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Arm Schulmeister in Arnlinch!

Als einZigarren und Käs" verkau­fender Geschäftsmann fühle ich mich aus gewissen Gründen veranlaßt, demschlag­fertigen" Schulmeister in Arnbach den Rat zu erteilen, sich einfach seinem Schuldienst zu widmen, statt sich um geschäftliche An­gelegenheiten zu kümmern, von welchen er nichts versteht.

Ferner glaube ich, daß es der schul­meisterlichen Würde dieses Herrn eher zu statten käme, wenn er die von sich selbst gerühmte Bescheidenheit üben würde, statt sich durch Wirtshausraufereien auszuzeich­nen, er käme dann nicht so häufig in die Lage, wegen ungebührlichen Aufführens in Wirtschaften Abbitte leisten zu müssen, wie dies nachweislich schon einigemale vor­gekommen ist. Dies, der bekannte Vor­fall auf der Ziegelhütte und der mir hier­über bekannt gegebene Konsistorial-Erlaß genügen, die Auslassungen in derEr­klärung" des gestrigen Enzth. sowie die eigene Persönlichkeit dieses Schulmeisters gebührend zu kennzeichnen.

Neuenbürg, den 29. November 1885.

Wilhelm Fietz, Kaufmann.

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Deutschland.

Die Kolonialpolitik im Reichstage.

Die Kolonialpolitik scheint auch in der kaum erst begonnenen neuen Session des Reichstages sich zu einem der Brenn­punkte der parlamentarischen Diskussion gestalten zu wollen, obwohl diesmal keiner­lei Vorlagen rein kolonialpolitischer Natur dem Parlamente zugegangen sind, oder in Aussicht stehen. Trotzdem ist schon in der zweitägigen Generaldebatte über das Reichsbudget die Kolonialpolitik von ver­schiedenen Rednern in den Kreis ihrer kritischen Bertrachtungen gezogen worden.

Für alle aufrichtigen Freunde einer zielbewußten, energischen und doch maß­vollen kolonialen Politik, wie sie unstreitig vom Fürsten Bismarck inauguriert worden ist, muß es nun betrübend sein, zu erfahren, daß die Bemühungen unseres leitenden Staatsmannes nach dieser Richtung hin bei den prinzipiellen Gegnern derselben nach wie vor auf den hartnäckigsten Wider­stand stoßen. Gleich die erste Etatslesung eben hat hiervon wieder einen schlagenden Beweis geliefert.

Die Unhaltbarkeit all' dieser Angriffe ist schon von hervorragenden politischen Preßorganen eingehend dargethan worden und beschränken wir uns an dieser Stelle nur darauf, daran zu erinnern, wie die Reichsregierung selbst durch ihre Vertreter wiederholt erklärt hat, daß sie in nächster Zeit von den Kolonien noch keinen direkten finanziellen Nutzen für das Mutterland erwarte. Dieselben sind in erster Linie angelegt, den deutschen Handel und seine Vertreter in transozeanischen Gebieten zu schützen, ihm, wie überhaupt der deutschen Gewerbthätigkeit und Industrie, neue Ab­satzgebiete zu eröffnen und den deutschen Unternehmungen in jenen Gegenden einen kräftigeren Rückhalt am Reiche zu gewähren, als dies bis jetzt möglich war.

Der Reichstag hat am Donnerstag die Anträge Reichensperger, betr. Wieder­einführung der Berufung in Strafsachen, und Lenzmann, betr. Entschädigung un­schuldig Verurteilter, an eine besondere Kommission zur Vorbereitung überwiesen. Daß in beiden Beziehungen einmal etwas geschehen müsse, wurde von den Rednern aller Parteien zugestanden und kann man uur die Hoffnung aussprechen, daß die beiden Anträge, welche im Reichstage ja wiederholt eingebracht worden sind, diesmal nicht in der Kommission begraben bleiben, sondern endlich zur praktischen Verwirklich­ung gelangen.

Berlin, 27. Nov. Der Kaiser hat sofort nach Empfang der schmerzlichen Nachricht vom Tode des Königs Alfons XII. dem spanischen Gesandten v. Benomar seine Teilnahme aussprechcn lassen; der Kronprinz hat dem Letzeren persönich einen Besuch gemacht, ebenso der Reichskanzler.

ch. I.)

Berlin. 28. Nov. Der kaiserliche Statthalter Fürst Hohenlohe begab sich als Vertreter des Kaisers nach Madrid zur Beisetzung des Königs Alfonso. In seiner Begleitung befinden sich Hofmarschall v. Kanitz und Kammerjunker v. Schlippen­bach.

Berlin, 27. Nov. In der Bud­getkommission des Reichstags wurden für die Postdampfersubvention 4 400 000 vkL bewilligt. Staatssekretär v. Bötticher be­merkte, daß man im nächsten Jahre voraus­sichtlich nicht die volle Summe gebrauchen werde. Das Material der Untersuchung über die Sonntagsarbeit wird dem Reichs­tage demnächst zugehen.

