es der Polizei, dank verschiedenen glücklichen Zufällen, gelungen ist, mehreren geheimen Gesellschaften auf die Spur zu kommen. Eine dieser Gesellschaften soll Attentate gegen den Zaren und andere Mitglieder der kaiserlichen Familie geplant haben. Letztere Gesellschaft stand in naher Fühlung mit den russischen Emigranten in Zürich, und die dort zufälligerweise entdeckte Bomben-Affaire stand mit den Plänen derselben in Zusammenhang. Es ist aber der Polizei nicht gelungen, der eigentlichen Häupter dieser Gesellschaft habhaft zu werden. Ebenso wenig vermochte sie sämtliche in Zürich verfertigten und nach Rußland bereits eingeschmuggelten Bomben aufzufinden, ein Umstand, der das Gefühl der Beunruhigung dauernd erhält.
Wiüulltn.
Der neue Wadearzt.
Von Karl Berger.
(Schluß.)
„Nein", erwiderte der Doktor, „bei diesem Bewandtnisse befindet sich bei den Akten meines Freundes gar keine Photographie, denn, Herr Bürgermeister, ich habe es für überflüssig gehalten, mein durch Atteste und Zeugnisse unterstütztes Ansuchen mit einer Photographie zu beschweren, wie ich denn überhaupt nicht richtig erfassen konnte, was die Wissenschaft mit der Person zu thun hat." Die letzteren Worte wurden mit so eigentümlicher scharfer Betonung gesprochen, daß der Bürgermeister nicht umhin konnte, mit etwas verlegener Miene zu bemerken : „Bitte, bitte, Herr Doktor, lediglich Formsache. Unter diesen Umständen also-"
„Verdanke ich meinen Posten doch nicht etwa der Photographie meines Freundes?" unterbrach der Doktor den Bürgermeister lachend.
^Gott bewahre", entgegnete dieser, „ich wollte sagen, unter diesen Umständen erlaube ich mir, Sie als unseren Badearzt zu begrüßen. Meine Töchter!" fuhr der Bürgermeister fort, den Doktor den jungen Damen vorstellend.
„Sehr erfreut!" sprach der Doktor, gegen die Fräuleins gewendet. „Die
jungen Damen werden mir gestatten, daß ich es sogar wage, mit einer Bitte an ihre Liebenswürdigkeit heranzutreten, natürlich mit der Zustimmung der gnädigen Frau Mama."
Die Bürgermeisterin begann bei diesen Worten wieder aufzuatmen und auch deren Töchter, welche durch das Versehen des Doktors aus ihren süßesten Träumen geweckt wurden, mußten zugestehen, daß der Doktor, obwohl der bei einem Vergleiche mit dem photographischen Ideal unbedingt den Kürzeren ziehen mußte, doch ein ganz hübscher Mann in den schönsten Jahren sei, dem man unter Umständen sogar gewogen sein konnte.
Ein gnädiges Kopfnicken der Frau Bürgermeisterin versicherte dem Doktor, daß er von dieser Seite einen Einspruch nicht zu gewärtigen habe.
„Ich wollte mir nämlich erlauben", nahm der Doktor wieder das Wort, „die jungen Damen zu bitten, meine von Natur etwas schüchterne Gattin in ihren gesellschaftlichen Schutz zu nehmen."
Das war der härteste Schlag. Also verheiratet auch noch.
Ein Blick in das umwölkte Antlitz der Gattin zeigte dem Bürgermeister das Herannahen des Sturmes.
„Apropos", Herr Doktor, ich werde Sie heute noch einigen unserer Gemeindefunktionäre vorstellen. Sie haben wohl die Güte, mich zum Amte zu geleiten."
Ein kurzer Gruß des Bürgermeisters an seine Familie, eine tiefe Verbeugung des Doktors und — Alles war zu Ende.
Auf dem Wege zum Amte erinnerte sich der Bürgermeister, daß er ja den neuen Badearzt schriftlich auch zum Diner geladen hatte, er erinnerte sich der Vorkehrungen seiner Ehehälfte für den heutigen Tag und schauderte. Ja, er schauderte zurück vor den Konsequenzen, welche dieser Vorfall nicht für den Doktor, sondern für seine eigene häusliche Ruhe haben mußte.
Dieser Tag endete trotzdem wie alle anderen vor ihm, und nach der ausgezeichneten Stimmung, mit welcher der neue Badearzt abends in die Residenz zurück- fnhr, war auch nicht der leiseste Mißklang in seinem Gemüte vorhanden. Bequem zurückgelehnt, hatte er die Augen geschlossen und schien zu schlummern.
