in der nächsten Umgebung, welche davon berührt wird, überall dieselben Huldigungen und Feststimmung.
Der Umzug derLandleute hat in gewissem Sinn alles andere in Schatten gestellt. In den Gemeinden rings um Straßburg sind seit Wochen Vorbereitungen für den Umzug gemacht worden. Die schönsten Mädchen, die flottesten Burschen wurden überall herausgesucht. Fast eine Stunde lang sprengt Schar um Schar vorüber und rollen die Wagen der Gemeinden. Wohl 60 Wagen mit eben so vielen Reiterhausen mögen es gewesen sein. Nicht alle Wagen waren nur im Allgemeinen geschmückt; eine Reihe von ihnen zeigte die verschiedenen Arten des landwirtschaftlichen Betriebes und des ländlichen Lebens.
Am Dienstag besuchten der Kaiser, die Kaiserin, der Kronprinz und zahlreiches Gefolge die Münsterkirche. Nachdem der Kaiser auch die berühmte Uhr angesehen, fuhr er zum Statthalterpalast zurück, wo Empfang des Ministeriums, des Staatsrats, des Bischofs, des Präsidenten des Direktoriums der protestantischen Kirche re. stattfand.
„Es darf," schreibt man der „Voss. Ztg." „behauptet werden, daß bis auf einen kleinen Bruchteil alle Klassen der Bevölkerung von einer wahrhaften Feststimmung ergriffen sind, die bei den meisten erheblich vergrößert ist durch den Dank dafür, daß der Kaiser noch einmal nach Straßburg gekommen ist. Wenn beim Einzug von 1879 noch manch elsüssisches Haus ohne Schmuck blieb, heut sind die zu zählen, welche sich ausschlossen." Auch über die Haltung der Truppen herrscht untern den Elsäßern nur eine Stimme des Lobes, und das glänzende Schauspiel war nach übereinstimmenden Berichten von mächtiger Wirkung auf das Publikum. Der Glaube an die Rückkehr der Franzosen verliert allmählich jeden Boden.
Turnvater Jahn's Leben und Wirken.
VI.
Im Jahre 1816 erschien die mit E. Eiselen gemeinschaftlich bearbeitete Schrift: „Deutsche Turnkunst", ein herrliches, mit Freuden begrüßtes Buch, von dem gesagt wurde, daß es wie sein Verfasser aus einem Guß sei.
Auch als sich Verdächtigungen gegen das Turnen erhoben, konnte dadurch das Vertrauen der Behörden zu Jahn, ihre wohlwollende Stellung zur Turnkunst nicht beirrt werden. Nur mit dem Lauf der politischen Dinge, mit der Gestaltung des deutschen Bundes, statt der Wiedergeburt eines ehrwürdigen deutschen Reiches, war Jahn keineswegs zufrieden und machte hieraus auch kein Hehl. — Im Jahre 1817 hielt er vor einem großen Kreise von Zuhörern aus allen Ständen öffentliche Vorträge über das deutsche Volkstum. „Für König und Vaterland" schloß er dieselben, „werde ich keinen Gedanken zu kühn, keine Vorarbeit zu groß angelegt, keine Anstrengung zu beschwerlich, keine That zu mühevoll und zu gewagt und kein Opfer zu groß halten. Gott segne und schirme das Vaterland, mehre die Deutschheit, läutere unser Volkstum, binde den Bund zum neuen Reich und verleihe gnädig uns bald — das Eine was not
thut — eine weise Verfassung. Die Universitäten Kiel nnd Jena verliehen ihm für diese Vorlesungen das Doktor-Diplom. — Aber bereits zogen die Wolken herauf, die Jahns Glück trüben und schließlich vernichten sollte. Hatte schon seine kühne und oft rücksichtslos derbe Sprache in den Vorlesungen bei Einzelnen Anstoß erregt, so daß er 1818 nur in seiner Wohnung, im Kreise ihm Befreundeter, weitere Vorlesungen halten konnte, so erregten die Vorkommnisse auf der Wartburg mit der bekannten Verbrennungsscene mißliebiger Bücher, der Jahn übrigens nicht ferne stand, bei den Verfassern großen Zorn und bei den Regierungen nicht geringen Anstoß. Auch die heftigen Angriffe auf das Turnen, die ausgebrochenen Turnstreitigkeiten zu Breslau erreichten allmählig ihren Zweck, das Turnen verdächtig zu machen. Und nun ereignete sich das Schrecklichste, die Ermordung des Schriftstellers und Dichters Kotzebue durch den Studenten Sand, der in ihm den Vaterlandsverrüter sah. Mit diesem Ereignisse brach die Zeit herein, in der Jahn am schwersten leiden sollte. In der Nacht vom 13.