Die fünfte Fachausstellung des Vereins deutscher Blecharb eiter soll im Juni des Jahres 1887 in Stuttgart abgehalten werden. Seitens der städtischen Kollegien ist die städtische Gewerbehalle zur Ver­fügung gestellt und sonst auch möglichste Unterstützung in Aussicht gestellt worden; die Zentralstelle für Gewerbe und Handel hat ihre kräftige Mitwirkung zugesagt, die Vorstände der Handels- und Gewerbe­kammer und des Gewerbevereins in Stutt­gart haben ihre Geneigtheit zu Förderung des Unternehmens ausgesprochen uud von vielen Industriellen des Landes ist bereits das Projekt der Ausstellung mit Freuden begrüßt worden.

Württemberg.

Stuttgart, 28. Nov. Gestern Abend ist von einer auswärtigen Gerichts­stelle ein Telegramm eingelaufen, wornach ein Engländer, welcher in Australien große Unterschlagungen verübt hat, sich hier auf­halten soll, derselbe solle festgenommcn werden. Polizei - Inspektor Kern und Fahnder Seybold haben den Flüchtling nachts zwischen 1112 Uhr in einer Familienpension, woselbst er seit Montag logierte, aufgefunden und festgenommen. Ein Polizei-Inspektor aus London, von seiner Negierung mit der Verfolgung be­auftragt, ist hier eingetroffen.

Stuttgart, 24. Nov. Das Bei- piel der beiden Frankfurter Primaner, welche nach Serbien ziehen wollten, um gegen die Bulgaren zu kämpfen, hat hier einen Nachahmer gefunden. Ein 17-jähr. Schriftsetzerlehrling, Sohn eines hiesigen Schneidermeisters, hatte sich in aller Stille

ein Sümmchen von 173 aus der Kom­mode-Schublade seines Vaterszusammen­gespart" und wollte damit nach Bulgarien, umdem Fürsten Alexander zu Hilfe zu eilen", wie er in einem Briefe an seine Eltern mitteilte. Glücklicherweise gelang cs jedoch dem Vater, seinen heldenmütigen Sohn noch am hiesigen Bahnhof in dem Augenblicke einzuholen, als er ein Billet nach Wien zu lösen im Begriffe war. Der junge Held steht bereits wieder am Setz­kasten und handhabt Winkelhaken und Setz­linie, anstatt das Schwert zu schwingen.

Auf ciuer von Sr. Hoh. Prinz Her­mann von Sachsen-Weimar auf der Korn- westheimer Markung abgehaltenen großen Treibjagd wurden 120 Hasen erlegt.

Künzelsau, 27. Novbr. Heute er­schlug der hiesige Küfer Georg Burkart seine Ehefrau mit einem sogenannten Niet­hammer und erhängte sich dann im gleichen Zimmer. Die beiden Unglücklichen, seit etwa 5 Jahren verheiratet, waren beide dem Trunk ergeben nnd lebten in stetem Unfrieden. (St.-Anz.)

Ausland.

Auf dem serbisch-bulgarischen Kriegs­schauplätze hat sich während der letzten acht Tage ein vollständiger Umschlag voll­zogen. Eben noch die Jäger, sind die Serben plötzlich das gehetzte Wild gewor­den. Die feste Stellung der Bulgaren bei Sliwnitza, gegen welche die Serben vergeblich anrannten, und welche sie durch ihre rechts und links vorgeschobenen Streit­kräfte glaubten umgehen zu können, ist ihnen zum Verhängnis geworden. Ein bulgarischer Sieg auf serbischem Boden, dieser Wunsch ist dem Fürsten Alexander nun noch in Erfüllung gegangen. Ein Telegramm meldet: Die Bulgaren über­schritten am Donnerstag mittag 1 Uhr die. serbische Grenze und nahmen nach hartnäckigem Kampfe die serbische Position bei Pirot. Fürst Alexander führte das Gros der bulgarischen Armee, dessen Avant­garde sich in der Ebene bis auf 5 Kilometer Pirot näherte. Es lag den Bulgaren offenbar daran, noch einen entscheidenden Schlag zu führen, um den Feldzug als unbestrittener Sieger beenden zu können.

Sofia 28. Nov. Pirot wurde gestern nach einem den ganzen Tag dauernden Kampfe von den Bulgaren besetzt. Der Fürst zieht heute in die Stadt ein.

Sofia, 28. Novbr. Sicherem Ver­nehmen nach hat Fürst Alexander in Rück­sicht auf die Kollektivnote der Mächte, so­wie in Rücksicht auf die durch sein sieg­reiches Einrücken in Pirot gewahrte Ehre der Waffen die Einstellung der Feindselig­keiten angeordnet, um die Verhandlungen über die Bedingungen des Waffenstillstandes zu eröffnen. (F. I.)

Sofia, 29. Nov. In einem kritischen Moment während des Kampfes bei Pirot prang Fürst Alexander vom Pferde nnd wollte mit blankem Degen an der Spitze der Kolonne Vorgehen. Ein Offizier deckte ihn mit seinem Leib. Der Fürst drängte ihn zurück und erreichte seinen Zweck, daß die Bataillone vordrüngten und den Rück­zug der Serben erzwangen. (F. Z.)

Von der Konferenz hört man nicht viel Besonderes. Die ostrumelische Nuß ist noch immer nicht geknackt und sind