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Jahre des bittersten Kummers, der Mühsal und Entbehrung machten die beiden Frauen im fernen Weltteil durch, bis auch die Mutter des Gatten in Adelens Armen hinüberschlummerte. Nun wurde das Heimweh in dieser wieder übermächtig. Nach Deutschland, nur nach Deutschland wollte sie um jeden Preis, obgleich sie den Vater für unversöhnlich halten mußte, da alle ihre flehenden Briefe um Vergebung ohne Antwort geblieben waren. Nicht ins Vaterhaus wagte sie zu gehen, aber nach Deutschland zog es sie hin. So schloß sie sich denn einer nach N. reisenden Familie mit der kleinen Adele als Reise­gehilfin und Kinderwärterin an und blieb in der Stadt auch nach der Weiterreise ihrer Gefährten, weil ihr, der Heimatlosen, ja jeder Wohnort gleich war.

Ein Jahr mochte seit ihrer Ansiedlung vergangen sein, als der Bruder sie wieder- sand. Er hatte noch mehr gelitten, als sie, denn die nagende Reue gesellte sich bei ihm zum Gram. Unmittelbar nach dem Bannspruch des Vaters war er der Schwester nachgeeilt, um sie freundlich zur Nachgiebigkeit zu bereden, ihr seine Vermittlung beim Vater anzubieten. Aber sie war fort und durch keine Nachforschung mehr zu finden. Wie vom Erdboden war sie verschwunden, obgleich er Aufrufe in den Zeitungen ergehen ließ und alles that, sie ausfindig zu machen. Bald da­rauf starb der Vater, Vergebung für die Tochter auf den erblassenden Lippen, aber doch nicht mehr imstande, das Testament, in dem er sie von der Erbschaft ausge­schlossen, anders als durch einen kaum verständlichen Auftrag an den Sohn rück­gängig zu machen. Dieser war gesetzmäßig der alleinige Erbe, aber der Reichtum brannte auf seiner Seele. Was hatte er gelhan! Die Schwester, seine eigene ge­liebte Schwester ins Elend Hinausgetrieben, vielleicht in den Tod, während er sich auf ihre Kosten bereicherte. Ja, gewiß, sie mochte längst nicht mehr leben, war gestorben, verdorben ohne Glück und Stern, durch seine Schuld. Gestorben, verdorben! Unaufhörlich wiederholte er das Wort im Innern, sprach es dann laut vor sich hin und klagte sich selbst des Schwestermordes an.

Immer tiefer senkte sich die Nacht der Schwermut auf seine Seele, immer deut­licher trat die Gemütszerrüttung zu Tage, bis nach vergeblichen ärztlichen Bemüh­ungen sein Verbleiben im Amt als un­möglich erklärt wurde und er Aufnahme im Priesterhause fand.

Nur wenig ist noch zu sagen. Von der martenden Ungewißheit über das Schicksal der Schwester befreit und mit ihr versöhnt, gewann er alle Spannkraft und Klarheit des Geistes wieder und konnte in kurzer Zeit von neuem sein Amt antreten. Eine ländliche Pfarre un­weit von N. wurde ihm auf seine Bitte überwiesen und er ließ es sich angelegen sein, das reizend gelegene Pfarrhaus mit den reichen Mitteln, die ihm zu Gebot standen, zu einem wahrhaft behaglichen, traulichen Heim für Schwester und Nichte zu gestalten. Sein Garten war der herrlichste, an Obst und Blumen reichste weit und breit, sein Haus das gastlichste,

komfortabelste. Hier wohnte der Frieden, die Liebe, das Glück innigen Beisammen­seins, hier suchte auch kein Unglücklicher oder Bedrängter vergebens Rat und Hilfe. Im Laufe der Zeit erfuhren auch die Ge­schwister, warum keiner der Briefe, die Adele an den Vater gerichtet, dem Sohn und Erben ausgehändigt oder an sie zurückgeschickt worden waren. Ein Ver­wandter der Familie, der im Geschäft als Buchhalter fungierte, glaubte als nächster Erbe des kranken Priesters ein Interesse daran zu haben, daß die Schwester ver­schollen blieb und trog daher Sorge, die von ihr eingehenden Briefe sofort zu ver­nichten. Sie sollte für verstorben gelten, keine Kunde von ihr nach der Heimat dringen, dann war die Anwartschaft auf das Erbe ihm gesichert. Er bekannte die böse That auf dem Sterbebette.

Adele, die Jüngere, blieb meine Freundin und oft durchstreifte ich bei längeren Besuchen mit ihr die schönen Wohnräume, den blühenden Garten. Wenn wir dann unsrer Entdeckungsreise gedachten, die so glückliche Resultate zur Folge hatte, sahen wir uns zu Vergleichen mit den jetzigen Streifzügen gedrängt, kamen aber allemal zu dem Schluß, daß es hier in Haus und Garten doch weit gemütlicher sei, als in der alten Wohnung des Pfarramtes, im Priesterhause.

