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Sie gingen voran, Madeleine folgte.

Am Anfang der Treppe blieb sie stehen. Sie glaubte oben das Knarren einer Thür zu vernehmen und erhob lauschend das Gesicht.

Hoffte sie vielleicht, noch einen letzten Blick auf eine nur einmal gesehene, aber ihr unvergeßliche Gestalt werfen zu dürfen? Wenn dem so war, wurde sie enttäuscht.

Oben blieb Alles still und mit einem Seufzer stieg sie hinab.

Einige Augenblicke später saßen sie im Wagen, welcher schnell die Richtung nach Westen einschlug.

Die Fahrt wurde von allen Dreien im tiefsten Schweigen zurückgelegt. Während die Damen ihren Gedanken nachhingen, machte ihr Gefährte mit goldgefaßtem Bleistift verschiedene Anmerkungen in seinem Notizbuch.

Endlich hielt der Wagen vor einem palastartigen Gebäude in Piccadilly.

Der Anwalt stieg zuerst aus und klopste. Ein riesiger Pförtner öffnete das Thor und der Anwalt führte die Damen, nach­dem er ihnen beim Aussteigen behülslich gewesen war, durch die Halle in einen schön ausgestatteten Speisesaal.

Am Tische saß ein vornehm aussehender, ältlicher Herr, der sich bei ihrem Erscheinen schnell erhob und ihnen entgegenging.

Ist Seine Lordschaft bereit, mein Lord?" fragte der Anwalt.

Ja wohl, Batherley, und er wartet. Mein liebes, junges Fräulein," fügte er hinzu, indem er Madeleine's Hände freund­lich erfaßte,Sie sind bewegt. Das ist eine schwere Prüsung für Sie. Doch muß es sein. Es ist keine Hochzeit, wie sie die Jugend gern feiert. Dennoch bitte ich Sie, sich um meines Freundes willen Ihre Fassung mutig zu bewahren."

Gewiß, Mylord, ich will thun, was ich kann," flüsterte sie.

Ich danke Ihnen. Und nun nehmen Sie ein Glas Wein zu sich."

Madeleine konnte das nicht verweigern. Die tiefe Stille des Ortes und der Ge­danke an die bevorstehende Feierlichkeit übermannte sie, und sie füchtete in Thränen auszubrechen. Sie trank den Wein, und der Graf von Hantowers führte sie dann hinauf nach dem Kranken-, oder vielmehr nach dem Sterbezimmer.

Es war ein geräumiges und schönes Gemach, mit Notwendigem und Ueber- flüssigem reich versehen. Auf den Tischen und auf dem Kaminsims standen brennende Wachslichter. Eine Wärterin saß hinter den schweren Seidenvorhängen des Bettes, auf welchem der Bräutigam, von aufge­häuften Kissen unterstützt, lag.

Er war ein Mann von mehr als fünf­zig Jahren, der früher von stattlicher Er­scheinung gewesen sein mußte; aber jetzt hatten Krankheiten ihn zerstört, und der Schnitter Tod wartete auf ihn. Das sah man an der bläulich weißen Blässe der Züge, an den eingesunkenen Wangen, hohlen Augen und den durchsichtigen, ab­gezehrten Händen, welche auf der Daunen­decke lagen.

Als Madeleine ihn erblickte, ergriff sie ein fröstelndes Grauen.

Mut, meine Liebe!" flüsterte Lord Hantovers.

Verlassen Sie sich auf mich," erwiderte sie in gleichem Tone, aber sie wandte ihre Augen ab. Als sie es that, fuhr sie zu­sammen, denn sie gewahrte jetzt erst einen Geistlichen in seinem weißen ' Chorhemd, der an der anderen Seite des Bettes vor einem von brennenden Wachskerzen er­leuchteten Tische stand, auf dem ein auf­geschlagenes Gebetbuch lag.

Es war der Trau-Altar für die selt­same Hochzeit. Als der Graf bemerkte, daß der Sterbende ihre Gegenwart gewahr wurde, trat er mit Madeleine auf ihn zu.

Da sind wir, teurer Freund," sagte er.

Lord Braisemere steckte seiner Braut die Hand entgegen. Sie legte die jihrige hinein, und nur mit Mühe gelang es ihr, einen Schauder vor der eisigen Kälte der Berührung zu verbergen.

Ich danke Ihnen," sagte der Sterbende mit schwacher Stimme,daß sie mir Ge­legenheit geben, das Unrecht wieder gut zu machen, das ich unwissentlich beging."

Vollkommen unwissentlich, Mylord," erwiderte Madeleinc, ihre Aufregung be- meisternd.Nicht der geringste Tadel kann Sie treffen."

Sie sind ein Engel! Das sagt Ihr Angesicht auch ohne Worte."

Wie fühlst Du Dich jetzt?" fragte der Graf.Sehr schwach; meine anscheinende Kraft ist trügerisch von Reizmitteln und meiner Aufregung erzeugt. Laß die Zere­monie vor sich gehen. Ich werde mich nicht eher ruhig fühlen, als bis sie vorüber ist. Hantovers, wirst Du nach meinem Tode dies arme Kind, meine Witwe, in Deinen Schutz nehmen?"

