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Berlin. Einen entsetzlichen Selbstmord hat am Montag abend der 13 jährige Sohn des im Hause Melchior­straße 4 wohnhaften Arbeiters Schwarz ausgeführt. Aus Furcht vor Schlägen, die ihm angedroht worden sein sollen, riß der Knabe nämlich ein Fenster der in der vierten Etage belegenen elterlichen Wohn­ung auf und sprang auf die Straße hinab. Er schlug zuerst mit den Füßen auf, die beide brachen, und stürzte sodann mit dem Kopf auf das Pflaster noch so wuchtig auf, daß er einen Schädelbruch erlitt. Der jugendliche Selbstmörder wurde von zwei Zeitungsfrauen, denen er noch seinen Namen und die Wohnung nennen konnte, aufgehoben und in die letztere geschafft. Von dort aus erfolgte die Uebersührung nach Bethanien, woselbst der schwer ver­letzte Knabe nach wenigen Stunden ver­starb.

Berlin. Der 200000. Mantel in dieser Saison ist in der Konfektions­firmaGebrüder Singer", am Freitag verfertigt worden.

Köln, 23. Nov. Gestern ereignete sich hier ein höchst beklagenswerter Un­glücksfall. Ein Schiffer trat in ein Waffen­geschäft, um einen Revolver zu kaufen. Der Geschäftsgehilfe zeigte dem Käufer die Handhabung der verlangten Waffe. Da ein Knall, der Schiffer wankte und brach zusammen. Der Revolver hatte sich ent­laden und die Kugel war dem Unglück­lichen in den Unterleib gedrungen. Man sorgte sofort für ärztliche Hilfe, aber um­sonst, nach einer halben Stunde war der Schiffer eine Leiche. Wie die unselige Kugel in die Waffe gekommen, konnte nicht festgestellt werden.

Bei Neustadt a. d. Orla (Thür.) hat man beim Schlammen eines Teiches Ueberreste eines Dorfes aufgefunden, das wahrscheinlich das 1450 zerstörte Dorf Rudenbach ist.

Pforzheim. (Landwirtschaftlicher Bezirksverein.) Sonntag den 28. Nov., nachmittags 0-3 Uhr, findet im Gasthaus zumOchsen" in Mühlhausen eine landwirtschaftliche Besprechung statt, wobei Hr. Landwirtschaftsinspektor Schmid von Durlach einen Vortrag über Molkereiwesen halten wird.

Württemberg.

Infolge der vom 9. bis 10. November abgehaltenen Dienstprüsung evangelischer Lehrerist u. A. Gustav Kircher, Schul­amtsverweser in Höfen, Bezirks Neuen­bürg, zu Versetzung von Schuldiensten für befähigt erklärt worden.

Der mit der Lebensverjicher- ungs- und Ersparnisbank in Stuttgart verbundene Ka pitalisten- Verein. Aufgerufen werden die Pfand­briefe von Serie 2 per 26. Februar 1 8 87 zur Heimzahlung ä, 104°/o Zu­gleich wird wiederholt bekannt gemacht, daß der Rückzahlungstermin für Serie 17 am 30. Dezember d. I., für die Strie 3 am 25. Januar 1887 abläuft und die Pfandbriefe von Serie 11 und 12 seit 16. September d. I., von Serie 4 seit 22. Oktober d. I., von Serie 8 seit 10. November d. I. außer Verzinsung stehen. Auf Namen inskribierten Pfandbriefen ist

ein amtlich beglaubigter Löschungsantrag beizufügen.

Ulm, 25. Nov. lieber die Ermordung des Wittig scheint man nach derUlm. Schnellp." nunmehr anzunehmen, daß ein Selbstmord vorliegt. Den Gründen, welche hiefür sprechen, wird beigefügt, daß nach den ärztlichen Gutachten es ganz und gar ausgeschlossen sein soll, daß dem Getöteten ein solch großer Knebel von rauhem Rupfen­stoff mit Gewalt hätte in den Mund ge­stopft werden können, ohne daß eine Ver­letzung der Lippen, des Zahnfleisches oder der Mundhöhle erfolgt wäre. Bei der Sektion des Leichnams fand sich aber auch nicht die geringste Verletzung vor. Trotz der Annahme eines möglichen Selbstmords hat die Polizei aber ihr Augenmerk un­ausgesetzt auch noch auf ein verübtes Ver­brechen gerichtet. Wem der am Thatorte aufgefundene Revolver gehört, oder woher er stammt, ist bis jetzt nicht zu ermitteln gewesen.

Ulm. Der frühere Sek.-Lieutenant Güntter des Feldart.-Regts. Nr. 13, welcher seit Juli d. I. in die Dienste der deutsch-ostafrikanischen Gesellschaft getreten ist, ist bei einer Expedition auf dem Juba- fluß in diesem ertrunken. G. stand im 27. Lebensjahr. Nähere Nachrichten fehlen noch.

