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Hamburg, 3. Juni. 150 Berg­leute aus Oberschlesien sind hier einge- lroffen, um nach Veracruz befördert zu werden. Die Bergleute sind von einem Engländer für die Ausbeutung eines Nationalbergwerks in Mexiko angeworben worden.

(Was ein Streik kostet!) Die Stein­metzen sind ein kleines Gewerk mit rund 400 Gehilfen. Der Streik kostet dieselben aber bereits 40 000 vkL ohne die Agitations­kosten. In hervorragenden Maße haben Bayern und Württemberg zur Unter­stützung der Feiernden beigetragen.

Aus Baden, 2. Juni. Eine wichtige landesherrliche Verordnung ist mit dem gestrigen Tage in Kraft getreten, indem an Stelle der alten Prüfungsordnungen für Lehrer an höheren Schulen des Groß­herzogtums Baden nunmehr die preußische Prüfungsordnung eingeführt wird. Eine Vereinbarung mit Norddeutschland behufs gegenseitiger Anerkennung der Prüfungs­zeugnisse steht bevor.

Mannheim, 4. Juni. Der des Mords an der Margarethe Ries (Würt- tembergerin) angeklagte ehemalige Wirt Schwarz wurde zu einer Zuchthausstrafe von 15 Jahren verurteilt.

Offenburg, 5. Juni. Von den großen Fabrikgebäuden der Aktiengesell­schaftSpinnerei und Weberei Offenburg" geriet gestern abend ein älterer Komplex aus unbekannten Gründen in Brand. Im Nu stand der große dreistöckige Bau in Flammen, so daß die Feuerwehr nur da­nach streben konnte, die übrigen Baulich­keiten der Spinnerei zu schützen. Bis zum Tagesanbruch wütete der durch Baumwolle und Oel genährte Brand. Von den Arbeitern konnten sich trotz der unglaub­lichen Raschheit, mit welcher die Flammen den ganzen Arbeitssaal ergriffen, alle bis auf einen einzigen retten, der leider noch vermißt wird und wohl umgekommen ist.

Pforzheim, 5. Juni. Wie wir hören, wurde vom großherzoglichen Be­zirksamt die Oberbürgermeister- Wahl auf 15. Juni festgesetzt. Die Meldefrist ist längst abgelaufen, so daß die mit Wahlvorbereitungen betraute ge­mischte Kommission genügend Zeit hatte, sich über die Bewerber zu informieren. Die Zahl der letzteren soll eine große sein. Württemberg.

Stuttgart. Die seit dem 11. Mai zur Uebung einberufenen Ersatzreservisten und Volksschullehrcr wurden heute Freitag den 7. d. Mts. wieder entlassen, gleich­zeitig die bei den Bürgern einquartierten Mannschaften in die Kasernen zurückge­zogen. Die seit dem 20. Mai zur Uebung bei den Garnison-Lazarethen und die seil dem 27. Mai zur Uebung im Sanitäls- DetachementnachUlmeinberufenen Kranken­träger des Beurlaubtenstandes werden morgen den 8. d. Mts. entlassen. Das Fuß-Artillerie-Bataillon hat am 6. d. Mts. den Rückmarsch vom Schießplatz Hagenau nach Ulm angetreten, kam heute den 7. nach Gernsbach, trifft am 8. in Calm­bach ein, hält dort am 9. Rasttag und marschiert über Calw, Herrenberg, Reut­lingen, Urach, wo es am 14. Rasttag hat, Suppingen und Berghülen nach Ulm, wo es am 16. ds. eintrifft.

Stuttgart, 7. Juni. Der gemein­schaftliche vom Stuttg. Liederkranz, der Schützengilde und der Bürgergesellschaft zur Feier des Negierungsjubiläums Ihrer Majestäten veranstaltete Kinderfestzug findet bei guter Witterung am Mittwoch den 12. Juni statt. Punkt 3°/« Uhr bewegt sich der Zug am k. Resid.enzschloß vorbei durch den innern Schloßhof, die Königs- und Büchsenstraße nach dem Liederhallegarten bezw. den Stadtgarten. Ihre Majestäten werden den Zug vom Schlosse aus be­sichtigen.

An der Kgl. Universität Tübingen befinden sich im laufenden Sommerhalb­jahr 1410 Studierende, worunter 825 Württemberger und 585 Nichtwürttem- berger.

An der K. landwirtschaftl. Akademie Hohenheim befinden sich im laufenden Sommerhalbjahr 63 Studierende.

Rottweil, 3 Juni. Wähernd einer Vorstellung im Zirkus Schwenold erfaßte am Sonntag abend der einem heran­nahenden Gewitter vorhergegangene Wind­stoß das große Zelt, warf es um und be­grub alle Zuschauer, die Mühe hatten, unter dem schweren und nassen Tuche vor­zukommen. Glücklicherweise waren die Pferde zur Dressur noch nicht eingeführt und es wurde so großes Unglück verhütet.

Rottweil, 6. Juni. Pulverarbeiter Paul Bihl von Villingendorf ist infolge der gestern erhaltenen Verwundung heute abend gestorben.

