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Deutschland.

Militarismus und Wohlstand.

Die Nordd. Allg. Ztg." kommt an leitender Stelle auf die Rede zurück, welche der Abgeordnete Bebel im Reichs­tage gegen die Forderungen des Nach­trags-Etats für Heeresbedürfnisse gehalten hat und versucht die von Herrn Bebel aufgestellte Behauptung, daß die dem Moloch des Militarismus" gebrachten fiuanziellcn Opfer einen schweren wirt­schaftlichen Schaden für die Nationen be­sten, zu widerlegen. In der Betrachtung jksKanzlerblattes" heißt es:

In einem Lande, welches seit nun bald drei Menschenaltern unter dem Regime der allgemeinen Wehrpflicht steht, in welchem Generation auf Generation durch die körperliche und geistige Schulung in Erfüllung dieser Pflicht hindurchgegangen sind, sollte man eigentlich jener Auf­fassung von der Unproduktivität der auf die Pflege der Wehrkraft verwendeten Mittel nicht mehr begegnen. Was die Volksschule bei uns durch die allgemeine Schulpflicht nicht nur nach der idealen Seite der Verallgemeinerung der Bildung, sondern auch nach der sehr realen Seite einer besseren Ausrüstung des Einzelnen für die Entwickelung seiner wirtschaftlichen Kräfte geleistet hat, kann nicht höher veran­schlagt werden, als dasjenige, was in gleicher Richtung unsere Heeresverfassung volkserzieherisch wirkte.

Sieht man jedoch von dieser allge­meinen volkswirtschaftlichen Schulung der Nation durch unser Heerwesen ab, so ist es aber auch absolut unrichtig, daß die auf die Ausbildung und Pflege unserer Wehrhaftigkeit verwendeten Mittel eine unproduktive Anlage erführen, gleichsam vomMilitarismus" verschlungen würden und als reiner Verlust für unsere Volks­wirtschaft zu verbuchen wären. Alle diese Mittel fließen doch durch die verschieden­sten Kanäle der produktiven Arbeit der Nation wieder zu und befruchten dieselbe; alle diese Mittel gelangen in der einen oder in der anderen Weise wieder dahin zurück, von wo sie gekommen, weil die Bedürfnisse der Armee aus der Erzeugung des eigenen Landes der Regel nach be­stritten werden.

Von einem reinen Verluste volks­wirtschaftlicher Art ist also schon aus diesem Grunde nicht zu reden. Man braucht sich aber nur einmal die Frage vorzulegen, welche Summen ein Krieg überhaupt und gar erst ein mit unserer Niederlage endender Krieg unserem Natio­nalvermögen kosten würde, um zu be­greifen, daß auch die von den Gegnern des Militarismus so bereitwillig nach­gerechneten Milliarden, welche jenem in den Kriegsbudgets zum Opfer gebracht lein sollen, im Vergleiche zu jenen Schäden stch nur verhalten, wie etwa die Ver­sicherungsprämie zu dem durch Versicher­ung sicher gestellten Kapitalbesitz. Kein ^Pch wird aber eine verausgabte Ver­sicherungsprämie etwa deshalb als eine unproduktive Ausgabe hinstellen wollen, wnl der Fall, für welchen die Versicher­ung genommen wurde, nicht eingetreten ist.

(Schluß folgt.)

* Eine kaiserliche Kabinets- ivrdre, die gerade zum 22. März, dem Geburtstage weiland Kaiser Wilhelms I-, erschienen ist, verfügt eine Reihe von Veränderungen in den höheren Kommando­stellen der preußischen Armee.

Berlin, 28. MastA Der heutige Ge­denktag an unseren unvergeßlichen Kaiser Wilhelm I. hatte schon in aller Frühe viele Tausende nach dem Charlottenburger Mausoleum hinausgeführt. Man sah in Vieler Hände geschmackvolle Blumenspen­den, Kränze, Bouquets rc.; vor dem Mausoleum harrte die Menge in ehr­erbietiger Ruhe. Viele Damen trugen Trauerflor.

Graf Herbert Bismarck, der während der Zeit seiner Zugehörigkeit zur deutschen Botschaft in London viele persönliche Beziehungen zu hervorragenden Persönlichkeiten Englands geknüpft hat, pflegt sich alljährlich um diese Zeit zu kurzem Besuch nach London zu begeben, um diese Beziehungen aufzufrischen und mit seinen englischen Freunden einige an­genehme Tage zu verleben. Da Graf Herbert Bismarck der Regierung des deut­schen Reiches in hervorragender Stellung angehört und seine englischen Freunde gleichfalls im politischen Leben ihres Vaterlandes bedeutende Rollen spielen, so ist es wohl sehr natürlich, daß sie sich bei diesen Begegnungen nicht nur über das Wetter und sonstige alltägliche Dinge, sondern auch über politische Fragen zu unterhalten pflegen. Das wird gewiß auch diesmal geschehen.

