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Ausland-
Paris, 7. Mai. Der deutsche Geschäftsträger, Graf Schön, überbrachte dem Minister des Auswärtigen, Spuller, die Glückwünsche des Kaisers und des Reichskanzlers wegen des vereitelten Attentates auf den Präsidenten Carnot.
Paris. Es unterliegt wohl keinem Zweifel mehr, daß es sich bei dem Revolverschuß, den der Magazinverwalter Perrin am Sonntag bei der Ausfahrt des Präsidenten Carnot abgegeben hat, keineswegs um ein ernst zu nehmendes Attentat, sondern lediglich um einen Akt der Verzweiflung handelte, vermittelst dessen der Thäter die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich lenken und die Gerichte zwingen wollte, sich mit seiner Person zu beschäftigen.
* In England wird die große Tagesfrage der Flottenvermehrung augenscheinlich im Sinne der Regierung ihre Lösung erfahren. Mit bedeutender Mehrheit, mit 277 gegen 136 Stimmen, genehmigte das Unterhaus am Dienstag nach zweitägiger Debatte die Flottenverstärkungsbill in zweiter Lesung und es kann demnach das Schicksal dieser Vorlage, welche eine Vermehrung der englischen Flotte um ca. 70 Schiffe ausspricht, als gesichert betrachtet werden.
Msu-llen.
Um MMenteich.
Erzählung von Marc. Boyen- (Schluß.)
Zur höchsten Eile angetrieben und ganz erfüllt von seinen leidenschaftlichen Empfindungen, war Heinz den Weg von dem entfernt liegenden Oberhof zurück ins Dorf geeilt, mit ihm in der gleichen Richtung hin raste der wütende Bach. In den ersten Häusern des Dorfs waren die Leute mit angsterfüllten Gesichtern beschäftigt, allerlei Vorsichtsmaßregeln zu treffen, um ihre Habe zu sichern, falls die Flut auch das höher gelegene Dorf bedrohen sollte, niemand schien Zeit zu einem andern Gedanken zu haben, als dem, der eigenen Not zu wehren. Jetzt schickte Heinz sich an, den Weg zur Mühle hin einzuschlagen, mit bangem Blick schaute er dorthin, wo seiner Ansicht nach das Unheil sich am schwersten zeigen müsse. Er sah nur zu bald seine schlimmsten Besorgnisse erfüllt, der ganze Mühlenteich war weit über seine Grenzen getreten, wie ein Meer wogte die gelbe Flut. Er sah die Mühle bis fast zur Hälfte der Höhe des Gebäudes von dem unheilvollen Element umtobt, die Bäume des Gartens erzitternd unter dem Wüten des Wassers, welches sie fast bis zur Krone bedeckte.
In großen Sprüngen jagte Heinz daher, ach er konnte sich nur bis zur Rufweite dem bedrohten Hause nähern, sein lauter Schrei ward verschlungen von dem Toben des Wassers, er war allein, ohne Beistand, ohne jedes Hilfsmittel, kein Kahn, nicht Seil oder Stange stand ihm zu Gebot. Er konnte niemand von den Bewohnern der Mühle sehen, wie von allem Lebenden verlassen lag der Platz da, in dem er vielleicht sein Liebstes in Not oder Tod wissen mußte.
Jetzt bemerkte er einen Nachen, dessen Annäherung ihm so lange durch das Haus selbst, dessen Rückseite er sah, verdeckt gewesen war, der Nachen war der Mühle ganz nahe, eine einzelne Männergestalt stand aufrecht in dem kleinen Fahrzeug, der Sturm führte den Hut des emsig rudernden Mannes davon und wühlte in seinen grauen Haaren.
„Das ist er! Das ist der Oberhofbauer!" rief Heinz; er ballte die Hände vor rasender Eifersucht, und ohne sich zu besinnen, sprang er in das wirbelnde Wasser in dem tollkühnen Bestreben, sich des Kahnes selbst zu bemächtigen, und Mariens Rettung allein zu vollbringen. Als er aus der lehmigen Flut auftauchte, und nach vergeblichem Ankämpfen gegen die Strömung sich endlich im Wasser zur Umschau hob, sah er den Nachen dicht an sich vorüberschießen, ganz nahe sah er das gefurchte, wie in Verzückung leuchtende Gesicht des Oberhofbauers und dann am Boden des kleines Kahnes die regungslose Gestalt eines Weibes.
