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Zu Jürst Wismarcks 25 jährigem Winisterjubitäum.

(Aus dem Hausfreund d. N- Nachr. Berlin.)

(Fortsetzung.)

Die Antworten des deutschen Kanzlers auf die Einmischungsversuche waren fest und schon damals sagten sie prophetisch voraus, was viel später sich klar gezeigt hat.Frankreich hat die Initiative zum Kriege ergriffen und an demselben festge­halten, nachdem die erste Complication auch nach Englands Meinung materiell beseitigt war. Eine von unserer Seite jetzt zu er­greifende Initiative zu Verhandlungen würde von dem nationalen Gefühle der Deutschen, nachdem dasselbe durch Frank­reichs Drohungen tief verletzt und aufge­regt worden, mißverstanden werden. Unsere Stärke liegt in dem nationalen, dem Rechts­und Ehrgefühl der Nation, während die französische Regierung bewiesen hat, daß sie dieser Stütze im eigenen Lande nicht in gleichem Maße bedarf.

Die Zumutung, daß wir jetzt einen Waffenstillstand ohne jede Sicherheit für unsere Friedensbedingungen abschließen sollten, könnte nur dann ernsthaft gemeint sein, wenn man bei uns Mangel an militäri­schem und politischem Urteil oder Gleich­giltigkeit gegen die Interessen Deutsch­lands voraussetzte.

Daneben besteht ein wesentliches Hin­dernis für die Franzosen, die Notwendig­keit des Friedens mit Deutschland ernstlich in's Auge zu (fassen, in der von den jetzigen Machthabern genährten Hoffnung auf eine diplomatische oder materielle Intervention der neutralen Mächte zu Gunsten Frankreichs. Kommt die franzö­sische Nation zur Ueberzeugung, daß, wie sie allein den Krieg willkürlich heraufbe­schworen hat und wie Deutschland ihn allein hat auskämpscn müssen, so sie auch mit Deutschland allein die Rechnung ab­schließen muß, so wird sie dem jetzt sicher nutzlosen Widerstande bald ein Ende machen. Es ist eine Grausamkeit der Neutralen gegen die französische Nation, wenn sie zulassen, daß die Pariser Regierung im Volke unerfüllbare Hoffnungen auf Inter­vention nähre und dadurch den Kampf verlängere.

Die einmütige Stimme der deutschen Regierungen und des deutschen Volkes ver­langt, daß Deutschland gegen die Be­drohungen und Vergewaltigungen, welche von allen französischen Regierungen seit Jahrhunderten gegen uns geübt wurden, durch bessere Grenzen als bisher geschützt werde. So lange Frankreich im Besitz von Straßburg und Metz bleibt, ist seine Offensive strategisch stärker als unsere Defensive bezüglich des ganzen Südens und des linksrheinischen Nordens von Deutschland. Straßburg ist, im Besitze Frankreichs, eine stets offene Ausfallpforte gegen Süddeutschland. In deutschem Be­sitze gewinnen Straßburg und Metz dagegen einen defensiven Charakter; wir sind in mehr als 20 Kriegen niemals die Angreifer gegen Frankreich gewesen, und wir haben von letzterem nichts zu be­gehren als unsere von ihm so oft ge­fährdete Sicherheit im eigenen Lande. Frankreich dagegen wird jeden jetzt zu

schließenden Frieden nur als einen Waffen­stillstand ansehen und uns, um Rache für seine jetzige Niederlage zu nehmen, ebenso händelsüchtig und ruhelos wie in diesem Jahre, wiederum angreifen, sobald cs sich durch eigene Kraft oder fremde Bündnisse stark genug dazu fühlt.

Wir dürfen uns nicht darüber täuschen, daß wir uns infolge dieses Krieges auf einen baldigen neuen Angriff von Frank­reich und nicht auf einen dauerhaften Frie­den gefaßt machen müssen, und das ganz unabhängig von den Bedingungen, welche wir etwa an Frankreich stellen möchten. Es ist die Niederlage an sich, es ist unsere siegreiche Abwehr ihres frevelhaften An­griffs. welche die französische Nation uns nie verzeihen wird. Wenn wir jetzt, ohne alle Gebietsabtretung, ohne jede Kontri­bution, ohne irgend welche Vorteile als den Ruhm unserer Waffen aus Frankreich abzögen, so würde doch derselbe Haß, die­selbe Rachsucht wegen der verletzten Eitel­keit und Herrschsucht in der französischen Nation Zurückbleiben, und sie würde nur auf den Tag warten, wo sie hoffen dürste, die Gefühle mit Erfolg zur Thal zu machen.

(Schluß folgt.)

Württemberg.