* In der Angelegenheit des Verbots der BerlinerVolkszeitung" ist noch keine Entscheidung getroffen und verbleibt es einstweilen bei dem Verbote. Auch die Donnerstagsdebatte des preußischen Ab- grordnetenhauses über denFall" der Volkszeitung" hat keinerlei Aufschluß gegeben, inwieweit man zuständigen Ortes geneigt ist, dem erhobenen Protest des genannten Blattes gegen seine Unterdrück­ung stattzugeben und werden daher die Entschließungen der Reichskomission abzu­warten sein.

Berlin, 23. März. Der Reichstag nahm soeben die Hauptpunkte des Genossen­schaftsgesetzes nach der Kommissionsfassung in 2. Lesung unverändert an. Wahrschein­lich wird das Gesetz noch heute bis zu Ende durchberaten.

Berlin, 22. März. Ein neues Weißbuch überSamoa ist dem Reichs­tage zugegangeu. Es sind drei Haupt­stücke mit zahlreichen Anlagen zu dem Weißbuch vereinigt. In dem ersten Teile berichtet der kaiserliche Konsul in Apia unterm 31. Januar 1889 über die Lage in Apia. Der Bericht beschäftigt sich mit der Einschließung der Deutschen durch die Aufständischen, mit der Plünderung der deutschen Pflanzungen, dem Brand des deutschen Konsulats, schildert die Ver­hinderung einer Verständigung mit den Aufständischen durch fremde Agitation und verbreitet sich schließlich über die Maß­regeln des deutschen Konsuls nach Erklär­ung des Kriegszustandes und das Ver­halten der englischen und amerikanischen Vertreter und Schiffskommandanten. Das ! zweite Hauptstück des Weißbuches enthält chen Bericht des Kommandanten 2. M.

Kr.Adler", gleichfalls vom 31. Januar er. datiert. Die dritte und letzte Nummer bildet der Erlaß des Reichskanzlers an den Kaiserlichen Generalkonsul Dr. Stübel in Apia. Nach demselben war der Kaiser­liche Konsul Dr. Knappe nicht ermächtigt, den Krieg oder Kriegszustand zu erklären.

Die Handels- und Gewerbekammer für Oberbayern verwendet sich für die Er­höhung der Gewichtsgrenze eines einfachen 10 ^-Briefes im deutsch-österreichischen Postverein von 15 auf 20 Gr.

Straßburg, 23. März. Die Straßb.Post" veröffentlicht an der Spitze ihrer heutigen Nummer einen patriotischen Aufruf zu Beiträgen für Errichtung eines Denkmals für Kaiser Friedrich auf dem Schlachtfeld von Wörth. An der Spitze der Unterzeichner steht Armcebischof Dr. Aß­mann.

Mannheim, 20. März. Wie die Heidelb. Ztg." berichtet, starb hier vor einigen Tagen eine Witwe, treu gepflegt bis an ihr Ende von ihrem sie zärtlich liebenden, verwitweten Schwiegersohn und hinterließ ein Vermögen von rund 150 000 Mark. Schwiegersohn, Stieftöchter, bezw. deren Erben und ein leiblicher Bruder er­schienen, um der Testamentsvollstreckung beizuwohnen. Aber nicht gering war ihr Erstaunen, als der Testamentsvollstrecker verkündete: das Haus (70 000 Wert) samt der ganzen Einrichtung gehört dem Bischof, so und so viel erhält der katholische Gesellenverein rc. und d'en Rest erhalten die nächsten Verwandten.

* Aus zahlreichen Gegenden Deutsch­lands kommen abermals Meldungen über ein bedrohliches Steigen der Flüsse, hervorgerufen durch die Regen­güsse der letzten Tage und Schmelzen des Schnees. Speziell steht man in Schlesien wieder vor einer ernsten Hochwassergefahr.

Württemberg.

Stuttgart. Der württ. Garten­bauverein veranstaltet zur Feier des 25- jährigen Regierungs-Jubiläums Seiner Majestät des Königs eine große Pflanzen- und Blumen-Aus- stellung vom 17. bis 22. April (Oster­woche) in der Gewerbehalle in Stuttgart. Dieselbe verspricht großartig zu werden.

Eßlingen. Lederhändler Karl Schalter, Mitglied des Bürgeraus­schusses. ist zum Stadtschultheißen ernannt. (Schalter hatte erhalten bei der zweiten Wahl 1397 St. Stadtpfleger Weith 1388 St. Die lange Spannung hat damit nun ihr Ende gefunden.

Heiden heim, 21. März. Ein hie­siger Gasthofbesitzer und Bierbrauer ver­letzte sich vor etwa 10 Tagen an einem Finger; er riß sich dort wund an einem Faßreife. Auf die ganz unbedeutende Ver­letzung gab er nicht acht und nun trat Blutvergiftung ein, daß sein Leben in größter Gefahr schwebt.

Heilbronn. 23. März. Wie aus Berlin gemeldet wird, war bei dem jüng­sten Diner beim Grafen Waldersee, bei welchem das Kaiserpaar erschien, auch der Reichstagsabgeordnete für Heilbronn, Frei­herr v. Ellrichshausen unter den Geladenen. S. Maj. der Kaiser richtete huldvolle ! Worte an den letzteren und sagte ihm, er habe sehr bedauert, bis jetzt außer Stande