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»rbeiter, im Ganzen also 65 034 Berg­arbeiter angefahren. Von dem General­streik. den das Zentralstreikkomite für diesen Tag erklärte, sind wir also erfreu­licherweise weit entfernt. Die neuesten Maßnahmen der Staatsanwaltschaft gegen das Streikkomite werden darauf zurückge- sichrt, daß die Bewegung einen sozial­demokratischen Charakter angenommen habe. Die Rh. Wests. Z. berichtet darüber: Bei dm Vorsitzenden des Zentralstreikkomitees Bergmann Weber sind bei einer vorge- nonimcnen Haussuchung sozialdemokratische Schriften und Briefe vorgefunden worden. Eine gleiche Haussuchung fand bei einem auswärtigen Delegierten statt; man fand Briese von Bebel, auch war von letzterem eine Geldsendung von 260 -/-L für sozial­demokratische Zwecke eingegangen.

Berlin, 29. Mai. Die Delegierten inEssen beschlossen, gemäß dem Bochumer Beschluß vom 19. Mai, an dem zweimonat­lichen Waffenstillstand festzuhalten. Heute sind die Belegschaften fast überall ange­fahren. Die verhafteten Mitglieder des Streikkomites sind gestern wieder entlassen worden. (S. M.)

Dortmund, 29. Mai. DerRhein.- Westfäl. Ztg." zufolge haben die Mitglieder des General-Streikkomites beschlossen, am 31. d. M. die Arbeit wieder aufzunehmen, da die Bochumer Delegiertenversammlung die Mehrheit nicht hinter sich gehabt habe. Heute waren im Oberbergamtsbezirk Dort­mund 78994 Bergleute angefahren.

Pforzheim, 27. Mai. Das Kinder­fest des Gartenbauvereins nahm letzten Sonntag einen glänzenden Verlauf. Der Festzug war in seiner Zusammensetzung ein großartiges Arrangement, das allge­meine Bewunderung erregte. Er bestand aus weißgekleideten Reigenmädchen, welche unter Blumenbögen marschierten, aus kostümierten Reigenknaben, Armbrust­schützen, Spielgruppen von reizend ge­schmückten Knaben und Mädchen, über dreihundert an der Zahl, einem vier­spännigen Königswagen mit Maikönig, Königin und Gefolge, eine liebliche Kinder­gruppe und einer großen Anzahl bekränzter Karossen. Der Zug wurde überall freudig begrüßt. Im Stadtgarten angekommen, brachten die Knaben und Mädchen reizende Aufzüge und Reigen zur Darstellung, welche von Reallehrer Grüner geleitet wurden und allgemeines Wohlgefallen erregten. Bei einbrechender Dunkelheit wurde der Garten beleuchtet, der einen prächtigen Anblick gewährte.

In Ellmendingen hatte am Sonntag den 19. Mai in Sachen der Dampsbahn Pforzheim - Ellmen­dingen eine größere Versammlung statt, vn welcher sich nicht nur Vertreter der badischen Gemeinden Dietlingen, Weiler, Auerbach und Dietenhausen, sondern auch der württ. Orte Niebelsbach und Otten­hausen mit Interesse beteiligten. Um dem Projekt förderlich sein zu können, sollen >n jedem dieser Orte Komites gebildet werden.

Württemberg.

Calw, 29. Mai. Dem heutigen Vieh- markt waren zugeführt 625 Stück Rind­vieh und 67 Pferde. In Vieh wurde leb- W und zu hohen Preisen gehandelt. Dem

Schweinemarkt waren 21 Körbe Milch- schweine zugebracht, Preis pr. Paar 25 bis 30 ^ (S. M.)

In Dennjächt ist die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen.

Dobel. Löwenwirt König hat schon am 24. Mai einen Bienenschwarm erhalten. Gewiß eine Seltenheit in so hoher Lage um diese Jahreszeit.

Neuenbürg, 30. Mai. Die folge­wichtigen Beschlüsse der Abgeordneten­kammer, für die Ausstattung Wildbads mit erweiterten Kureinrichtungen (Kalt­wasserbad, Heißluft. Dampfbädern u. schwedi­scher Heilgymnastik) 470 000 und für ein Kurhaus in Herrenalb 15000 ^ zu bewilligen, haben allseitig freudige Zu­stimmung gefunden. Wildbad hofft man dadurch auf der Stufe eines Bades ersten Ranges zu erhalten, nachdem seit mehreren Jahren ein Stillstand sich bemerklich zu machen drohte. Herrenalb, das an Bedeutung gewonnen hat, hofft man da­durch noch mehr in die Höhe zu bringen und damit auch der weniger wohlhabenden Umgebung zu nützen. Der Regierung und Ständekammer gebührt für diese Ver- willigungen die dankbare Anerkennung der Bevölkerung.

O e st e r r e i ch.

