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LUMliK.
Deutschland.
Berlin. 21. März. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes. Staatsminister Graf Bismarck, der in den letzten Tagen wiederholt vom Kaiser zu längern Vorträgen empfangen worden ist, hat heute früh um 7°/« Uhr mit dem Kölner Schnellzug Berlin verlassen und sich zu elwa achttägigem Aufenthalt nach England begeben.
Berlin. 21. März. Der Druckerei der „Volkszeitung" ist der Druck jedes yoliti chen Blattes verboten worden.
(F. I.)
Hamburg, 21. März. Der „Hamb. Wrsenhalle" zufolge fischte der heute hier angekommene Dampfer „Armin" nordwestlich von Helgoland einen sehr großen limkn Luftballon ohne Gondel und Netzwerk auf; derselbe scheint französischen Ursprungs zu sein.
Nürnberg. 22. März. Seit Mitternacht herrschen starke Regengüsse, die jetzt mit Schneeflocken vermischt sind. In den niedrig gelegenen Stadtteilen ist die Pegnitz bereits ausgetreten. (Auch aus Schlesien kommen Hochwassermeldungen.)
Von den Guldenscheinen der Frankfurter Bank sind noch immer 78210 Gulden im Umlauf. Im Jahr 1888 wurden nur 275 Gulden zur Einlösung präsentiert. Die Besitzer dieser Scheine sollten wirklich nicht länger mit der Vorzeigung zögern, soweit sie überhaupt noch vorhanden sind.
Fr.eiburg. 20. März. Eines der größten Schwarzwald-Wirtshäuser, die „Sonne" in Bonndorf, ist in der Nacht vom Sonntag auf den Montag abgebrannt. Es verbrannten 11 Stück Schweine und namhafte Holz- und Futtervorräte.
Württemberg.
Stuttgart, 21. März. Ihre Königlichen Majestäten haben am letzten Dienstag Seine Hoheit den Fürsten und Ihre Königliche Hoheit die Fürstin von Hohenzollern, welche in den letzten Tagen für einige Zeit von Cannes nach Nizza übersiedelten, zum Frühstück bei Sich gesehen.
Verfügung des Finanzministeriums, betreffend die Steuererhebung vom 1. April 1889 an. Auf Grund des H. 114 derBerfaffungsurkunde werden die Steuererhebekassen angewiesen, sämtliche durch das Finanzgesetz vom 14. Juni 1887 (Reg.-Bl. S. 177) verwilligten direkten und indirekten Steuern und Steuerzuschläge in dem sür das Etatsjahr 1. April 1888/89 festgesetzten Betrage vom 1. April d. I. an und, wofern eine andere Verfügung nicht früher ergehen würde, bis zum 31. Juli 1889 auf Rechnung der neuen Verwilligung nach den bisherigen Normen einstweilen fortzuerheben.
Im Druck erschienen ist der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Abänderung einiger Bestimmungen des Gesetzes vom 17. April 1873 zur Ausführung des Reichsgesetzcs vom 6. Juni 1870 über den ^nterstützungswohnsitz.
Stuttgart. Die HH. Architekten Schmidt und Burkhardt hier haben sich in längster Zeit an der Preisbewerbung für
Entwürfe zum Bau einer katholischen (St. Bonifazius-) Kirche im Gartenfeld zu Mainz beteiligt. Wie die D. B.Z. berichtet, wird der Entwurf gen. Herren als ganz vorzügliche Leistung bezeichnet; namhafte Fachgenossen äußerten sich dahin, daß diese Arbeit bezüglich der Gestaltung der Gesamtgruppe unerreicht dastehe, sowohl was malerische Wirkung, wie vor allem, was zweckentsprechende Anordnung der Nebenbauten anbelange. (S. M.)
Ulm, 19. März. (Münsterbau). Auf dem Hauptturm wurde mit dem heutigen Tag die Arbeit wieder ausgenommen. Die den Winter über in Sicherheit gebrachten Gerüstteile werden zunächst wieder angebracht. Wenn die Witterung nicht noch einmal Hindernisse einlegt, werden die Versetzungsarbeiten dann alsbald ausgenommen. Von den Steinmetzen wurde den Winter über gehörig vorgearbeitet.
Honau, 21. März. Gestern versammelte sich hier eine größere Anzahl Gastwirte vom Thal und von der Alb, um über die Aufhebung des Gesetzes vom 9. Juni 1827 betr. des Umgeldes auf Wein und Obstmost zu beraten. Man beschloß einstimmig, sich dem gegenwärtig unter den Gastwirten umlaufenden Bittgesuch an die Kammer der Abgeordneten anzuschließen.
Nordheim, 21. März. Ein öjähriger hiesiger Knabe spielte mit etlichen Kameraden in einem Nachbarhause; die Kinder kamen schließlich zur Futterschneidmaschine. Es war keine Hemmvorrichtung angebracht; die Kinder konnten sie ohne Umstände in Bewegung setzen; in kürzester Frist brachte das Kind die rechte Hand zwischen die Walzen, wobei die 4 letzten Finger der Hand am ersten Glied gebrochen und ein Mittelhandknochen ziemlich stark verletzt wurde. Der Knabe ist für sein Leben unglücklich. (S. M.)