Ich werde sie als meine Tochter be­trachten, Braisemere."

Die beiden Freunde drückten sich die Hände; dann gab der Graf dem Priester ein Zeichen, und die Trauungsfeierlichkeit begann.

Es war ein ergreifender Moment: das eigentümliche Licht der Wachskerzen, das schwerverhangene Bett, das totenbleiche Gesicht des Sterbenden darauf, die tiefe Stimme des Priesters, der nach dem schönen Ritus jene Gelübde verlas, die niemals erfüllt werden sollten. Mit Mühe bezwang sich Madeleine, um nicht in lautes Schluchzen auszubrechen. Thränen überströmten ihre Wangen, und sie war einer Ohnmacht nahe, als die tötlich kalten Finger Lord Braisemere's von des Grafen Hand geführt, ihr den Ring an den Finger steckten.

Endlich wurden die Schlußworte ge­sprochen, der Geistliche schloß sein Buch und die Feierlichkeit war vorüber. Lord Braisemere und Madeleine waren Mann und Frau. Er hielt noch ihre Hand und zog sie zu sich. Sie bemerkte eine Ver­änderung in seinen Zügen; der Todes­schweiß sammelte sich in schweren Tropfen auf seiner Stirn.

Madeleine," sagte er mit schwachem Lächeln,eines Tages wirst Du dies Fest noch einmal, Deiner Tugend und Schön­heit angemessener, feiern. Du wirst nicht lange in meinen Fesseln schmachten."

Ich erkenne Ihren Edelmut," sagte sie schluchzend.Und ich werde Ihnen mein ganzes Leben eine liebende Verehrung weihen."

Ich danke Dir. Wird mich mein - Weib nun auch umarmen?"

Sie neigte sich über ihn, und ihre Lippen berührten sich.

Mein Gemahl!" flüsterte sie.

Mein Weib!" sagte er und wollte seinen Arm um sie legen, aber er vermochte! es nicht mehr.Führt sie hinweg!« i flüsterte er dem Grafen zu;das ist kein! Anblick für sie; und bringt mir da» ^ Testament; schnell schnell!" ;

Lord Hantovers richtete Madeleine ans! Sie leistete keinen Widerstand, denn sie war in Ohnmacht gesunken. Sanft und voll Mitleid trug er sie in ein anstoßendes Zimmer, aber die Ohnmacht widerstand lange Zeit allen belebenden Mitteln.

Als sie das Bewußtsein endlich wieder- gcwann, war Lady Madeleine Braisemere eine Witwe.

(Fortsetzung folgt.)

Als der Bischof Kopp kürzlich in Hat­tingen i. W. die Firmung spendete und abends die Häuser illuminiert waren, hatte ein Israelit, um es mit keinem zu ver­derben, die Bilder des Papstes, Martin Luthers und des Fürsten Bismarck ausge­stellt und das Transparent darunter an­bringen lassen.

Wir glauben all an einen Gott,

Heut lebe hoch der Bischof Kopp."

(Ein guter Kunde.) A.: Ich möchte gern Hanf-Couverts kaufen was kosten > sie? B.: Das kommt ganz darauf an, X wie viel sie nehmen; bei Abnahme von ) 100 L-tück kostet das Tausend ^ 5.00 V bei 1000 Stück 4,50, bei 3000 Stück 3,90, bei 10,000 Stück 3,40 .... A. (unter­brechend) : Entschuldigen Sie. . . und wie- ! viel muß ich nehmen, daß sie gar nichts k o st e n?

Wie dieNowoje Wremja" meldet, hat General Kaulbars den Zaren um die Erlaubnis gebeten, seinen Namen aus dem Deutschen ins Russische übersetzen und sich demgemäß fortanJorsch" so heißt in Rußland der Kaulbars nennen zu dürfen.

Der Zar ist damit einverstanden und will ihm aus besonderer Gnade für seine er­folgreiche Thütigkeit in Sofia noch den Beinamen Svfiascow verleihen.

(Bayerische Wehr und Waffen.) Aus Amorbach wird lakonisch berichtet, daß bei Gelegenheit des jüngsten sogenannten Herbstmarktes eine Rauferei stattge­funden habe. Der Militarpensionist Setzer wollte einem Freunde zu Hilfe kommen, wurde aber- mit einem Bierfasse tvtgesch lagen.

(Harter Winter?) Eine alte Bauern­regel besagt im Monat Oktober:Wenn der Eichbaum noch sein Laub behält, so folgt im Winter strenge Kält." Darnach hätten wir einen harten Winter zu er­warten , denn die Eichbäume prangen gegenwärtig noch in schönem Grün.

W ä t f e c.

Nicht Jeder hat's,

In der Wiege ruht's,

Der Herr befiehlt's,

Der Diener thut's.

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.