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den Nebelschleier und lies; den klarblauen Himmel mit erwärmenden Sonnenstrahlen Hindurchblicken. Erlösend zog es durch die Brust aller und wirkte mit neuer Hoffnung belebend auf die Feier mit ein. Nachdem der ansehnliche Festzug öor dem beredten Zeugen vereiulicher Thätigkeit, der Aussichtswarte, angekommen war, präludierte der Neuenbürger Liederkranz die prächtigen Strophen Mendelssohns: „Wer hat dich du schöner Wald." Der Erbauer des Werkes, Hr. Regierungsbaumcister Stahl von Calmbach-Cannstatt, tritt nun vor das Werk, erklärend: er habe die ihm gestellte Aufgabe so gelöst, wie man dasselbe vor sich habe; eine Nindenbedachung wäre richtiger, der Dauer wegen und damit der Turm aus der Ferne besser gesehen werden könne, habe man jedoch Zinkbedachung vorgezogen. Der Bau sei fest und dauerhaft und nur durch außerordentliche Witterungs-Einflüsse zerstörbar. Der Baumeister bittet den Zimmermann, den üblichen Zimmerspruch zu thun. Strecker folgt dem in folgenden gelungenen Bersen:
Zu einem wahrhaft schönen Zwecke,
Hab' ich in stiller Waldesecke
Die Warte, die man hier vollendet schaut,
Wie es der Meister vorschrieb, auferbaut.
Oft sandte ich, indes das Wert erstand,
Den Blick hinaus, hinaus in's weite Land,
Ich Hab', je höher ich gekommen,
Stets neue Wunder wahrgenommen.
Sorgsam gefügt ist nun der Bau Und raget in der Lüfte Blau,
Ob Stürme auch durch seine Glieder wehen.
Er bleibe lange unerschüttert stehen.
Non oben möge oft betrachtet sein,
Das freie deutsche Land im Sonnenschein,
Die Warte,biete ferne Rundsicht allen,
Die zu der schönen Waldesstätte wallen.
Mög' sie in jedem, der zur Höhe steigt Und dem sie ringsum Gottes Wunder zeigt,
Die Liebe zu dem deutschen Vaterlande mehren, D'rauf laßt den Zimmermeister dieses Glas jetzt
leeren.
Hr. Stahl übergiebt nun den Turm dem Schwarzwald-Verein. Der Vorsitzende des Bczirksvereins Neuenbürg. Hr. Graf v. Uxkull begrüßt die Festversammlung und feiert dankend den Hrn. Regierungs- Baumeister Stahl, der sich neben seinen vielen Berufsgeschäften der Aufgabe unterzog und das Weck in der gefälligen zweckentsprechenden Form ausführte; die Amtsversammlung, welche einen ansehnlichen Beitrag gegeben; Hrn. Re- viersörster Hirzel, dessen sachkundige, rührige Thätigkeit dem Werk sehr förderlich gewesen und die Gemeinde Schwann, welche sich so entgegenkommend erwiesen habe; ihren Ortsvorstand bittet Redner, der Sache auch ferner gewogen zu bleiben und den Turm in sichere Obhut zu nehmen. Mit dem entsprechenden Hinweis auf das eigenartige Panorama, das sich hier dem staunenden Auge ausbreitct, läßt der Hr. Graf auch den patriotischen Blick weiter schweifen. Von Ost nach West, bis hinüber zu den Vogesen sehe man in die schönen Württembergcr und Badener Lande. Wie diese als Bundesstaaten treu zum großen deutschen Reiche stehen, seie es Pflicht eines Jeden unter uns, der deutschen Einigkeit Treue zu halten re. und schließt in sinniger Weise „Das walte Gott!" — Hierauf Gesang: „Wenn der Schnee von den Alpen niedertaut." —
Auf ergangene Einladung besteigen nun die Fcsttcilnchmcr beherzt und ohne Gruseln das sichere Bollwerk, von dessen Plateform herab der Liedcrkranz dann noch das packende Lied: Die „Wacht am Rhein" erschallen läßt. — Nach genossener Aussicht gelangt man zu der Einsicht, daß etwas Bcstandsames auch nicht schaden könne und zieht ins Dorf zu weiterer Labsal, wo sich die Gesellschaft im „Adler" wiederfindct und sich bald der Rede Fluß entwickelte. Der Vorstand des Schwarz- waldvercins Sekt. Pforzheim, Hr. A. Wittum bekundet hier das gegenseitige Zusammenhalten in dem gemeinsamen lohnenden Ziele. In historischem Rückblick erinnert Redner an das in der Nähe liegende Schlachtfeld, wo sich Franzosen und Deutsche gegenüberstanden; er habe deshalb das Symbol deutscher Einheit, die deutsche Flagge auf der Turmspitze gerade heute vermißt. — Diesen Fehler entschuldigt Hr. Hirzel damit, daß bei der Kürze der Zeit nichts Taugliches zur Verfügung gestanden habe. — Hr. Pfarrer Hetterich weist mit Bezug hierauf in elastisch geschwungenem Bilde hin auf die Wacht am Berge und ans den Bergen, womit die Gefühle sympatisch wieder ausgeglichen sind. — Herr Rechtsanwalt Groß, Pforzheim verspricht indessen, dem Mangel einer deutschen Fahne abzuhelfen; die Sektion Pforzheim werde eine solche stiften und schließt mit treffenden Worten ans den bundestreuen König von Württemberg und den Großherzog von Baden. — Graf v. Uxkull gedenkt des Hrn. Oberamtmann Nestle, der als der erste den Antrag auf Errichtung des Turmes eingebracht und zum Ziel geführt habe. — Hr. Land- tagsabgcordeter Beutter spricht von der Wirkung, was das deutsche Lied vermag; in dem Moment als „Die Wacht am Rhein" vom Turm hinausgeklungen, sei so recht das Gefühl, daß wir Deutsche seien zum Ausdruck gekommen. Er spricht dem Liederkranz, der damit so wesentlich zur Feier beigetragen, seine Anerkennung aus. — Hr. Hirzel als Schirmherr des Baues dankt allen, voran dem Zimmermeister Strecker, die an demselben mit- geholfen. — Wir sind nun begierig, welchen Namen man dem Geburtstagskiude erküren wird; wir würden dabei der „Schwanner Warte" zu Gevatter stehen, von der wir im nächsten eine kleine Skizze folgen lassen werden. Für heute als Schluß folgende hübsche Verse, welche „im Auftrag" zum Besten gegeben wurden.