Da zog er hin, der Glücklichere, der künftige Gatte seines lieben Mädchens das er sich selbst aus Not und Tod befreit hatte, vorüber zog er an dem ohnmächtigen Nebenbuhler, den er nicht einmal bemerkt hatte. Weit aus griffen die Arme des Schwimmenden, er wollte das Haus noch erreichen, das so oft das Ziel seiner Gedanken, seiner heißen Sehnsucht gewesen war, er wollte dort sterben, wo er nicht glücklich leben durfte. Schmer war es seinem Ziele näher zu kommen, zu stark schwoll die Strömung ihm entgegen, immer mehr ermatteten die Kräfte des Schwimmenden, nein er sollte nicht da sterben dürfen, wo Marie gelebt hatte, jetzt hier in der lehmigen Flut versank er ^zum Todesschlaf. Und doch, er war dem Hause so nahe, o nur noch Atem zu zwei kräftigen Stößen, dann — — — dann — —
Dem Keuchenden entgegen trieb ein Gewirr von Aesten und Zweigen; mit dem instinktmüßigen Bemühen, sich vor dem Versinken zu bewahren, griff er in das Laub hinein, fest packte er in die Aeste der Ulme, schon dunkelte es vor seinen Augen, doch ihm schien es, als ob eine sichere Hand seinen Arm gefaßt hielt, und ein liebes, heißgeliebtes Gesicht sich zu ihm neigte. „Marie! Marie!" flüsterte er, und mit dem letzten, halben Gedanken, daß er gerettet sei, schwand Besinnung und bewußtes Leben.
Verzweifelt rang das Mädchen, den Geliebten dem Tode zu entreißen, es gelang ihr, den Bewußtlosen fest zu hnlten und vor dem Versinken zu bewahren. In heißem Gebet richtete Marie die Augen zum Himmel auf: „Herr hilf uns, wir versinken!" flüsterte sie innig.
Und Ast und Zweig trug geduldig die doppelte Last weiter, bis dann endlich vom Ufer her sich hilfreiche Hände fanden, welche den Bedrohten beistehen und sie sicher ans Land bringen konnten.
So rasch wie das Unheil über den niedrig gelegenen Teil des Dorfes hereingebrochen war, so rasch verliefen sich die Fluten wieder, gräuliche Spuren von Verwüstung auf den von ihnen heimge
suchten Feldern und Wiesen zurücklassend. War auch der Schrecken groß gewesen, so war die Not doch nicht zu ihrem vollsten Umfang angewachsen, es war kein Menschen- ! leben verloren gegangen, und nur ein Haus war eingestürzt.
Das war die Mühle am Mühlcntcich gewesen und keine neue Mühle erhob sich wieder auf den Trümmern der dahin- gegangenen.
Der Müller war tot, das Haus selbst wie vom Erdboden verschwunden und die verwüstete Stätte reizte keinen Käusei, zu versuchen, sich dort in der gefährliche» Nachbarschaft des Mühlbachs aufs neue anzubauen.
Langsam nur lernten die beide» Frauen die Eindrücke verwinden, welche der Schreckenstag und die vorhergehende Zeit der qualvollen Unruhe in ihnen hervorgerufen hatte, doch inmitten alles aufrichtigen Schmerzes um den jähen Verlust, der sie betroffen, fühlten sie sich erlöst und wie von einer drückenden Last befreit und Ruhe und Frieden kehrte in ihre Herzen zurück.
Es wurde dem Oberhofbauer leicht genug, ein Verlöbnis zu lösen, welches er ohnehin doch nur in einer Sinnestäuschung geschlossen hatte. Nie war in dem Herzen des alten Mannes die heiße Liebe seiner Jugendjahre erloschen, und als nun das Schicksal ihm erlaubte, die Leiden der vergangenen Jahre für sich in Glück verwandelt zu sehen, ließ er nicht nach, die Müllerin zu bitten, den Platz endlich auszufüllen, den er ihr so lange in seiner Liebe offen gehalten hatte. I
Auf den wilden Heinz hatte die Erinnerung an die überstandene Not und die Gnade Gottes, womit der Allmächtige seinem bösen Trotz doch hilfreich begegnet war, einen tiefen, veredelnden Einfluß ausgeübt, und als er sich endlich als Bräutigam Mariens am Ziel seines Höffens sah, nahm er sein Glück mit Dank und in Demut hin.
Der Oberhof hat ein Jahr länger, als zuerst bestimmt war, auf eine Herrin ! warten müssen, und als endlich die Glocken den Hochzeitstag des alten Friedels ciu- läuteten, da stand vor dem Altar der Kirche kein frisches Mädchen im grünen Myrtenkranz neben dem grauhaarigen Oberhofbauer. Durch den Scheitel der Braut zogen sich auch schon Silberfäden, allein das Auge Christinens leuchtete in reinem mädchenhaftem Glück, und als die zahlreichen Gäste von dem glänzenden Hochzeitsfeste heimkehrten, da meinten sie alle, selbst der Heinz und die Marie, als sie vor vier Wochen als Brautleute vor dem Traualtar gestanden, hätten nicht so selig und in ihrem Glück so schön ausgesehen, als der Oberhofbauer mit der Christine.
Gemeinnütziges.
fGegen Halsentzündung und Drüfen- anschwellungj nehme man Salbcithee mit Honig recht oft warm zum Gurgeln.
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Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.