Calw, 25. Nov. Für die hiesige aus etwa 200 Seelen bestehende kath. Kirchen­gemeinde und die Katholiken der benach­barten Orte wurde hier im Verlauf der letzten 2 Jahre eine eigene Kirche erbaut. Vermöge ihrer freien Lage am Eingang in unsere Stadt vom Bahnhof her unv ihres stylvollen Aufbaues in der Früh- gothik macht schon ihr Aeußeres einen freundlichen und wohlthuenden Eindruck. Dem entsprechend ist auch das Innere ge­schmackvoll ausgeführt. Beim Eintritt fallen zunächst die farbenprächtigen, schön gezeichneten Chorfenster in die Augen. Der in Eichenholz geschnitzte Aufsatz des Hoch­altars ist ein Meisterwerk der Holzbild­hauerei. Die Kanzel, ebenfalls in Holz gearbeitet, ist einfacher gehalten, steht aber in schönem Einklang mit der ganzen inneren Einrichtung. Erwähnenswert sind noch die hübschen Wandmalereien im Chor. Die Bauleitung lag in den Händen des Architekten Kümmerle hier. Die Baukosten belaufen sich auf nahezu 50 000 und sind zum weitaus größten Teil durch Stiftungen von auswärts, von dem Jnter- kalarfonds und durch den Staatsbeitrag aufgebracht worden. Heute Donnerstag wurde nun diese Kirche von dem Weih­bischof v. Reiser eingeweiht und dem Ge­brauch übergeben. (S. M.)

Calw. Die neu hergestellte Stadt­kirche wird am 1. Advent zum ersten- male wieder für den Gottesdienst eröffnet werden.

O e st e r r e i ch.

W i e n , 26. Novbr. Diplomatische Kreise versichern, das Petersburger Kabinet bezeichne Deutschland als die geeignete Macht, um einen Vermittln ngsvor- schlag zur Lösung der bulgarischen Frage zu machen; die russische Regierung werde von Berlin ausgehenden Vorschlägen die gebührende Rücksichtnahme schenken.

Ausland.

Sofia, 26. Novbr. Das Schutzver­hältnis der russischen Unterthanen ist folgendermaßen geregelt: In Ostrumelien übernehmen den Schutz die französischen Konsularbehörden, in Bulgarien wird der zurückgebliebene russische Dragoman Sa- mow etwaige Akte von Verletzung russischer Unterthanen zur Kenntnis des deutschen Vertreters bringen, der die Russen gegen Rechtsverletzung in Schutz nehmen wird.

iSt.-Anz.)

MisMen.

(Das Testament einer Bettlerin.) Am letzten Sonntag starb in Penzig bei Wien die siebenzigjährige Caroline Andro in den ärmlichsten Verhältnissen. Die Verstorbene, welche durch viele Jahre eine kleine Kammer bewohnte, lebte ausschließlich von der Mildthätigkeit ihrer Bekannten und Verwandten. Während nun die alte Frau auf dem Sterbebette lag und ihrem baldigen Ende entgegensah, bat dieselbe den be­handelnden Arzt, im Falle ihres Ablebens ein in ihrem Bette verwahrtes Packet ihrer Schwester, die sie während der Krankheit pflegte, zu übergeben. Nachdem die Frau das Zeitliche gesegnet hatte, wurde auch unter den Kopfpolstern das Packet vorge­funden, in welchem sich zum nicht geringen Erstaunen der Anwesenden fl. 10 000 in Staatspapieren vorsanden, welchen Betrag Caroline Andrö ihrer Schwester testiert hatte.

(Unermeßlichkeit des Weltenraumes.) Der Direktor des astronomischen Obser­vatoriums am Kap der guten Hoffnung hat berechnet , daß derjenige Weltkörper, welcher unserer Erde am nächsten kommt, der Hauptstern des Sternbildes des Cen­tauren ist, vom Monde natürlich abge­sehen. Derselbe hat ferner herausgerech­net, daß, wenn man die Erde mit diesem Sterne durch eine Eisenbahn verbinden könnte, ein Eisenbahnzug, welcher 160 Kilometer in der Stunde durchläuft, 48 Millionen Jahre brauchen würde, um diese Entfernung zurückzulegen! Der Reifende, welcher eine solche Exkursion zu machen imstande wäre, würde 70 Milliarden Mark an Reisegeld, nach dem allgemein gültigen Eisenbahntarif, zu zahlen haben, unge­rechnet das Gepäck und sonstige Spesen.

Eine neuerdings angewendete Strick­maschine liefert 1 Paar Socken in 35 Minuten zum Preise von 66 Pfennigen. Eine neue englische Zündholzmaschine macht die Handarbeit so viel wie möglich überflüssig und liefert 2000 Zündhölzer und 350 Schachteln in der Minute. Die Schachteln werden mechanisch gefüllt, wo­bei die Arbeit von 39 Mann gespart wird,

(Aus dem Gerichtssaale.) Richter (zum Zeugen):Ist Ihnen von der Prügelei auch etwas zu Ohren gekommen?" Zeuge:Ja wohl, Herr Richter, ein paar Ohrfeigen!"

Rätselfrage.

Welche Pressen üben weder Druck aus noch erleiden sie solchen?

(-UZjloacfhZ)

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.