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Magd die Anordnungen für den Tag. sie erteilte dem Knecht auf seine Bitten Erlaubnis, für einige Stunden zum Be­such seiner Eltern über Land zu gehen, die Mühle durfte ja nicht arbeiten und klappern in diesen Tao der Sorge am Krankenbett des Mülle.s.

Dann schlich Frau Christine leise die Treppe hinauf in ihrer Tochter Kammer; sie schaute vorsichtig hinein, da lag ihr Kind im Schlaf, bleich und verweint, aber mit einem rührenden Zug stiller Ergebung in dem jungen, schönen Gesicht. Mit unnennbaren Gefühlen sah die Mutter auf das Mädchen, zu dem sie gestern so offen von ihrer Vergangenheit gesprochen hatte und ein heißes Gebet quoll in ihr auf, in welchem sie Gott um Ruhe für das Kind und um Glück für den Friede! bat.

Unten fand sie den Müller erwacht, er lag erschöpft in seinem Bett und klagte, daß ihm die Luft zum Atmen fehlte. Von neuem weigerte er sich, daß man zu ihm einen Arzt kommen lasse, er sprach zuweilen mit der Frau, doch meistens lag er still und sah nach der Thür der Kammer, als wenn er auf das Erscheinen jemandes wartete. Dann kam sein Kind und damit das Ende seiner Unruhe, an seinem Bette mußte Marie sitzen und die heiße Hand des Vaters in der ihren halten, der bald ohne Laut, bald leise vor sich hinmurmelnd die Stunden ohne Bewußtsein verbrachte.

Der Gewitterhimmel färbte sich drohen­der und dunkler, in der Stube war es fast finster, denn hohe Bäume verschütteten noch zudem die Fenster; in die ersten Donnerschläge mischten sich die lauten Reden des Kranken.Hörst Du die Posaunen des jüngsten Gerichts, Christine", klagte er schmerzlich,Petrus wird mich nicht eingehen lassen zur Freude, ich habe gestohlen und betrogen und meinem lieben Kind Hab ich das Herz zerstoßen."

Vater, lieber Vater!" rief Marie zärtlich.

Wer nennt mich so?" rief der Müller und richtete sich im Bette auf; er sah auf das Mädchen und erkannte sein Kind. Marie, ich werde keine Schande erleben, gelt Kind, Du wirst mich nicht verderben ?"

Nein Vater, ich halt' mein Wort, Euer Namen bleibt allezeit in Ehren."

Der Alte horchte zuerst mit blödem Lächeln auf die sanfte Stimme und aus die furchtbar hallenden Donnerschläge, dann sah er Marien scharf ins Gesicht. Marie", sprach er heiser,schwöre mir, daß Du Dein Wort halten willst, auch wenn ich tot bin. Ich bin schwer krank, ich weiß, meine Zeit wird bald da sein, schwöre mir, daß Du auch dem toten Vater Dein Wort halten und die Ehre bewahren willst." Mit banger Erwartung blickte das blasse Gesicht, auf welches der nahe Tod bereits sein Siegel gedrückt hatte, zu der Tochter auf.

Mann, laß das Mädchen nicht schwören", schrie die Müllerin angstvoll, Gott gab uns nicht die Kinder, um sie für uns zu opfern."

(Fortsetzung folgt.;

Ehrlicher Finder." Ein Beamter in Köln hatte bei Gelegenheit seines Dienst­

jubiläums von seinen Kollegen eine pracht­volle goldene Uhr zum Geschenk erhalten. Eines Tages kam ihm im Gedränge die Uhr abhanden; ob er dieselbe verloren oder ob diebische Hände den Wertgegen­stand hatten mitgehen heißen, konnte er nicht angeben. Eine Anzeige in der Zeitung, in welcher er dem ehrlichen Finder 20 M. Belohnung versprach, blieb ohne Erfolg. Da klagte er einem Freunde, der als Helfer in der Not bekannt war, seinen Verlust, und dieser versprach zu helfen. Anderen Tags erschien in ver­schiedenen Zeitungen folgende Anzeige: 300 M. Belohnung erhält derjenige, welcher meine goldene Remontoiruhr ge­funden hat; dieselbe hat nur für mich als teures Familienandenken diesen hohen Wert." Unterzeichnet waren die Inserate mit dem Namen und dem Wohnorte des Freundes. Schon am anderen Morgen erhält derselbe den Besuch eines Mannes. Sie haben auf die Rückerstattung Ihrer Uhr 300 Mark Belohnung gesetzt?" Jawohl", erklärt der Freund,es kommt mir auf ein Goldstück auch nicht an, denn ich lege auf die Wiedererlangung des teuren Andenkens großen Wert."Ich habe die Uhr gefunden, hier ist sie", ent­gegnen der Fremde. Der andere nimmt die Uhr in Empfang und spricht nach kurzem Anschauen mit enttäuschter Miene: Wie schade, das ist nicht meine Uhr, die gehört meinem Freunde in der W. Straße, der auf deren Rückgabe eine Belohnung von 20 M. ausgesetzt hat, dieselben können Sie sofort von mir in Empfang nehmen; im übrigen mache ich Sie darauf auf­merksam. daß das Strafgesetzbuch den Funddiebstahl ebenso bestraft wie den ge­meinen Diebstahl." Als der Fremde das Strafgesetzbuch erwähnen hörte, nimmt er flugs die 20 M. und verduftet.Sie sind ja so glücklich im Finden", ruft ihm der Freund die Treppe hinunter nach, nun suchen Sie auch meine Uhr, und die 300 M. sollen Ihnen nicht fehlen!" So gelangte der Verlierer wieder zu seinem Eigentum.

