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Herr. ich habe lieb die Stätte deines Hauses," von I Faißt. Gebet: Herr Helfer Eytel. Schlußwort und Segen: Herr Generalsuperintendent Prälat Dr. v. Georg ii. Um 12 Uhr Festmahl im Waldhorn.

Calw. DerKirchengesangverein wird Sonntag, 7. Oktbr. abens 4'/s Uhr in der Stadtkirche das OratoriumElias" von F. Mendelssohn-Bartholdy unter Mit­wirkung weiterer musikalischer Kräfte zur Ausführung bringen. Es hat Jedermann freien Zutritt.

Calw. Mittwoch morgen kurz nach 6 Uhr stürzte Ratsdiener Reinhardt beim Oeffnen der' Läden von Schwindel be­fallen aus einem Fenster des Rathauses. Bewußtlos und innerlich schwer verletzt wurde derselbe in seine Wohnung ver­bracht, woselbst er einige Stunden später verschied. Seit 8. Oktober 1872 im Dienst, war er ein eifriger, treuer und bescheidener Diener und wegen seiner Dienstfertigkeit und Freundlichkeit überall beliebt.

(C. W.)

O e st e r r e i ch.

Wien hat dem deutschen Kaiser Wil­helm II. einen großartigen überwältigen­den Empfang bereitet. Schon in den frühesten Morgenstunden regte es sich aller­orten und schaarenweise strömten die Wiener auf die Ringstraße, in die Mariahilferstraße und zum Westbahnhof, um Kaiser Wilhelm zu sehen.

Schweiz.

Bern, 4. Okt. Auf den Bahnlinien Freiburg Bern, Bouvcrel Martigny, BruggHendschikon ist infolge von Erd­rutschungen und Ueberschwemmungen der Verkehr unterbrochen. Die Dörfer Büm- plitz und Lyß (Kanton Bern) stehen unter Wasser.

Ausland.

Rom, 3. Okt: Die Ankunft des deutschen Kaisers in Rom erfolgt am 11. Oktober 2 Uhr nachmittags. Derselbe wird am Bahnhofe vom Könige, dem Kronprinzen, und den Prinzen Amadeus und Thomas, und im Quirinal von der Königin, der Herzogin Mutter von Genua, der Prinzessin Lätitia, Gemahlin des Prinzen Amadeus, und der Herzogin von Genua, Maria Jsabella, empfangen werden, und im Quirinal wird mich die Vorstellung der Minister und hohen Staatswücden- träger erfolgen.

Boulanger ist endlich am Donners­tag in Paris auf der Bildfläche wieder aufgetaucht; in einigen Tagen will er sich nach der Dordogne begeben.

Paris, 2. Okt. Präsident Ca r n o t Unterzeichnete einen Erlaß, wonach alle Fremden, welche in Frankreich ansässig sind, oder sich ansässig machen wollen, den Orts- bchörden ihre Anwesenheit anzeigen und Nachweis ihres Namens, ihrer Mtionalität, ihres Berufs, ihrer Existenz­mittel sowie des letzten Wohnorts beibringen müssen.

Paris, 4. Oktbr. Ein großer Teil der Umgegend von Lyon ist überschwemmt, auf der Bahnstrecke LyonGenua Ver­kehrsstörungen, Schaden beträchtlich.

London, 4. Okt. Morning Post bezeichnet die Kaiserbegegnung in Wien als ein Ereignis von hoher Bedeutung,

das offen bekunde, daß der Bund zwischen Deutschland Oesterreich und Italien keine Schwächung erlitten habe. Der Dreimächte­bund, mit welchem England herzlich sym­pathisiere, werde mit Recht als die sicherste Bürgschaft für die Aufrechterhaltung des europäischen Friedens betrachtet. Solange die Politik der Friedensliga bleibe, was sie ist, sei ihr die Unterstützung Englands jedenfalls sicher.

MlMllkN.

M Zigeunerin.

Original-Novelle von Mary Dobson.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Die Zigeunerin blickte eifriger noch als vorher in ihre Karten, und sagte lang­sam und bedeutungsvoll:Junger Mann, merkt wohl auf meine Worte! Die erste Bekanntschaft mit Eurem künftigen Weibe wird eben so romantisch, wie Eure Ehe glücklich sein! Nach drei Jahren" hier senkten sich ihre Augen noch tiefer auf die alten, mit wirklichen Hieroglyphen bedeckten Blatter, bis ihre Züge sich er­heiterten, sie aber mit noch größerer Feier­lichkeit als bisher fortfuhr:

