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Baterlandsfreunde fehlte ihm nicht; die Staatsbehörde, den patriotischen Zweck des Turnens würdigend, bewies ihm ihr Wohl­wollen. die große Menge staunte das un­gewohnte Treiben an, verriet lebhafte Teilnahme. Und was war das für ein herrliches, fröhliches Leben auf dem Turn­plätze, wie wußte Jahn die Jugend zu be­leben, zu packen, zu begeistern! Wie ver­stand er die Massen zu leiten, Ruhe und Ordnung unter ihnen zu erhalten! Wie schaarten sich die Turner um ihn, wenn er ihnen von dem deutschen Vaterlande, von den deutschen Helden erzählte. Eine wunderbare Zaubergewalt lag in seinem geringsten Thun und Treiben wie Reden, in seinem ganzen kerngesunden männlichen Wesen. Wer damals an den Schranken jenes ersten Turnplatzes in der Hasenhaide bei Berlin dem regen Treiben der dort vereinigten Jugend, den eifrigen Uebungen und Gesängen, dem eigentümlichen, kräftigen und traulichen Walten ihres Lehrers und Meisters mitten unter ihnen zusah, mußte sich wohl gestehen, daß eine solche Er­scheinung auf dem Gebiete der Pädagogik noch nicht dagewesen war. Die Freund­schaft, die zwischen Jahn und Friesen be­stand, verglich ein gemeinschaftlicher Freund mit der zwischen Achilles und Patroklus. Ein lieblicher Anblick war es, der bild­schöne ritterliche Mannjüngling neben dem raschen, gewaltigen Jahn mit frühkahlem Scheitel, aber immer beredtem Munde. Allerdings stimmen nicht alle Zeit­genossen in dieses begeisterte Lob Jahns. Man stieß sich besonders in den vor­nehmeren Kreisen an dem Mangel feinerer Lebensformen. Seine ungeschminkte Rede­weise, sein derber Witz erfuhr vielfachen Tadel. Jahn war eben ein Mann des Volkes und wollte nichts weiteres sein. Nach dem Umgänge mi-t Hochgestellten sehnte er nicht. Und doch bildete dieser Mann, der einfache Privatlehrer ohne Titel und Stellung, zu jener Zeit einen Mittelpunkt .der vaterländischen Bestreb­ungen in Berlin, ja weit über Berlin hin­aus. Dieser Ruhm wird ihm nie ge­schmälert werden können. In seiner dürftig ausgestatteten Stube trafen sich Schüler, Studenten, Beamte und Offiziere. In ihr wurde der Grund gelegt zu dem alle Vaterlandsfreunde und Franzosenfeinde in sich vereinigendendeutschen Bund."

(Fortsetzung folgt.)

Ausland.

Die beiden in Zentralasien mit einander rivalisierenden Mächte Ruß­land und England, fechten dort gegen­wärtig eine Art Eisenbahnkampf mit ein­ander aus.

Die Christenmassenmorde in Co chin- chin a und An am bilden ein dunkles Blatt in der neueren Geschichte der fran- zösichen Herrschaft in Ostasien. Denn selbst den angestrengtesten Bemühungen der französischen Regierung ist es bis jetzt nicht gelungen, diesen Greuelscenen Ein­halt zu thun und das ist im Grunde ge­nommen für Frankreich, welches so gern als die christliche Vormacht im östlichen Asien aufspielt, doch recht beschämend.

Nach den sieben Todesurteilen, welche unerschrockene Geschworene in Chicago über Anarchisten gefällt haben, scheint auch

der Kopf Johann Mosts, des Häupt­lings der anarchistischen Verschwörer in den vereinigten Staaten von Amerika, nicht mehr sicher. Es heißt, bei den Ver­handlungen in dem Chicagoer Prozeß sei unzweifelhaft erwiesen worden, daß Most, der gegenwärtig in einem New-Iorker Zuchthause sitzt, der Anstifter des Chicagoer Anarchistenaufstandes gewesen sei und daß die dortigen Behörden, sobald sein Straf­termin abgelaufen, seine Auslieferung ver­langen würden.

Misst-llkn.

An ^ .

Novelle von Alexander Römer.

(Fortsetzung)

Hildegards Blick war sinnend nach innen gerichtet.Ich verstehe und be­greife es ungefähr," sagte sie,die äußere Welt ist ihm ferner gerückt, er kann keinen so großen Teil mehr an ihr haben, da geht ihm die innere um so klarer auf; und ist der Verlust so groß, wenn der Gewinn mit in die Wage fällt? Sie sprachen vonZerstörung eines vollkommenen Menschenbildes" das Wort ist fast zu hart, zu weit umfassend. Der Spiegel einer großen edlen Seele blieb auf dem unzer- störten Antlitz haften, und das Gottesabbild in der Kreatur tritt aus dieser gebrochenen Gestalt reiner und geklärter vor der Menschen Auge."