Wien, 27. Mai. Heute hat sich auf der Landstraße eine große Brandkatastrophe erreignet, welche durch eine Gasexplosion hervorgerufen wurde. Leider sind hierbei elf Menschen, durchwegs städtische Feuer­wehrmänner, mehr oder minder schwer, vielleicht lebensgefährlich verletzt worden. Der Schauplatz des Brandes und der Explosion war ein Haus, dessen Vorder­front drei Stockwerke hat, es beherbergte in einem Keller große Massen von Benzin und Ligroin, durch deren Entzündung das Unglück herbeigeführt wurde. Nachmittags begaben sich zwei Bedienstete des Kauf­manns mit einem Lichte in den Keller, um dort Benzin und Ligroin abzuzapfen und bedienten sich einer Sicherheitslampe. Trotzdem entzündeten sich die Ligroin­dämpfe und sodann der Ballon. Als sie das Feuer sahen, ließen sie alles stehen und liegen, und trachteten nur, aus dem Keller zu kommen. Nach wenigen Minuten waren Löschtrains dieses Bezirkes, sowie eine Ambulanz auf dem Brandplatze an­gelangt. Es wurden sofort zwei Schläuche gelegt. Während ein Teil der Feuer­wehrmänner dem Feuer durch den in den Hof mündenden Luftschacht nahezukommen suchte, indem in den Schacht große Mengen von Wasser gepumpt wurden, drangen elf andere Feuerwehrleute über die Stiege in den ersten Keller und begannen dort ihre Löschoperation. Kaum fünf Minuten, nach­dem die wackeren Männer, der Gefahr, die ihrer harrte, bewußt, in den Keller gedrungen waren, erfolgte eine fürchter­liche Explosion, deren Detonation so stark war, als ob eine ganze Batterie eine Salve abgefeuert hätte. Aus dem Luftschacht schoß bis zur Höhe eines zweiten Stock­werkes eine Feuergarbe empor und Feuer­strahlen fuhren aus den Kellerluken her­aus, Alles ringsum in dichten, atembe­klemmenden Rauch hüllend. Inzwischen sausten Ziegelbruchstücke und Splitter von Fensterscheiben durch die Luft, deren Druck:

so stark war, daß die im Hofe stehenden Feuerwehrmänner weit hinweggeschleudert wurden und daß die schweren Thorflügel, die offen standen, krachend zuschlugen. Aus den auf die Straße mündenden Kellerluken kamen mit Vehemenz alle möglichen Dinge geflogen, die sich im Laufe der Zeit dort angesammelt hatten, und ein Junge, der von dem gegenüber­liegenden Spezereiwarengeschäfte mit nassen Schwämmen für die Feuerwehrleute in den Keller eilen wollte, wurde von dem Portale des Gewölbes bis auf die Fahr­bahn geworfen. Die Feuerwehrleute, die sich zur Zeit der Explosion im Hofe be­funden haben, drangen nach den ersten Sekunden der Verwirrung mit Todesver­achtung in den Keller, wo Schreckliches geschehen sein mußte. Mit übermenschlichen Anstrengungen gelang es ihnen, ihre elf Kollegen, von welchen die meisten fürchter­lich zugerichtet waren, an das Tageslicht zu bringen. Sämtliche elf Männer hatten Brandwunden, zumeist sehr schwere, er­litten, und zwei waren überdies durch Glasscherben und Splitter in entsetzlicher Weise verletzt worden.

Ausland

Telegramm.

Stuttgart, 31.Mai, 8 Uhr40Min. vormittags.

London. Das Pacificgeschwader hat Ordre erhalten, am 15. Juni von Viktoria nach der Behringstraße abzugehen, um englische Robbenfangschiffe gegen Beschlag­nahme durch amerikanische Kriegsschiffe zu schützen. Es wird deshalb ein Bruch mit den Unionsstaaten befürchtet.

MisMlkn.

Im Uriesterhause.

Eine Jugend-Erinnerung.

(Nachdruck verboten.)

(Schluß.)

Noch am nämlichen Tage brachte ihr Verlobter sie zu seiner Mutter, die in einer kleinen Stadt der Provinz lebte. Ein Brief aus Amerika, in welchem ein Freund dringend zur Uebersiedelung riet, weil sich für begabte musikalische Lehr­kräfte dort sehr günstige Aussichten dar­böten, bestimmte Willmann, gleich darauf in der neuen Welt eine Heimat zu suchen. Adele wurde sein Weib, und das junge Paar begab sich in Begleitung der treuen Mutter, die nichts Liebes in der alten Welt zurückließ, auf die Reise. Der Freund hatte wahr gesprochen: Willmann fand gute Anstellung an einem Konservatorium und konnte seiner Gattin ein behagliches Heim, eine sorgenlose Existenz bieten, so daß nur der Gram um die verlorene Vater- und Bruderliebe, die Sehnsucht nach der Heimat ihr Leben verdüsterte. Auch das letzte Gefühl ward minder stark, als ihr ein Töchterchen, die kleine Adele, das Haus belebte; aber ach, da das Kind kaum zwei Jahre alt war, brachte man eines Tages seinen Vater sterbend ins Haus, bei der Entgleisung eines Bahn­zuges war er verunglückt, und die trostlose Gattin hatte nur noch Zeit, ihm die Augen : zuzudrücken.