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Wachruf

m die am 13. Mai im Herrn entschlafene edle Frau v. Lutz in tzalmkach.

Ein edles Herz hat aufgchört zu schlagen,

M Nächstenlieb und Milde war's begabt,

Ja, eine Frau hat man zu Grab getragen,

Ae schon manch' armen Kranken hat gelabt.

Mrührend war's, wenn jährlich wiederkchrte Tas Fest der heil'gen stillen Weihenacht,

Sie mit dem Gatten da die Hochverehrte Ne armen Kinder dann so liebevoll bedacht.

Zurückversetzt in meiner Kindheit Jahre,

Zeh' ich im Geist, in lichterfülltem Raum Das edle Paar, im Schmuck der Silberhaare, Dort Gaben spendend unterm Weihnachtsbaum.

Wie war in ihren seelenvollen Zügen Des Herzens Adel trefflich abgemalt;

Wie leuchtete ihr Antlitz vor Vergnügen

Ihr Aug, wie hat's in feuchtem Glanz gestrahlt.

Und als dann schon dies Thränenthal hienieden,' Vertauscht der Gatte mit der Ewigkeit,

Bar's noch die Gattin, die stets ohn' Ermüden, Der Armen Not zu lindern war bereit.

Drum möge auch in jenen bessern Welten,

Wo mit dem Gatten, mit dem teuren sie vereint, Tie Liebeswerke tausendfach vergelten:

Ter Armen und der Kinder bester Freund.

Ja mögen Sie, wie Christi wahre Glieder Des Lebens Krön aus seiner Hand empfahn, Was Du gethan dem kleinsten meiner Brüder/' Spricht ja der Herr,das hast Du mir gethan."

Von einem Dankbaren.

Kronik.

Deutschland.

Berlin, 16. Mai. In der heutigen Audienz der Arbeitgeber aus dem rheinisch- westfälischen Bergwerksgebiet bei dem Kaiser erschienen Hammacher, Haniel, Vel­sen und Krabler. Auf die Ansprache Hammachers erwiderte der Kaiser etwa Folgendes: Er habe die Audienz gestattet, weil es selbstverständlich Sache des Mo­narchen ist, daß, wenn seine Unterthanen in Streitigkeiten unter einander sind, der Verständigung bedürfen und sich ver­trauensvoll an das Staatsoberhaupt wenden, dann beide Parteien gehört werden. Nachdem die Arbeiter vorgestern gehört worden sind, freue ich mich, Sie heute zu hören. Die Ursache des Streiks betreffend und die Mittel zur Beseitigung desselben, so erwarte ich darüber eingehende Be­richte meiner Behörden. Mir kommt cs hauptsächlich darauf an, in Anbetracht der weitreichenden Schädigungen der gesamten Bevölkerung, zumal ein zweiter Streik in Schlesien, aus Westfalen übertragen, aus- gebrochen ist, möglichst bald dem großen westfälischen Streik ein Ende zu machen, sn der Anrede an die Arbeiter habe ich weinen Standpunkt in aller Schärfe ge- kennzeichnet. Die Arbeiter haben mir übrigens einen guten Eindruck gemacht, m haben sich der Fühlung mit der Sozial­demokratie enthalten. Telegramme aus Westfalen bekunden mir, daß meine Ant­wort Anklang gefunden hat, und ich freue wich, daß die Einmischungsversuche der Sozialdemokratie von ihnen energisch ab- gewiesen wurden. Ich spreche Ihnen, ^Hammacher, Anerkennung aus für as Entgegenkommen, welches Sie den Arbeitern bei den Verhandlungen mit den

Deputationen gezeigt haben, wodurch die Grundlage einer Verständigung gewonnen ist. Ich werde mich freuen, wenn auf dieser Basis die Arbeitgeber und die Ar­beiter sich vereinigen. Ich möchte von meinem Standpunkte aus noch eins be­tonen: Wenn die Herren etwa der An­sicht sind, daß die-Deputationen nicht die maßgebenden Vertreter der streikenden Kreise wären, so macht das nichts aus, wenn sie auch nur einen Teil der Ar­beiter hinter sich haben, so wird doch immer ein moralischer Einfluß des Ver­suches zur Verständigung von hohem Werte sein. Sind sie aber wirklich die Deli- girten derselben und vertreten sie die An­sicht der ganzen wcstphälischen Arbeiter, und wenn sie einverstanden sind mit den Punkten, welche sie ihnen eröffnet haben, dann habe ich zu dem gesunden, vater­ländischen Sinn dieser Männer das Ver­trauen, daß sie nicht ohne Erfolg alles daran setzen werden, möglichst bald ihre Kameraden zur Arbeit zu bringen Ich möchte bei dieser Gelegenheit allen Be­teiligten dringend empfehlen, daß die Berg- werksgesellschaften und ihre Organe sich zukünftig eine möglichst nahe Fühlung mit Arbeitern erhalten, damit ihnen solche Bewegungen nicht entgehen, denn ganz unerwartet kann der Streik sich unmöglich entwickelt haben. Ich möchte bitten, da­für Sorge zu tragen, daß den Arbeitern Gelegenheit gegeben werde, ihre Wünsche zu formulieren, sich vor allen Dingen immer vor Augen zu halten, daß die­jenigen Gesellschaften, welche einen großen Teil meiner Unterthanen beschäftigen, auch die Pflicht dem Staat gegenüber haben, für das Wohl der Arbeiter nach besten Kräften zu sorgen und vor allen Dingen dem vorzubeugen, daß die Bevölkerung einer ganzen Provinz wiederum in solche Schwierigkeit verwickelt werde. Daß Jeder­mann versucht, sich einen möglichst günstigen Lebensunterhaltzu erwerben, ist menschlich. Die Arbeiter lesen die Zeitungen und wissen die Verhältnisse des Lohnes zu dem Gewinne der Gesellschaften; daß sie mehr oder weniger daran Teil haben wollen, ist erklärlich. Ich möchte deshalb bitten, daß die Herren mit dem größten Ernst die Sache jedesmal prüfen, um in ferneren Zeiten derartigen Dingen vorzu­beugen. Ich lege Ihnen ans Herz, daß der Erfolg des gestrigen Tages möglichst bald zum guten Ende geführt werde. Ich betrachte es als meine königliche Pflicht, den beteiligten Arbeitgebern wie Arbeitern meine Unterstützung bei den Meinungs­verschiedenheiten in dem Maße zuznwenden, in welchem sie ihrerseits bemüht sind, die Interessen der gesamten Mitbürger durch Pflege der Einigkeit unter einander zu fördern und vor Erschütterungen, wie diese, zu bewahren.