Eckharts Blicke ruhten bewundernd auf der lieblichen Mädchenerscheinung, in deren Zügen ein Strahl warmer Begeisterung erglühte.Sie sind ein deutsches Mädchen in des Wortes ächtester Bedeutung," sagte er;Ihr patriotisches Gefühl überträgt den Berklärnngsschimmer von der heiligen Ursache auf die bittere Wirkung, welche aber immerhin in einer nüchternen Wirk­lichkeit traurig genug dasteht."

Sie alle machen mir keinen traurigen Eindruck," erwiderte Hildegard offen,und Mangel an Mitgefühl ist das nicht."

Eckhart ergriff in unwillkürlichemDrange ihre Hand und küßte sie ehrfurchtsvoll; sein Auge leuchtete.

Unterdes hatte Tümmler dafür gesorgt, daß Agnes selbst auf dem Kirchhofe jeder ernste Eindruck fern blieb. Letztere er­klärte später, sie habe noch nie so viele Witze in unmittelbarer Reihenfolge gehört, und Helles Lachen tönte oft in die ernste Unterhaltung der Vorangehenden hinein. Auf dem Neroberg ward ein Frühstück eingenommen, und Tümmlers Laune »er­stieg sich oft so weit, daß er mit einer heimlichen Neigung für Poesien zu Tage trat, und sich heut' vollständig inspiriert erklärte, ein Gedicht auf die Damen zu verfassen. Er zog sich mit dem gefüllten Glase, in dem goldener Johannisberger blinkte, zurück an ein Nebentischchen und strömte heroisch seine Schwärmerei in Reimstrophen aus, welche von Agnes wenigstens sehr gnädig ausgenommen wurden; es war das erste Gedicht, welches ihr huldigend zu Füßen gelegt ward.

Der Mittag versammelte alle im Hotel, wo Wellbergs Quartier genommen, und eine freudige Ueberraschung wartete ihrer, als sie eintraten in den Speisesaal. Wal-

dow saß in seinem Rollstuhl bereits U der Tafel und hatte Plätze für sie belegt Sein Antlitz strahlte vor Vergnügen; dn Staatsanwalt ergriff in lebhafter Freud, seine beiden Hände und drückte sie herz­lich , Tümmler erklärte in übermütige, Lustigkeit das ganze Arrangement für sei« Werk; er habe den Doktor gewonnen, de» Damen nichts verraten und alles nutz wirkungsvollste in Scene gesetzt. Nu, Eckhart erschien auf einmal wieder merl- würdig schweigsam.

Hildegards Platz war neben Waldm belegt, der Staatsanwalt an der ander, Seite, sie hatte dies bei der ersten Ä grüßnng sofort erspäht und schickte ,'fi mit innerer Befriedigung an, sich an seine Seite niederzulassen. Mit Befremden ge­wahrte sie, daß Eckhart, während sie einer Moment bei der Tante verweilte, die Co­verte umgewechselt. Sie sah ihn erste« an, und in der Ueberraschung des Augen­blicks entfuhr ihr der Ausruf:mein Plus war hier!"

Eine peinliche, etwas befangene Woll, flog über die Züge des Assessors. ,M dow ist an allerlei kleine Dienstleistung!, gewöhnt," flüsterte er,ich glaubte es s, besser, wenn wir tauschten."

Traurig wollte Hildegard schon nach geben, da gewahrte sie in Waldows Miener einen so sehnsüchtig gespannten Ausdrut daß sie von der augenblicklichen Empfind«; fortgetrieben, rasch in leichtem, fast scherze«! klingendem Ton erwiderte:Lassen Ä, es mich heut einmal versuchen, Ihr Am zu versehen; ich will recht aufmerken/ Die Glückstrahlenden Augen des Krank dankten ihr.

Es erwies sich in der That, daß fr der übernommenen Pflicht gewachsen m ihre Hand rückte die Kissen so bequem, s, wußte so geschickt und unmerklich ihm gerat! das zu reichen, was er brauchte, und gerat« zu rechter Zeit, daß es für einen oben flächlichen Zuschauer kaum mehr erkenntm blieb, daß ein hilfloser, noch kranker Invalid in dem muntern Kreise weilte. Sei» Antlitz war so wolkenlos heiter, seine Redl so frisch und fröhlich, seine bleichen Wange» röteten sich, ob von dem Gläschen Cham­pagner, welches der Arzt erlaubt M die ärztlichen Vorschriften zu wachen über­nahm Tümmler als Vis-ä-vis oder von dem Wiederschein der rosigen Wange» seiner Nachbarin, blieb unentschieden.

(Fortsetzung folgt.)

(Druckfehler.)Der Prinz von Batten­berg ist abgehetzt."In Bulgarin herrscht überall Begeisterung u. Rubel,' Trotz aller Umwälzungen dürfte der Friede ungehört bleiben." Mehrere gelesene thüringer Blätter bringen die Nach­richt, daß der Professor Dr. Schwer­in g er in Berlin in Folge Umstürze»-! einer Petroleumlampe mit dem auffällig hohen Schaden von einer und einer halbe» Million abgebrannt sei. Es hat hier ein­mal wieder der in den Telegraphcndrähten so oft sein Unwesen treibende tückische Kobold die Hände im Spiel. Gemeint ist der Brand des Scheveninger Kur­hauses.

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg

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