Stuttgart, 21. Sept. Auf Ver­anlassung des italienischen Zirkels ver­sammelte sich gestern eine Gesellschaft von 17 Personen (10 Italiener, 7 Deutsche) im Hotel Royal, um durch ein Festmahl den 20. Sept. 1870 zu feiern, an welchem Tage die italienischen Truppen in Rom einzogen, womit die Einigung Italiens vollzogen war. Der den Ehrenvorsitz führende italienische Vizekonsul Catteneo wies in seiner Festrede auf die Wichtig­keit Roms für Italien hin und zitirte das geflügelte Wort Viktor Emanuels beim Einzuge:Hier sind wir, hier bleiben wir."

Die Rückkehr der Infanterie der Stuttgarter Garnison aus den Manövern erfolgte gestern Abend mittelst zweier Extrazüge von Balingen aus. Der Stab der 26. Kav.-Brig. ist ebenfalls gestern schon mit der Bahn eingetroffen, während die Mannschaften des hiesigen Ulanenregts, die den Weg aus dem Manö­verfelde nach Stuttgart in 4 Tagmärschen machen, erst am Sonntag über Böblingen hier eintreffen können. Die beiden Extra­züge mit den Heilbronner und Ludwigs­burger Garnisonen kamen mit geringen Verspätungen vor und nach 8 Uhr hier durch und fuhren nach kurzem Aufent­halt weiter.

Ludwigs bürg, 21. Sept. Ich habe Ihnen die betrübende Mitteilung zu machen, daß in den Weinbergen zu Neckar weihingen ein Reblausherd entdeckt worden ist. Die Sache ist leider über jeden Zweifel erhaben, denn das Vorhandensein der Reblaus ist heute durch Prof. Nörd- linger festgestellt worden. Welchen Um­fang das verseuchte Areal bis jetzt erreicht hat, wird die in den nächsten Tagen fort­zusetzende Untersuchung ergeben. (S. M.)

Die Feuerwehrgerätschaften-Fabrik von C. D. Magirus in Ulm arbeitet laut Schwarzw. B." neuerdings auch für militärische Zwecke. Sie hat schon ver­

schiedene Sturmgeräte nach Berlin ge­liefert und nun auch eine 22 Meter hohe Schiebleiter angefertigt, die bei dem Manöver als Ausguck- und Beobachtungs­posten erstmals Verwendung finden wird. Das Ulmer Pionierbataillon hat eine solche Leiter mitgenommen.

Münsing en, 16. Sept. Gestern und heute hatten wir so starken Reif, daß außer den Gartengewächsen auch die Kar­toffeln , welche seit dem letzten Regen im besten Wachsen begriffen waren, total erfroren sind.

Die bekannte Sängerin van Zandt, die im vorigen Jahre die Wrldbader Kur gegen eine vollständige Lähmung der Füße mit glänzendem Erfolg gebraucht hatte, hat sich auch dieses Jahr wieder in dem Kurort eingefunden. Letzten Sams­tag sang die Sängerin in der kath. Kirche Gounods ^ve Naria im Hochamte und entzückte durch die Schönheit ihrer Stimme das Auditorium, unter dem sich die distin­guierten Persönlichkeiten aller Konfessionen befanden.

Stuttgart, 22. Sept. (Kartoffel- Obst- und Krautmarkt.) Leonhards­platz : 500 Ztr. Kartoffeln zu 3 vfL 30 ^ bis 3 -/-L 80 pr. Ztr. Marktplatz: 4000 Stück Kraut zu 1620 ^ per 100 Stück. Wilhelmsplatz: 50 Ztr. württemb. Obst zu 6 ^ 80 400 Ztr.

auswärtiges Obst zu 6 ^ 50 ^ per Ztr. Güterbahnhof: 6000 Zentner auswärtiges Obst, waggonweise 6 ^ per Ztr.

O e st e r r e i ch.

Wien, 21. Sept. In unterrichteten Kreisen verlautet, Graf Kalnoky sei von dem Resultate der Entrevue mit dem Fürsten Bismarck hochbefriedigt und sehe mit größter Beruhigung der Entwicklung der politischen Situation entgegen. (F. I.)

Schweiz.

In Zürich hat die Polizei letzten Samstag große Mengen unreifen Obstes konfisziert und die Verkäufer bestraft. Mau ist dabei hinter folgende Manipu­lation gekommen: Da die Aepfel in der ersten Zeit etwas mehr gelten als auf der Höhe des Herbstes, so werden sie etwa 14 Tage vor ihrer Reife gepflückt und an einem mäßig warmen Orte auf Hürden gelegt. Es dauert wenige Tage, so zeigen die ausgeschnittenen Aepfel die als Zeichen der Reife geltenden braunen Kerne. Der Apfel selbst ist aber unreif und hält sich nicht. Der Käufer ist ge­täuscht und hat schlechtes Obst. Dem Bauer aber macht das etwa 10 Cts. auf Kilo.

Goldkurs -er, K. Staatskassenverwaltung vom 23. September 1887. 20-Frankenstücke . . . 16 10 ^

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Können täglich bei allen Post­ämtern gemacht werden.

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