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stimmend, doch vorherrschend ernster blieb, als die übrigen. Sie hatte fast das Ge­fühl eines Unrechts gegen ihn, weil sie ihm ein ihr so angenehm erscheinendes Amt heut entwunden ach! das war die Sehnsucht, welche lange auf dem Grunde ihrer Seele geschlummert, jemand zu haben, für den sie sorgen dürfe, sie ganz allein.

Eckhart war freundlich und jedenfalls nicht empfindlich über ihre Räuberei; aber sie fieng doch mitunter einen sorgenvollen Blick auf, den er auf den heute so Wohl und strahlend aussehenden Freund warf, und sie erklärte ihn natürlich als Furcht vor schädlicher Wirkung dieser größeren Anstrengung. Sie selbst suchte zu ver­hindern, daß Waldow zu viel spreche; er schien auch mit dem Maß seiner Kräfte haushälterisch umgehen zu wollen, denn er ließ sich genügen an der meist etwas leiser geführten Konversation mit seiner Nachbarin. Nur einmal erschrack sie ein wenig, als er plötzlich lächelnd an sein Glas schlug und in der allgemeinen ge­spannten Stille, welche nun eintrat, in launiger Weise sein Sitzenbleiben moti­vierend auch seinen Trinkspruch darbrachte. Sein von der Wärme des Wortes leicht überflogenes Antlitz wandte sich zu Hilde­gard, ihre Gläser klangen an einander, es gab einen Hellen Klang.

Die Tafel ward aufgehoben.

Wann reisen Sie?" flüsterte Waldow Hildegard zu, als sie Abschied nehmend neben ihm stand.

So wissen Sie noch nicht," entgegnete sie ein wenig verwundert,daß Papa allein reist, wir Schwestern bleiben bei der Tante während ihrer Kurzeit."

Waldows Hände zitterten merklich, und ein plötzliches Erbleichen, deutliche Anzeichen einer ungewöhnlichen Aufregung, flog über sein Antlitz. Hildegard beugte sich besorgt über ihn.Wenn Ihnen nur das Sprechen und die lange Tischsitzung nicht geschadet," sagte sie mit einer Stimme, der man tät­liche Angst anhörte.

Nein, nein, es war die Ueberraschung," flüsterte er fast unhörbar, und suchte sich

gewaltsam zu beherrschen,es-cs

übcrmannte mich."-

Zagend und unschlüssig dachte Hilde­gard nicht daran, ihre H"iid aus der Waldows zu ziehen, welche er noch immer wie im Traume hielt.

Es ist die höchste Zeit für Dich, Heinz," ertönte jetzt Eckharts Stimme fast rauh gebieterisch,es war reichlich viel für heut."

Hildegard fuhr empor, und ein finsterer Blitz aus Eckharts Augen streifte sie flüchtig.

Adieu! auf Wiedersehen!" erklang es von Waldows Lippen, der glückliche Aus­druck lag wieder auf seinem Gesicht.

Am andern Tage reiste der Staats­anwalt ab. Hildegard nahm mit beklom­menem Herzen Abschied vom Papa; sie war doch schon öfter und längere Zeit von Heimat und Eltern entfernt gewesen, aber es war ihr diesmal, als ob zwischen dem Trennen und Wiedersehen ein Abschnitt ihres Lebens läge, der noch dunkel und unbestimmbar auf dem Rade des Schicksals festgehalten ward.

Indessen die folgenden Tage, ja die ersten zwei Wochen ihres Aufenthalts bei der Tante verstoßen ruhig, heiter und in gewissem Sinne ereignislos. Es war selbst­verständlich , daß nach dem innigen gegenseitigen Aneinanderschließen sie das Freundeskleeblatt so ziemlich überall trafen, wo sie sich blicken ließen. Tümmler eilte dienstfertig von hüben nach drüben, um die täglichen Verabredungen einzuleitcn und festzustellen. Die Tante war vom ersten Tage an ganz in den allgemeinen Enthusiasmus mit hineiugezogen, und ihr mitleidiges Herz hatte die wärmsten Sympathien für Waldow und Eckhart.

Sonnenhelle Nachmittage wurden ver­bracht bei der Musik auf dem Kurplatze und Waldows Befinden besserte sich so merklich, daß er nicht nur täglicher Teil­nehmer der Gesellschaft sein konnte, sondern daß ihm der Arzt auch die sichere Hoff­nung auf eine fernere, wenigstens schmerzens- freie Existenz gab. Er war zufrieden damit und dankbar. In dem Rollstuhl von seinem treuen Diener geführt, beteiligte er sich schon an weiteren Ausflügen, und die schöne Luft übte die günstigste Wirkung auf seine von dem langen «Siechtum er­schlafften Züge und zauberte die Farbe der Gesundheit und neues frisches Leben auf das fein und edel geschnittene Gesicht zurück.