Leonberg, 2. Juni. Bei der kürz­lich in Köln a. Rh. stattgehabten inter­nationalen Hunde-Ausstellung haben 9 von Essig aus Leonberg ausgestellte Hunde Preise erhalten.

Ausland

* Die entsetzliche Elementa r-K a t a- strophe in Nord-Amerika, die mit jeder neuen Meldung sich als noch grau­siger und erschütternder darstellt, als man zunächst argwöhnen konnte, absorbiert das öffentliche Interesse fast ausschließlich. Seit dem Erdbeben von Lissabon hat die moderne Geschichte dergleichen fürchterliche Launen der elementaren Gewalten nicht zu verzeichnen. Geradezu niederschmetternd ist der Gedanke, daß das fürchterliche Er­eignis zum größten Teile durch menschliche Fahrlässigkeit eine so grauenvolle Trag­weite annehmen konnte. Der nordameri­kanische Freistaat, der alle Gebilde der Kulturarbeit in Ausdehnungen zu zeigen liebt, wie sie auf dem alten Kontinent nicht zu finden sind, scheint auch bestimmt zu sein, Unglücksfälle, welche als Gegen­bild nicht auszubleiben pflegen, in ebenso großartigem Maßstabe zu erdulden. Es ist so gut wie erwiesen, daß der Damm, welcher die Bewohner des engen Thaies gegen die Fluten des kolossalen Wasser­beckens schützen sollte, seinem Zwecke nicht genügte und daß beschämender Weise, dieser Umstand bekannt und längst ge­fürchtet war. Das Reservoir, welches früher den Pennsylvania-Kanal speiste, scheint nach der Erbauung der Eisenbahnen nur noch von reichen Einwohnern Pitts- burgs zu Zwecken der Fischerei erhalten und erweitert worden zu sein. Die Ingenieure der Pennsylvania-Bahn hatten

den Damm in jedem Monat zu inspizieren, unv dieselben waren der Ansicht, daß der Damm nur durch ein Erdbeben zerstört werden könne; allein die unter diejem an­geblichen Schutze Wohnenden waren schon lange nicht mehr frei von Besorgnissen. Seit einem Jahre hat man die Grund­lagen des Dammes für erschüttert gehalten, und von Zeit zu Zeit wurden bedenkliche Lecke entdeckt. Auch sollen die Einwohner von Johnstown wiederholt gewarnt morden sein, und Diejenigen, welche am Morgen des Unglückstages die Stadt verließen, wurden als feige bezeichnet von den kleb­rigen, welche nun die Opfer ihrer Sorg­losigkeit geworden sind. Mehrere Stunden vor dem Dammbruch an dem großen Reservoir war ein ähnlicher Damm in Stony Creek, gerade über der Stadt, ge­brochen, und eine Menge Holz trieb den Fluß hinunter; allein die meisten Ein­wohner beachteten diese Warnung nicht, So kamen viele Tausende unschuldiger Kinder, Frauen und Männer ums Leben, und man kann zunächst Nichts weiter thun, als die Folgen der entsetzlichen Katastrophe so viel als möglich zu mildern es ist ein Anlaß, wie selten einer, wo der Menschen unendliches Erbarmen mit der Menschen unendlichem Elend unter Anspannung aller Kräfte ringen und siegen kann. Gegenüber solchen fürchter­lichen Ausbrüchen der Naturgewalten treten die menschlichen Sorgen des Tages bescheiden zurück.

In Johnstown haben sich 18008 Ueberlebende angemeldet. 6000 Toten­gräber sind im Thale mit der Beerdigung der Leichen beschäftigt, während 400 Soldaten aus Pittsburg für Aufrecht­erhaltung der Ordnung sorgen. Die brennenden Trümmerhaufen sind schließ­lich durch Dynamit gesprengt worden.

Ungeheure Verluste werden aus allen Teilen des westlichen Nordamerika ge­meldet. Allenthalben wird die Abholzung der Gebirge als Ursache der chronischen Ueberschwemmungen bezeichnet.

Gemeinnütziges.

(Das Mähen der Wiesen.) Vielfach wird das Mähen des Grases erst dann vorgeuommen, wenn die meisten Gräser und Kräuter verblüht haben. Um gutes Heu zu bekommen, darf man Gras und Klee nicht schon auf dem Halm zu Stroh werden lassen. Das Gras, wie überhaupt die wichtigsten Futtergewächse, enthalten in der ersten Entwicklungszeit bis zum Samenansatz die größte Menge verdau­licher Nährstoffe. Sobald die Pflanzen Samen angesetzt haben und mit der Aus­bildung des Samens nimmt der Gehalt der Stengel und Blätter an Nährstoffen immer mehr ab. Außerdem brechen noch viele Blätter oder Blättchen und Samen ab, welche nutzlos verloren gehen Ver­suche haben gezeigt, daß zeitig gewonnenes Wiesenheu beinahe 100 pCt. mehr Protein und 20 pCt. mehr Fett aufwies. Die Verdaulichkeit des früh gemähten Grases war außerdem eine weit größere. Halten wir uns vor Augen: zur Heubereilung Gras zu mähen und kein Stroh."

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.