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Miszellen.

Der beste Anwalt.

Erzählung von F. Arnefeldt.

lNachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Darauf wußte Franz keine Antwort und blickte sie hilflos an; endlich seufzte er:Daß sie auch jetzt gerade gute Freunde sein mußten!"

Nun sprang Käthe in die Höhe und klopfte in die Hände:Ich hab's, Franz, ich hab's!"

Was denn?"

Wir können ganz ruhig sein und die Dinge an uns herankommen lassen. Spielen wir nur das zärtliche Brautpaar, es wird gar nicht lange währen, so zanken sie sich und reißen uns dann mit derselben Hart­näckigkeit auseinander, wie sie uns heute zusammengebracht haben. Je fester wir dann scheinbar an einander halten, um so heftiger werden sie darauf bestehen, daß aus der Heirat nichts werden dürfe; dann ist es Zeit, meinem Vater ganz geschickt Walter und dem deinigen Klara in den Gesichtskreis zu bringen, und sie werden uns, um sich gegenseitig einen Possen zu spielen, jeden nach seinem Wunsche ver­heiraten."

Obwohl Franz die kecke Zuversicht des jungen Mädchens nicht so unbedingt teilte, ging er doch auf ihren Plan ein. Schon am nächsten Tage wollte er unter dem Vorwände, für seine Braut ein Geschenk zu kaufen, nach der zwei Meilen von dem Gute emfernten Stadt fahren, in welcher Walter Berneck als Assessor beim Gericht arbeitete, ihm einen Brief von Käthe über­bringen und ihm noch mündliche Auf­klärung über die Sachlage geben. Käthe ihrerseits übernahm es, Klara Götz, die Tochter eines benachbarten Gutspächters, wegen der vermeintlichen Untreue ihres heimlich Verlobten zu beruhigen.

Es war um die Zeit der Ernte, als die Verlobung stattfand, und wäre es nach dem Wunsche der beiden Väter und nament­lich des Rittergutsbesitzers Eschebach ge­gangen , so wäre die Hochzeit wenige Wochen darauf gefeiert worden. Das ließ sich jedoch in Rücksicht auf die Trauer um die erst kürzlich verstorbene Mutter des Bräutigams nicht thun, ja es schien sogar geboten, selbst den Brautstand so viel wie möglich geheim zu halten. So kam man denn überein, daß die Trauung sogleich nach Weihnachten vollzogen wer­den sollte.

Länger warte ich aber keinen Tag; zum neuen Jahre und zu dem großen Schweineschlachten im Januar muß ich eine Frau im Hause haben," erklärte Eschebach mehr als einmal; er that immer als sei er die Hauptperson bei der Heirat und sein Sohn nur so eine Art von Be­auftragter, der das Geschäft abzuschließen hatte. Es fiel ihm unter diesen Um­ständen nicht auf, daß die jungen Leute doch eigentlich ein seltsames, überaus gesetztes Brautpaar abgaben und auch der Amtmann hatte keine Augen dafür. Machte seine Wirtschafterin zuweilen eine dahin zielende Bemerkung, so meinte er, man könne doch von einem Brautpaar

nicht mehr verlangen, als daß es immer die Köpfe zusammenstecke und stets den Anschein habe, als hätte es sich die größten Heimlichkeiten von der Welt zu vertrauen.

Mit diesen Beobachtungen des guten Amtmannes hatte es seine Richtigkeit, und sie wären wohl geeignet gewesen, auch einen noch Scharfsichtigeren zu täuschen, auch handelte es sich in den Mitteilungen des Brautpaares um ihre Herzensangelegenheiten, nur in einer etwas andern Weise als die Väter wähnten. Käthe hatte mit Klara Götz Freundschaft geschlossen, holte sie in dem kleinen Pony­wagen , den sie selbst kutschierte, so oft dies ohne allzu auffällig zu werden, ge­schehen konnte, zu sich hinüber und ver­mittelte auf jede Weise ein öfteres Zu­sammentreffen derselben mit Franz; dieser hingegen vergalt ihr diesen Liebesdienst, indem er den Briefwechsel zwischen ihr und Walter Bernek besorgte und sie ge­legentlich auf einen Spazierritt begleitete, der sie nach einem Punkte führte, auf welchem sie verabredetermaßen mit dem aus der Stadt kommenden Geliebten zu­sammentraf.

Franz Bernek war mit dieser Komödie, wie er die ganze vorgebliche Brautschaft nannte, sehr wenig einverstanden und ließ sich durch Käthchens Bitten und Vor­stellungen zur Ucbernahme einer Rolle darin nur dadurch bewegen, daß sie ihm versicherte, das Spiel werde nur kurze Zeit dauern. Ihr Vater und der Ritter­gutsbesitzer Eschebach wären jetzt eine so lange Zeit hindurch gute Freunde ge­wesen, daß nach einer auf die Erfahrung vieler Jahre gestützten Berechnung das nächste Zerwürfnis zwischen ihnen un­mittelbar bevorstehen müsse und tiefer und andauernder sein werde, je enger die zuvorgegangene Freundschaft gewesen sei.