(Die Zahl der Juden.) Nach den in Paris erscheinendenArchives judaiques" giebt es auf der ganzen Erde 6 300000 Juden. In Europa leben 5 400 000 Juden, in Asien 300000, in Afrika 350000 und in Amerika 250 000. Die Zahl der Juden in Australien ist nicht ganz sicher, aber man darf wohl annehmen, daß sie nicht bedeutend ist. In Europa leben die meisten Juden in Rußland, und zwar 2 552000, von denen 768 500 auf das ehemalige Königreich Polen entfallen. In Oestreich sind 1644000 Juden, allein in Galizien 688 000; in Deutschland 562 000, in Rumänien 263000, in der Türkei 105 000, in den Niederlanden 82 000, in Frankreich 63000 und in Italien 40000. In Palästina beträgt die Zahl der jüdischen Einwohner 25 0 00.

Ein Riesenfaß. Ein in Epernay gebautes kolossales Faß von 2000 Hekto liter Inhalt, welches auf einem von zwölf Paar Ochsen gezogenen Wagen nach Paris zur Ausstellung geführt wird, ist in der Nähe von Chateau-Thierry aufgehalten

worden, weil die Räder auf einer frisch bearbeitetenStraßenstrecke tief eingeschnitten sind. Man hofft indes dasselbe bald zn befreien und es noch zeitig genug zur Eröffnung der Ausstellung an den ihm bestimmten Platz zu bringen.

(Kurz abgefertigt.) Er:Wohin des Wegs, mein Fräulein?" Sie:Keinis- wegs!"

Gemeinnütziges.

fObstbehandlung.s Allem Anscheine nach folgt auf eines der größten Obst­jahre dieses Jahrhunderts Heuer wieder ein nicht unbedeutender Obstertrag, wenn auch, wie man wird annehmen müsse», hauptsächlich in Aepfeln. Die Fässer, deren Mangel letzten Herbst bewirkte, daß das Obst als wertlos fast verschleudert werden mußte, werden zum Teil wieder geleert sein. Allein gleichwohl dürfte eine in Oberschwaben gemachte Beobachtung aller Beachtung wert sein. Als man ver­gangenes Jahr die Massen von Obst nicht mehr zu bewältigen vermochte, begann man Mieten zu graben und das Obst in ganz ähnlicher Weise zu behandeln, wie man Gemüse, Zuckerrüben u. dgl. über­wintert. Man grub Erde aus, fütterte die Oeffnung mit Stroh aus, legte das Obst hinein und bedeckte dieses erst mit Stroh und dann mit Erde. Der Versuch soll in ganz überraschender Weise gelungen sein. Das Obst wurde im Frühjahr in vollkommener Frische ausgegraben und verwertet. Es liegt auf der Hand, daß diese fast kostenlose fürsorgliche Behandlung der überschüssigen Vorräte für den Obst­bau von großer Bedeutung werden kann.

_ (S. M-,

Verfälschtes Terpentinöl. Kürzlich ist in den Vereinigten Staaten von Amerika ein Verfahren zur Mischung von Terpen­tinöl patentiert worden. Diese Mischung soll von reinem Terpentinöl schwer zu unterscheiden sein. Wir glauben, schreiben dieB. Pol. N.", die Aufmerksamkeit des deutschen Handelsstandes hierauf hinlenken zu sollen, da es nicht ausgeschlossen er­scheint, daß das billige Mischungsprodukt als reines Terpentinöl in den Verkehr gelangt.

fWohlgeruch für den Wäscheschranks Zur Rosenzeit sammle man alle Tage die im Abfallen begriffenen Rosenblätter in ein Körbchen und streue sie in den Wäsche» schrank, in Schiebladen und Kasten. Mil Flieder und Johannisblättchen versah« man ebenso und hat man dann das ganze Jahr über herrlich duftende Wäsche. 3° Winter, auch im Frühjahr, entferne ina» die vertrockneten Blätter und ersetze sie>>" nächsten Sommer durch frische.

Acheüüngen ins de« knzthiiler

Lii»m» täglich Sei alt» W' ämtern gemacht werden.

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.