Feste feiern gern die Schwaben,
Das ist überall bekannt.
Aussichtstürme will man haben,
Neuerdings im ganzen Land.
Auf Degerloch, dem Hasenberge,
Zwei braucht unsere Residenz,
Das sind große stolze Werke,
Wahre Kunstdenkmale sind's.
Auch der Büchenbronner droben Seht wie luftig steht er da —
Ms ein Kunstwerk ist zu loben,
Pforzheimer Herren könnens ja.
Aber für die Schwanner Höhe Paßt ein üpp'ger Bau sich nicht,
Daß er auf den Beutel sehe,
Das.war des Vereines Pflicht.
Nur von Holze — weil's hier lustig —
Wie cs bietet die Natur,
Schmucklos, aber doch gefällig,
Klein und einfach ist er nur-
Aber wenn auch — was wir sehen,
Die Vogesen und die Hardt,
Seht die Thüler, seht die Höhen,
Sind sie nicht besonderer Art?
Wir sind stolz, daß wir erblicken Auch den Vater Rhein — noch mehr:
Oft steht man bei Wetters Tücken Ein unendlich Nebelmeer.
Heut' an seinem Wiegenfeste,
Hört ihr wie der Böller knallt?
Ihn zu schmücken nimmt das Beste Förster Hirzel aus dem Waid.
Dank sei darum dem Vereine,
Der uns diesen Turm erbaut,
Der auch drüben über'm Rheine,
Nur in deutsche Lande schaut.
Danken laßt uns dem Erbauer,
Dessen Werk nun schaut in's Thal,
In die fernste Zeit cs dauer,
Jst's von Holz auch — nicht von „Stahl". Nun laßt uns die Gläser heben,
Darauf Freunde, stoßet an:
„Hoch soll unser Schwarzwald leben,
Lange leb' der Turm von Schwann!"
Neuenbürg, 26. Juni. Wir machen auch au dieser Stelle auf das Kinderfest aufmerksam, das am Dienstag (Peter und Paul) erster Jahres-Erinnerungstag der Einweihung des neuen Schulhauses hier veranstaltet wird. Dasselbe beginnt mittags l'/s Uhr mit einem Festzug vom Schulhause ab auf den Maienplatz. Außer der Einwohnerschaft sind die sämtlichen hiesigen Vereine zur Beteiligung besonders Ungeladen.
MisMtn.
Unter dem roten Kreuz.
Skizze
aus großen Tagen von Maximilian Schmidt.
(Schluß.)
Adlerstein folgte lächelnd seinem suchenden Blick, der endlich an einer geschlossenen Portiere haften blieb.
„Du sollst das Bild Wiedersehen," sagte der Major, „und ist es Dein Wunsch, so mache ich Dir's zum Geschenk."
Er drückte leicht auf ein Glöckchen, das silberhell ertönte. Sanfte Akkorde einer Mandoline wurden in der Nähe hörbar. Da wich langsam die Portiere zur Seite und vor den Beiden stand auf einer Estrade das Bild der Großmutter, von einem prächtig geschnitzten Rahmen umgeben und lächelte ihnen zu. Es war so warm, so lebensfrisch, daß Ernst laut aufjubelte.
Doch welch ein Wunder vollzog sich hier? Großmütterchen nahm lächelnd eine Rose aus dem Strauße, den sie vor sich stehen hatte und warf sie dem überraschten Wollmann vor die Füße.
Dieser hob die Rose auf, dann sank er vor dem Bilde nieder und bedeckte die lebenswarme Hand mit Küssen.
„Dorothea!" rief er, zerstöre nicht den schönen Traum. Du kennst den Wunsch meiner Seele, wie Du meinen Namen kanntest!"
„Ich versprach Dir das Bild, willst Du es haben," fragte der Major.
„Wenn Großmüttcrchen mich haben will!" entgegnete Ernst unter flehenden Blicken zu der freundlich lächelnden Erscheinung.
„Zum Beweise, daß sie es will, steigt sie lebendig aus dem Rahmen," sagte Adlerstein, entfernte diesen und reichte seiner Schwester die Hand, um sie seinem Freunde zuzuführen.