Die Voraussetzung hatte die aller­größte Wahrscheinlichkeit für sich, erwies sich aber, wie dies bei Wahrscheinlichkeits­rechnungen nicht selten zu geschehen pflegt, doch nicht als zutreffend. Es verstrichen Tage, Wochen und Monate, ohne daß das gute Einvernehmen zwischen den beiden Nachbarn nur den geringsten Stoß erhalten hätte.

Wie der Landmann in einem heißen, dürren Sommer zum Himmel emporge­schaut und jedes aufsteigende Wölkchen mit der Hoffnung begrüßt, daß es sich zu einem regeuspendenden Wetter ver­dichten könne; wie der durch Windstille im Hafen festgehaltene Schiffer nach den Vorzeichen des Winves auslugt, der sein Fahrzeug flott machen soll, so warteten Käthe und Franz und mit ihnen Klara und Walter auf jedes Merkmal, daß der heißersehnte Sturm zwischen den Vätern im Anzuge sei. Zuweilen schien es auch, als wolle er sich erheben, dann saß Käthe wohl und lauschte mit klopfendem Herzen auf die im Nebenzimmer sich lauter und lauter erhebenden Stimmen, aber wieder und wieder ward ihre Hoffnung getäuscht. Die bewegten Gewässer ebneten sich, ohne über ihre Ufer zu treten, aus dem freundschaftlichen Wortwechsel wurde kein Zank und noch viel weniger ein Bruch.

Es fehlten endlich nur noch vier Wochen zu Weihnachten. Der Ritter­

gutsbesitzer Eschebach ließ bereits die Wohnung für das junge Paar in den Stand setzen und Mamsell Christine, Amtmann Glöckners altes Faktotum, brachte die für Käthes Aussteuer aufgespeicherten Leinenschätze ans Licht. Je näher der Zeitpunkt der ihnen zudiktierten Ver­mählung heranrückte, um so übler ward Käthe und Franz zu Mute, und mehr und mehr wollte es sie bedünken, daß sie mit ihrer Scheinverlobung einen thörichten Streich begangen hatten, der sich gar nicht wieder gut machen lasse.

Walter Bernek riet wiederholt, dem Versteckspiel ein Ende zu machen und den beiden Alten über die wirkliche Sach­lage reinen Wein einzuschenken, aber nicht nur der von seinem Vater von Kindheit an in sklavischer Abhängigkeit erhaltene und dadurch eingeschüchtert Franz bebte vor diesem Eingeständnis zurück, son­dern auch die viel keckere und entschlossenere Käthe fürchtete den Auftritt, der erfolgen mußte, wenn die jähzornigen Herren er­führen, daß ihre Kinder ihnen nicht allein den Gehorsam verweigerten, sondern sich auch noch eine Komödie mit ihnen erlaubt hatten. Im übrigen verlor sie doch den Mut und die ihr eigne übermütige Laune nicht ganz.

Äengstige dich doch nicht," tröstete sie den verzagenden Scheinbräutigam,ich habe die Geschichte eingedruckt und werde sie auch ausessen; antrauen lasse ich dich mir nicht, schlimmsten Falles sage ich vor dem Altar noch Nein, dann fällt natürlich die ganze Schale des Zornes auf mich, und dein Vater befiehlt dir, ihm noch selbigen Tages eine Schwiegertochter ins Haus zu schaffen, die du denn ja auch lediglich ihm zuliebe bereits in petto hast."

Es gelang ihr, durch solche Reden den Jugendfreund aufzuheitern und auch den immer tiefer sinkenden Mut der sanften Klara wieder aufzurichteu; bei wem sie aber damit gar nichts erreichte, das war ihr eigener wirklicher Verlobter, Walter Bernek. Der junge Rechtsgelehrte halte inzwischen die erwartete Bestallung als Rechtsanwalt wirklich erhalten und befand sich schon seit einigen Wochen in einer entfernter liegenden Stadt, an deren Ge­richt ihm seine Thätigkeit angewiesen war. Er hatte nun keinen Grund mehr, mit seiner Werbung um die Geliebte noch länger hinter dem Berge zu halten und ward immer dringender in seinen Mahn­ungen, Käthe solle ihrem Vater ein offenes Bekenntnis oblegen.

(Fortsetzung folgt.)

Homonym.

Zwar bin ich kein Vogel, doch sing' ich

erträglich

Ein monotones, schläfriges Lied,

Besonders am Abend flöte ich's täglich,

Wenn am Horizont das Abendrot zieht.

Doch Menschen, die nimmer und nimmer

zufrieden

Die fangen mich ein und halten mich

warm,

Dann ist ihnen freilich nicht Freude be-

schieden,

Sie leben dahin in bitterem Harm.

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.