E. Ludwig.

Berlin. Eine hübsche Streikgeschichte hat sich in Moabit zugetragen. In der Stephanstraße sind viele Neubauten in Angriff genommen; die Ausführung des einen liegt in den Händen des Zimmer­meisters Lerche. Rechts und links von seinem Neubau herrschte tiefe Stille, über­all war die Arbeit niedergelegt worden. Umsomehr mußte Lerche sich wundern, daß die von ihm beschäftigten Leute nicht vom Streikfieber angesteckt schienen, sic arbeiteten ruhig Weiler. Dem Meister konnte dies nur angenehm sein, denn sein Rohbau gieng der Vollendung entgegen und ein Stillstand in der Weiterbeförder­ung mußte ihm schwere Nachteilebringen. Dies wußten die Gesellen. Am Mittwoch abend rieb der Meister sich vergnügt die Hände, die Gesellen hatten von einer Arbeitseinstellung nichts gesagt, in der Frühe des folgenden Tages sollte gerichtet werden und wenn der Bau sich erst unter Dach befand, dann konnte seinetwegen auch bei ihm die Arbeit eingestellt werden. Er hatte die Rechnung ohne die Gesellen gemacht. Am folgenden Morgen waren letztere vollständig zur Stelle, aber nur um dem Meister einmütig zu erklären, daß sie keinen Finger rühren würden, bevor er sich nicht mit den vom Streik- komitö aufgestellten Forderungen einver­standen erklärt habe. Der Arbeitgeber wurde in eine böse Zwangslage gebracht, es bedurfte nur weniger Stunden Arbeit, um das bereits an Ort und Stelle ge­schaffte Material auf den Bau zu schaffen und zusammenzufügen, andererseits hatte er sein Wort gegeben, sich den Streiken­den gegenüber nicht willfährig zu zeigen. Alles gütliche Zureden, sowie die Aussicht auf denRichtschmaus" waren vergebens, denn die Leute beharrten bei ihrer Weiger­

ung. Die Unterhandlungen hatten auch eine ganze Anzahl zur Unthätigkeit ge­zwungener Meister herbeigelockt. Sieges­gewiß standen ihnen die Gesellen gegen­über, sie wußten, daß der Bau unter allen Umständen gerichtet werden mußte aber diesmal hatten sic die Rechnung ohne die versammelten zehn Meister ge­macht. Der Vorschlag des Einen von ihnen, jetzt einmal den Gesellen zu zeigen, daß auch sie trotz ihresHungerspecks" zu arbeiten verständen, wurde jubelnd ausgenommen, die zehn Retter aus der Not verschwanden auf wenige Minuten, um gleich darauf im Arbeilskostüm wieder zu erscheinen und nun unverdrossen, eine Art Heinzelmännchen die Arbeit zu ver­richten ; sie schwärmten und klappten und lärmten, visierten wie Falken und setzten die Balken, und dieKrönung des Ge­bäudes" war bald vollendet. Herr Lerche hielt zu Ehren seiner Mitarbeiter, von deren Stirne heiß rinnen mußte der Schweiß, den salbungsvollsten Richtespruch, den er in seinem Leben gehalten, und bald darauf führte ein bekränzter Kremser- Wagen die Meister-Gesellen hinaus ins Freie, wo auf das Blühen guter Kolle­gialität mancher Schoppen geleert wurde.

Der Schwankende.

Sprach gestern mein Freund: Komm mit zum Wein!

Nein, sagt' ich, ich laß' es lieber sein.

Und hält' er mich nicht beim Arm genommen, Ich wäre schwerlich ins Wirtshaus gekommen. Ich schwankte.

Und als uns die Schenkin den Willkomm bot, Da sragte sie freundlich: Weiß oder Rot?

Der Rote blinkte so feurig im Glase,

Süß stieg mir des Weißen Duft in die Nase. Ich schwankte.

Und als zehn Uhr es vom Thurme schlug, Da sprach ich: Freundchen, nun war' es genug. Kaum langt' ich nach dem Geld in die Tasche, Stand vor mir geöffnet die neue Flasche.

Ich schwankte.

Vom Turme tönte Mitternacht grad',

Als ich aus der Schenke ins Freie trat,

Wie war' es am Besten heim zu gelangen, Jst's besser, nach rechts oder links gegangen? Ich schwankte.

Nun bin ich aus schwerem Schlafe erwacht, Im Kopfe tollt mir die wilde Jagd,

Wer scheucht meinen Jammer, wer Hilst mir voin Uebel?

Ein schwarzer Kaffee? Ein Harung mit Zwiebel ? Ich schwankte. (D. W.)

Gemeinnütziges.

sSchmalzverfälschung.s Die Verfälschung von Schweineschmalz mit Baumwollsamenöl wird neuerdings in Amerika wieder in schwunghafter Weise betrieben. Die Gesundheitskommission m Kanton St. Gallen nahm daher Veranlassung, sich das verdächtige Schmalz etwas näher anzu­sehen. Die Chemiker untersuchten 77 Proben des eingeführten amerikanischen billigen Schmalzes, und siehe da, nicht weniger als 43 derselben waren mit mehr oder weniger Baumwollsamen­öl verbessert.

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