Es war allmählich stilles Ueberein- kommen geworden, daß Hildegard ihren Platz an seiner Seite einnahm, ihm den Kaffee oder Thee zurecht machte, in ihrer praktischen geräuschlosen Weise um ihn beschäftigt war. Eckharts unerklärlich rauhes Wesen am Schluffe jenes Tages wiederholte sich nicht, obgleich es Hildegard noch immer scheinen wollte, als ob er den Freund reichlich ängstlich hüte auch vor ihrer Nähe und einem innigeren Verkehren abhold war. Indes er kam in verbindlich zuvorkommender Weise ihr wieder entgegen, wo es die Gelegenheit zuließ, und da er stets die andere Seite neben dem Freunde einnahm, so ward es meistens eine trau­liche Privatunterhaltung zwischen den Dreien, welchen es nie an sie gleichermaßen interessierendem Stoff fehlte, während die Tante, Agnes und Tümmler ein zweites Trio bildeten, wo leichtere Themata, harm­lose Scherze und sprudelnder Jugeudüber- mut vorherrschten. Man vergaß in solchen Stunden das Geschick der Invaliden. Be­sonders Waldows reicher Geist entfaltete sich im Feuer der Rede und wirkte so sasselnd und anregend auf seine Zuhörer, daß die körperliche Hilflosigkeit ganz in den Hintergrund trat.

(Fortsetzung folgt.;

(Reminiszenzen von Friedrich dem Großen.) Wie Friedrich der Große über das Duell dachte. Als Graf von Chafot, ein zu dem näheren Freundeskreise Frie­drichs II. gehöriger Offizier, das Unglück hatte, im Duell seinen Gegner durch einen Säbelhieb zu töten, geriet der König in solche Entrüstung, daß er seinen bisherigen Günstling mit den Worten verabschiedete: Ich liebe tapfere Offiziere, aber Scharf­richter kann ich in meiner Armee nicht ge­brauchen!" Unter der Regierung Frie­drichs des Großen hatte Jemand nicht

ganz mit Unrecht einige mißliebige Aeußer- nngcn über den Berliner Magistrat fallen lassen. Dieser verklagte den Beleidiger beim König und Friedrich schrieb an den Rand der Beschwerdeschrift:Wer Gott lestert ist eyn Narr; wer den König schimpffet, sol's frei thun können, ich habe clo wa park nichts dagegen; wer aber den Hoch- und Wol Löblichen Magistraht vcr- schimpffiret, muß aufs Scherffstc bestrahft werden. Der Kujon soll tout äo suite nach Spandau, er hat eine halbe Stunde Festungshaft".

(Wörtlich.) Friedrich der Große pflegte alle Morgen eine Viertelstunde auf der Terrasse hinter dem Schlosse in Potsdam zuzubringen und sich bisweilen ein paar Augenblicke mit dem dort Wache halten­den Grenadier zu unterhalten. Einst, zu Anfang des Frühlings, als eben Tau­wetter eingetreten war und der Schnee zu schmelzen begann, sagte ein Grenadier, salutierend, bei dieser Gelegenheit zum König:Majestät, der Schnee geht weg." Das ist recht gut," entgegnete der Monarch. Am andern Morgen ward ihm rapportiert, daß der Grenadier Schnee desertiert sei und einen Zettel zurückge- lassen habe, des Inhalts:Ich habe dem Könige selbst meinen Abgang angezeigt und er hat denselben gut geheißen." Friedrich sprach lachend:Es ist wahr, er hat mir's selbst gesagt; schafft mir den Kerl wieder, es soll ihm nichts geschehen."

(Findigkeit der Post.) Vor einigen Tagen lief bei der Darmstädter Post ein Brief aus Frankreich ein mit der Adresse: Monsieur Mombach-Mayence, Iggelheim, Semd, Aschaffenbourg ä Darmstadt. Durch einen glücklichen Gedanken kam die findige Post darauf, daß der Brief wohl für die Firma Heinrich Keller Sohn in Darmstadt bestimmt sei, welche in den genannten Orten Filialgeschäfte (Klenganstalten) be­sitzt. Es erwies sich diese Vermutung als richtig; der geographiekundige Franzose hielt die obigen Städtenamcn für die Firma, auf deren Preislisten es heißt: Heinrich Keller Sohn, Klenganstalten zu Mombach re. rc."

(Erzielung großer Selleriekiiollcn.j Große Sellerieknollen erhält man, nach Beruh. Uhlemauns Mitteilung in den Fraueudorfer Blättern, dadurch, daß ma» die ganzen Blätter einer Pflanze etwa 3 bis 4 Zoll über der Erde zusammcnbindct, jedoch nicht so fest, daß das Bindematerial in die Blattstiele einschueidet. Dadurch wird die übermäßige Blattbildung ver­hindert und die Stoffe, welche zur weiteren Blattbildung nötig waren, kommen den Knollen zu Gute. Jedoch darf das Ver­fahren nicht zu früh angewcndet werden, sonst würde die ganze Pflanzung zu Grunde gehen oder wenigstens keinen nennens­werten Ertrag liefern. Die Manipulation des Bindens nimmt man zu der Zeit vor, wo man sonst die zur Erde geneigten Blätter entfernt.

Geldkurs der K. Staatskassenverwaltimg vom 15. September 1886. 20-Frankenstücke: . . . 16 -/L 12^

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Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neue