Nur manchmal ertönte ein leises, kurzes Lachen und er sprach halblaut: „Der wird Augen machen, der Blum. Reizende Mädels. Werde sehen, was sich thun läßt." ^
Der Bürgermeister aber sprach vor dem Schlafengehen zu seiner Gattin: „Du, der Doktor ist doch ein sehr, sehr gemütlicher Mensch, der versteht eine ganze Gesellschaft zu unterhalten. Er hat mir außerdem versprochen, in einigen Tagen mit seinem Freunde Blum zu kommen, der ganz und gar nicht auf seine Praxis angewiesen ist, weil er aus einem sehr- wohlhabenden Hause stammt. He, hast Du verstanden? Außerdem ist es besser, über die ganze Geschichte Stillschweigen zu bewahren, denn das, was der Doktor über die Würde der Wissenschaft gesprochen hat, ist im Grunde genommen ganz richtig. Die Geschichte mit der Photographie ist ein Unsinn und mir
gefällt unser neuer Badearzt sehr aut Gute Nacht." " '
Mit diesen Worten begab sich der Bürgermeister schleunigst in sein Schlaf- gemach.
Königsberg i. Pr„ 2. J^j. Grauer Staar. Der Geheimrat Professor Dr Jul. Jacobson arbeitet an der Publikation einer Schrift über eine sichere Methode, den grauen Staar in der Kapsel aus dem Auge zu entfernen. Es soll der Operation derselbe leitende Gedanke zu Grunde liegen, über den Hm Geheimrat Jakobson im September o. I, in der Sitzung der Augenärzte in Köln einen mit allgemeinem Beifall aufgenommenen Vortrag gehalten hat. Die Entfernung der Linse in der Kapsel soll zu jeder Zeit ausgeführt werden können, entstellt nicht und giebt das Sehvermögen wieder, hat keine Nachkrankheiten, sondern die schnellsten Heilungen zur Folge.
(Logisch.) Lehrer: „Was muß man vor Allem thun, um Vergebung der Sünden zu erlangen ?" — Schüler: „Man muß sündigen!"
sWie kocht man den Kaffee?) Die namentlich für unsere Hausfrauen wichtige Frage, ob zum Kaffeekochen weiches Wasscrleitungs- oder hartes Brunnenwasser geeigneter sei, wurde in der letzten Sitzung der Berliner Polytechnischen Gesellschaft eingehend behandelt. Es ist bekannt, daß in Karlsbad der Kaffee vorzüglich in Geschmack und Aroma ist. Es liegt dies nicht so sehr an der Verwendung der Kaffeesorten, als vielmehr an dem Karlsbader Wasser, welche- sehr reich an doppeltkohlensaurem Kalk ist. ES ist ferner bekannt, daß die Russen ihrem Thee- wasser Biercarbonat, die Kirgisen Holzasche (kohlensaures Kali) zusetzen, während man in Glasgow das Wasser, welches fast chemisch rein ist, über Kalkstein filtriert. Alle diese Erfahrungen sprechen dafür, daß unser weiches Leitungswasser wenig geeignet zum Kaffeekochen erscheint, und daß es sich daher empfiehlt, dein Wasser einen Zusatz zu geben, und zwar eine Messerspitze voll Soda, welches die Extraktivstoffe, die im guten Kaffee 31 Prozent ausmachen, ausgiebiger löst und auch das Aroma günstiger beeinflußt. Aehnlich empfiehlt sich für das Thee- wasser, wo man auf drei Gläser 2 >/z Löffel Thee und eine Messerspitze Natronbicarbonicum rechnen kann. Natürlich muß man sich vor einem Zuviel hüten, weil sonst das Getränk einen laugenhaften Geschmack annimmt.
sGemischter Salat.) Hierzu nimmt man einen halben Teller frisch abgekochte, in feine Scheiben geschnittene Kartoffeln, eine Obertasse voll junge, in siedendem Salzwasser blanschierte Erbsen,
1 Obertasse junge, grüu planschierte in Vierecke geschnittene Bohnen, etwas rote Rüben, 10 Kopfsalatherzchen, eine Rose recht weißen Blumenkohl, der in Salzwasser mit Butter nicht zu mich gedämpft wurde, 6 frische, hartgekochte Eier,
2 feine, gut gewässerte Heringe. Nun richtet man den Salat recht bunt und zierlich an. Das Ganze übergießt man mit einer Sauce, die aus 8 Eßlöffeln Provenceröl, 6 Eßlöffeln Essig, ein Eßlöffel gehackten Esdragon und 1 Eßlöffel gehackter Pimpinelle nebst Salz und Pfeffer und etwas Zucker besteht.
Marktpreise, Neuenbürg, 8. Juni. Butter '/» Kilo 1.20 bis 1.30.
Eier 5 pr. St. — 11 2 St.
Kartoffeln, rot und weiß, 3 pr. Ztr.
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können täglich bei allen Postämtern gemacht lvervrn.
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Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.