Wie berichtet, ist in der Nähe von Wildenthierbach dieser Tage ein Bürstenhändler aus Deufstetten erfroren aufgefunden worden. Zu diesem Vorfall schreibt man noch dem „Hall. Tgbl.": „An der betreffenden Stelle, wo vor alters eine Pechsiederei gestanden, haftet der Aberglaube , daß dort Gespenster umgiengen. In jener Nacht giengen Leute dort vorüber und hörten ein Jammern und Aechzen: auf ihren Anruf ließ der Unglückliche, welchem wahrscheinlich die Kraft versagte, nur noch ein Winseln vernehmen. Da regte sich in den Vorübergehenden der alte Aberglaube, sie waren froh, mit heiler Haut die Unglücksstätte hinter sich zu haben, und der Unglückliche, dem Hilfe hätte gebracht werden können, mußte erfrieren.
Bietigheim, 21. März. Am nächsten Sonntag den 24. März wird von Bietigheim aus die Abreise von etwa 30 Männern stattfinden, die sich in Posen auf dem für Württemberger reservierten Gut ankaufen wollen. Sie werden nach Posen reisen, um dieses Gut zu besichtigen, Essich-Bietigheim wird sie begleiten. Die Absicht Essichs war, einige günstigere Bedingungen zu erlangen, da aber einzelne ohne Rücksicht auf sämtliche Interessenten mit den gegebenen Bedingungen einverstanden sind, so wird es kaum möglich sein, noch weitere Vergünstigungen aus-
zuwirkcn. Die uneigennützige Thätigkeit Essichs in Betreff der Ansiedelung in Posen wird, wie wir aus dem Posener Tagblatt entnehmen, preußischerseits sehr anerkannt. (S. M.)
Neuenbürg, 22. März. Der Frühling beginnt mit dem Eintritt der Sonne in das Zeichen des Widders den 2 0. März 11 Uhr morgens. Frühlings Tag- und Nachtgleiche. Zunahme des Tags um 1 Std. 48 Min. — So steht im Kalender. Der heutige Schneesturm steht nicht darin; von Lerchenlaut und Finkenliedern ist noch nichts zu hören. .
Ausland.
Paris, 22. März. Die Regierung wird bei der deutschen Regierung um die Genehmigung nachsuchen, die Ueberreste des großen Carnot und des General Mar- ceau nach Frankreich zurückbringen zu dürfen. Dieselben sollen neben dem Grabe Baudins am 10. Juni im Pantheon beigesetzt werden.
Pittsburg, 18. März. Eine von ernsten Folgen begleitete Zerplatzung eines Dampfkessels hat in einer Kcsselfabrik in Pittsburg (Amerika) stattgefunden. Fünf Arbeiter wurden auf der Stelle getötet, über zwölf verletzt, darunter einige rötlich. Das Gebäude liegt in Trümmern.
MigMen.
Schloß Kergenhorst.
Novelle von Maria Widdern.
(Nachdruck verboten.)
(Schluß.)
Das süße Geschöpfchen lag noch in seinem ganzen Feststaat in der Wiege, während die Wärterin in aller Gemütsruhe ihr Schläfchen machte.
Aber Lucie zürnte ihr in diesem Augenblick nicht. Ihre Seele war tiefbewegt, und die Knie beugend, sank sie vor dem Bette ihres Kindes nieder.
Mit beiden Armen umschlang sie dabei die kleine in duftige Stoffe gehüllte Gestalt und die heißen Lippen der jungen Mutter drückten sich leidenschaftlich innig auf das zarte, lächelnde Gesichtchen:
„Ich bin so glücklich, mein Gott", hauchte sie dabei. „Und ich danke Dir aus überströmendem Herzen für all' das Schöne und Herrliche, mit dem Du mich begnadet! Erhalte mir auch, was Du mir in Deiner Barmherzigkeit gegeben und mache mich immer würdiger der bevorzugten Stellung, zu der mich die Liebe eines guten, braven Mannes erhoben."
„Lucie!" flüsterte es da an ihrem Ohr und aufblickend schaute sie in das schöne Antlitz des Gatten, der, besorgt um die geliebte Frau, nach ihr gesucht hatte und sie hier endlich fand.
„Meine liebe, teure Lucie", wiederholte er tiefbewegt und legte seinen Arm um ihre Taille.
„Aber wie blaß Du aussiehst, mein trautes Weib! Ach, ich habe gleich gesagt, wir hätten die Festlichkeit noch aufschieben sollen — nun macht Dich der Wirrwarr im Schlosse ganz nervös!"
„Mein Gott, die Kleine ist ja schon ein halbes Jahr alt", erwiederte sie lächelnd. „Ueberdies höre ich ja nichts von dem ganzen Trubel. Als „Tauf-