Nehmet Euer Taschenbuch zur Hand und schreibt meine Worte aus, denn um Eures Glückes willen dürfen sie nicht ver­loren gehen. Am 10. Oktober 183. seid in der Stadt B. in der Provinz . . . . Begebt Euch aber früh genug dahin, um bei Sonnenaufgang auf der Brücke, die über den Fluß führt, zu sein. Sobald Ihr sie betreten, müßt Ihr Euren Hut abnehmen, und vorher schon eine hochrote Nelke in ein Knopfloch Eures Rockes ge­steckt haben. Seid ihr diesen Anweisungen pünktlich nachgekommen, so werdet Ihr auf der Brücke ein junges Landmädchen treffen, welches ebenfalls einen Strauß hochrote Nelken, eine Seltenheit für diese Jahres­zeit, trägt, und das Ihr mit:Ich suche die Unbekannte!" anreden müßt. Unfehl­bar wird sie erwidern:Die Gesuchte steht vor Euch!" und thut sie dies wirklich, so habt Ihr Eure künftige Gattin gefunden Zaudert aber nicht lange, sondern leitet die Sache ein, und gelingt sie Euch, so wird eine Zukunft von Glück und Freude Euch zu Teil werden! Für ferne Zeiten ver­kündige ich Euch einen Brief, ausnahms­weise in einem grünen Umschlag, der Euch und Eurer Gattin eine unerwartete, sehr erfreuliche Nachricht bringt. Jetzt, junger Mann, wißt ihr genau, was die Karten für Euch enthalten, und ich beschwöre Euch, erfüllt, was Euch das Schicksal ge­bietet, damit es nicht Rache an Euch übt, die ihr dann selbst herausgefordert hättet!"

Und hat sich wirklich zugctragen, was Ihnen die Zigeunerin Ungewöhnliches verkündet?" fragte ungläubig lächelnd der Gutsbesitzer.

Ja, Herr Nörlinger, bis auf's Wort! Ich habe in Amerika solches selbst­süchtiges Mädchen gefunden, und der ge­machten Erfahrung zufolge meine Gattin auf die obenbeschriebene Weise kennen ge­lernt, sie ohne weiteres Bedenken heim­geführt, und ich bin ein glücklicher Mann geworden. Können Sie mir da verdenken, daß ich den Wahrsagern ein offenes Ohr

leihe? Wie aber genau Alles geschehen, erzähle ich Ihnen ein anderes Mal, denn ich sehe da meine Frau, meine Regina, mit Ihrem Pathchen kommen, die zur Feier Ihrer Anwesenheit die Kleine festlich geschmückt hat."

Nörlinger war diese Unterbrechung des Gesprächs sehr erwünscht, denn ec wußte kaum, was er von seinem Nachbarn, den er doch als einen vernünftigen Mann kannte, denken sollte, weil nach seiner Ueber- zeugung das Erzählte auf natürliche Weise zugegangen sein mußte, indem die Zi­geunerin einen wohl überdachten Plan verfolgt. Er näherte sich also der schönen, jungen Frau, deren freudig strahlende Augen, die sich auf ihren Galten hefteten, genugsam verkündeten, daß sie unaussprech­lich glücklich sei.

Was sagen Sie aber heute zu Ihrem Pathchen, Herr Nörlinger?" fragte sie lebhaft, und mit dem ganzen Stolze einer jungen Mutter, ihm das einjährige, kleine Mädchen hinhaltend, dem das weiße, mit roten Schleifen verzierte Kleidchen überaus reizend stand.

(Fortsetzung folgt.)

Kaiser Wilhelm ll. als Kind und Mann.

Als unser Wilhelm kaum ein Jährchen zählte, Kam wie ein neues Schriftchen spricht davon Zu Papa Friedrich eine gut gewählte.

Ihm wohl bekannte Deputation.

Der Kronprinz stetig edler Huld beflissen Lieh diesen Herren nicht nur gern sein Ohr,

Er stellte vielmehr freudig hingerissen Denselben huldvoll auch sein Prinzchen vor.

Bald greift der Herren einer nach den Taschen Und zeigte seine Uhr dem Knäblein klein,

Das flinke Prinzchen weiß sie zu erhaschen,

Und hält sie fest mit all' zehn Fingerlein.

>'-ayeind sagte Friedrich den Bekannten >...rft Ihr Euch nicht wundern allzugroß: Lvas echten Hohenzollern kommt zu Händen,

Das lassen sie so leicht nicht wieder los!

Zum deutschen Kaiser ist nunmehr geworden Das Prinzlein, das die Uhr nicht lassen wollt',

Und seines Vaters fast prophet'schen Worten Wird nunmehr reicher Beifall noch gezollt;

Denn eisenfest hat Wilhelms Wort geklungen, Das er gerufen jüngst von Frankfurt aus: Von alledem, was Deutschland je er­rungen,

Nicht einen Stein mehr geben wir heraus!"

L.»gl.

Telegram m.

Stuttgart, 5. Oktober 8 Uhr 5 Min.

Wien. Die gesamte Rcsidenzpresse ist über die gestrigen Toaste hochbefriedigt und heben die Herzlichkeit und Entschieden­heit, womit beide Kaiser ihre unauflösliche Bundesgenossenschaft ausdrückten hervor. Die Soiree bei Erzherzog Karl Ludwig war glänzend. Der Kaiser blieb bis 11 Uhr. Heute früh 5'/r Uhr ist der Kaiser mit Kronprinz Rudolph zur Pürschjagd abgefahren. Der König von Sachsen trifft in Wien um 8 Uhr 55 ein und kommt mit,Kaiser Franz nach. Graf Bismarck reist morgen nach Budapest.

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.