Der Streik der Bergarbeiter im rheinisch-westfälischen Kohlenrevier scheint nunmehr in das Stadium der direkten Verhandlungen zwischen den Arbeitern und den Vertretern der Grubenbesitzer eingetreten zu sein. Wie gemeldet wird, hat die Unterredung, weche die nach Berlin gesandte Abordnung der Arbeiter mit den Reichstagsabgeordneten Dr. Hammacher, Schmidt und Baumbach gehabt, schon zu einer Verständigung über die wesentlichsten

Streitpunkte geführt und es kommt nur noch darauf an, einerseits die nunmehr auch von den Arbeitgebern nach Berlin geschickten Vertreter und ihre Mandanten, andererseits das Gros der Arbeiter für die Vermittelungsvorschläge zu gewinnen.

Essen, 16. Mai. NachherRh. Wests. Ztg." beziffert sich die Zahl der Berg­leute, die heute die Arbeit wieder auf- nahmen, auf mindestens 10 000. Von 19 200 Bergleuten des Reviers arbeiteten heute wieder 5909. (F. I.)

Dortmund, 17. Mai. Der Aus­stand der Bergarbeiter ist im Dortmunder Bezirk als beendigt anzusehen.

Gelsenkirchen, 17. Mai. Infolge des günstigen Eindruckes der in Berlin stattgehabten Verhandlungen und derWorte des Kaisers ist auf vielen Zechen ein großer Teil der Belegschaften wieder angefahren. Die Stimmung der Bergarbeiter ist eine freudig gehobene.

Weniger befriedigend lauten die Nach­richten aus dem oberschlesischen Streik­gebiet, wo die Arbeitseinstellung von aus Westphalen zurückgekehrten Arbeitern veranlaßt wurde. Im Waldenburger Re­vier bei Hermsdorf ist es zu brutalen Ausschreitungen gekommen. DieBresl. Ztg." berichtet darüber:

Waldenburg, 16. Mai. Gegen 6 Uhr standen in Hermsdorf zahlreiche Gruppen von Streikenden auf der Chaussee und im Dorfe, die sich jedoch ruhig ver­hielten. Hingegen 10 Min. von Hermsdorf entfernt, auf dem Heideschacht, sammelten sich viele Streikende an; dieselben giengen zu Gewaltthätigkeiten über und hinderten die Leute, welche in die Grube einfahren wollten, um etwa 60 unter Tage befind­liche Pferde zu füttern, am Einfahren, so daß die Fütterung unterbleiben mußte. Die Bedienung des Kesselhauses wurde gewaltsam entfernt und der Eintritt zu demselben den Beamten und Kesselwärtern versperrt. Die Streikenden vergriffen sich an verschiedenen Beamten. Da bei Unter­lassung der Bedienung der Kessel eine Explosion derselben befürchtet wird und die Streikenden allem gütlichen Zureden sich nicht fügen wollen, so wurde um 5°/» Uhr nach Freiburg um militärische Hilfe telegraphiert. Ein dringendes Tele­gramm wurde angesichts der drohenden Haltung der Streikenden 20 Minuten später abgesandt. Die durch 1618jährige Burschen auf dem Heyd, Friedenshoffnungs­und Guibalschacht angerichtete Demolierung ist unbeschreiblich. Drei Kompagnien des aus Freiburg herbeigeeilten zehnten Regi­ments hatten am Dienstag abend nach 11 Uhr einen Zusammenstoß mit den Tumul­tuanten in Hermsdorf; der Besonnenheit des Hauptmanns von Aegidi ist cs zu verdanken, daß er nicht blutig verlief, da er nur von den Kolben Gebrauch machen ließ. Auf Requisition des Regierungs­präsidenten ist heute nacht eine Eskadron Breslauer Kürrassiere mittelst Extrazuges angelangt.

Braun schweig, 17. Mai. Das bei Warsleben belegene Kautzleben'sche Braun­kohlenbergwerkLouise" ist durch die vor­gestern gefallenen ungeheuren Regenmassen unterwühlt worden. Der Schacht ist ein­gestürzt. Das Maschinenhaus, der Förder­turm, die Schmiede, die Geschäftsstube, das