—14. Juli 1819 wurde er an dem Krankenbette seines Kindes verhaftet und auf die Festung Spandau und von da sogar in Ketten nach Küstrin geführt. — Wir gehen rasch über diese Zeit hinweg und wollen nur berichten, daß sich Jahns Unschuld erwies. Endlich am 15. März 1825 wurde Jahn wieder frei, er hatte selbst eine meisterhafte Verteidigungsrede verfaßt. Ec durfte sich seinen Aufenthaltsort wählen, aber weder in Berlin und im Umkreis von 10 Meilen, noch in einer Universitäts- oder Gymnasialstadt und blieb unter polizeilicher Aufsicht. Ec zog nach Freiburg an der Unstrut. Im Jahre 1838 brannte das Haus nieder, in dem er wohnte. Er war gerade mit seiner Gattin nach Kölleda gereist. Als sie zurückkehrten, fanden sie an der Stelle des Hauses einen Aschenhaufen. Alles war verbrannt, auch die unersetzlichen wertvollen Handschriften, die Jahn für seine bereits begonnene und mitverbrannte Bearbeitung des 30 jährigen Krieges erworben hatte. Da erinnerte man sich wieder des Turnvaters. In ganz Deutschland wurde bei den Turnern für ihn gesammelt. Bon den eingegangenen Geldern erbaute Jahn sich sein eigenes Haus. Er führte in Freiburg ein ruhiges Stillleben, er war zwar noch immer lebendig und frisch — „älter aber nicht kälter" war sein Wahlspruch — aber die frühere Geisteskraft war durch die Haft gebrochen. Auch die wenigen Schriften aus seiner späteren Lebenszeit zeigen nicht mehr die frühere geistige Spannkraft. Erst mit dem Regierungsantritte König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen im Juni 1840 wurden die Beschränkungen Jahn aufgehoben; auch erhielt er das bis dahin vorenthaltene, 27 Jahre vorher verdiente eiserne Kreuz. Im Jahre 1844 reiste Jahn zum Jubiläum der Schule nach Salzwedel. Dort auf dem Turnplätze sprach er jene bekannten Worte: „Das Turnen, aus kleiner Quelle entsprungen, wallt jetzt als freudiger Strom durch Deutschlands Gauen. Es wird künftig eine verbindende See werden, ein gewaltiges Meer, das schirmend die heilige Grenzmark des Vaterlandes umwogt." — Der Völkersrühling 1848 führte Jahn
noch einmal in die Oeffentlichkeit. Mit j froher Hoffnung begab er sich zur Frank- > furter Nationalversammlung; er glaubte seinen Lebenstraum erfüllt: „ein einiges ! Deutschland unter einem deutschen Kaiser." ^ Doch er mußte tief gebeugt nach Freiburg zurückkehren, seine Pläne sind zu Nichte ge- ! worden. '
Am 15. Oktober 1852 ist Jahn gestorben; Frau und Tochter umstanden sein Sterbebett. Der einzige Sohn weilte in fremdem Weltteile! So ging er dahin, der , getreue Eckart der Deutschen, der Turn- > vater Jahn, dessen Gedächtnis die deutsche ! Jugend stets in Ehren halten möge. Auch z ihm ist es ergangen, wie schon vielen großen Männern: der Neid und die Miß- ! gunst haben ihm sein Verdienst geschmälert; ' doch es hat sich auch wieder bewahrheitet, was Jahn selbst in seiner Schwanenrede ; gesagt hat: „Die Nachtwelt setzt jeden in j sein Ehrenrecht ein, denn der Geschichte ! Endurteil verjährt nicht und brachte noch s allemal für verfolgte Tugend den Frei- ; spruch." j
Auf dem Turnplätze in der Hasenhaide j s zu Berlin erblicken wir das Standbild !: eines Mannes. In Erz ist es gegossen ! und ehern ist die ganze Gestalt, fest und gewaltig, groß und selbstbewußt, in vor- 's schreitender Stellung die geballte Rechte ; auf einen knorrigen Eichenstamm gelegt, l die Linke in die Hüfte gestützt. Auf breiten l Schultern erhebt sich der Kopf mit dem s wallenden Barte, dem mächtigen, kahlen i Schädel, der Blick ist drohend in die Ferne l gerichtet. Und wenn dieses Standbild auch nicht das des Turnvaters Jahn wäre, wir !! würden doch näher treten, denn es ist ein ; tüchtiges Werk und würdig reiht es sich j all den herrlichen Denkmälern an, die man > in der Stadt sieht und bewundert. Und ! Eines besitzt das Denkmal in der Hasen- " Haide, dem kein anderes in Berlin, ja in der ganzen Welt, ähnliches zur Seite stellen kann — das ist der Unterbau, auf den sich sehr bald der staunende Blick des Be- i schaucrs senkt. Eine Masse von Gesteinen j mannigfachster Formen ist hier zusammen- > gesetzt zu einem Felsengrunde, so bunt und j wirr, so eigenartig, daß das Auge anfangs j wie ratlos von einem Steine zum andern fs irrt, bis cs endlich die ordnende Künstler- s Hand erkennt. Diese Steine sind die Gabe», f welche die deutschen Turner für das Denk- f mal dargebracht haben. Nicht nur in den deutschen Bergen sind sie gebrochen, auch aus fernen Weltteilen sind sie von den Turnern hcrgesandt worden, damit aus ; ihnen ein Malhügel emporsteige, auf dem ! der alte Jahn fest und sicher für alle Zeit ; ruhen könne. Ein Beweis der Dankbar- s keit gegen den Vater der Turnkunst soll der Malhügel sein, zugleich aber ein sichtbares Zeichen, daß alle deutschen Turner, ob sie im Baterlaude oder in der Ferne weilen, ein festes Band umschlingt! Lanz, oas Dörflein, in dem Jahn geboren wurde, Berlin, die Stätte, an der er gewirkt, Freiburg, der Orr, in welchem er seinen Lebensabend beschlossen, sind durch Denkmäler der Nachwelt bezeichnet, unzählige Turnhallen sind mit seiner Büste oder seinem Bilde geschmückt. Wie viele Männer unseres Vaterlandes dürfen sich solcher Auszeichnung rühmen?
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.