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Untreue des Kriegsglücks in den serbischen Depeschen herauszulesen ist. Mag auch in der bulgarischen Darstellung der letzten Kämpfe um Slivnitza manches vergrößert sein, ist es kein Zweifel mehr, daß die Serben an einzelnen Punkten empfindliche Schlappen erlitten haben. Es sind freilich Augenblickserfolge, welche den endlichen Sieg der Serben nur aufhalten werden, aber die bulgarische Waffenehre ist gerettet, und da Fürst Alexander selbst es war, der seine Truppen in diesen erfolgreichen Kämpfen in's Feld führte und sein persönliches Eingreifen augenscheinlich den Siegeslauf der Serben zum Stehen gebracht hat, so geht er jetzt, wenn auch vor- ausaussichtlich als der Besiegte, so doch nicht unrühmlich aus dem ungleichen Kampfe hervor. Es ist ein eigentümliches Schicksal, daß von den serbischen Truppen gerade diejenigen, die von König Milan befehligt werden, bis jetzt die wenigsten Erfolge aufzuweisen haben, während die Bulgaren nur da, wo ihnen die Führung des mutigen deutschen Prinzen fehlte, dem Feinde unterlegen sind.
Belgrad, 19. Nov. Widdin hat kapituliert, die Garnison ist kriegsgefangen. Auf dem südlichen Kriegsschauplätze besetzten die Serben Radomir (auf dem Weg von Küstendil nach Sofia). Die vereinigten Divisionen marschieren auf Sofia.
(S. M.)
MisMen.
Die Iran Doktorin.
(Ein häusliches Bildchen von Karl Müller.)
(Fortsetzung.)
Die Doktorin hörte nun sehr aufmerksam zu, hatte ihre andere Hand heraufgenommen und Jakob's Rechte damit erfaßt. Sie sah ihm ernsthaft in's Gesicht, allein er schien ihrem Blicke nicht begegnen zu wollen und schaute nun seinerseits fest nach der Lampe.
„Es war eine seltsame Verbindung zwischen dem alten nnd dem jungen Herzen, — eine Verbindung, welche kaum natürlich schien." fuhr der Doktor fort; „und doch war die Liebe dieses Mannes zu dem jungen Mädchen ganz edel und echt, ganz ernsthaft und wahr, und hatte sein ganzes Wesen eingenommen. Er hatte anfangs dagegen angekümpft, war aber davon überwältigt worden und unterlegen. Nur gewaltige Stürme vermögen ja die alten Eichen zu erschüttern. Kurz, der gereifte Mann liebte das Mädchen auf's innigste und bat den Himmel, es möchte ihm vergönnt werden, sie glücklich zu machen und sich dafür ihre Liebe zu gewinnen . . . ."
Henne brach ab — seine Stimme bebte, Schweiß stand ihm auf der Stirne.
— „Und sie?" fragte Julie mit einem ängstlichen Blick voll inniger Zärtlichkeit und voll Interesse, während ihre Hände die seinigen fester umschlossen.
„Es ist doch sonderbar", sagte er und versuchte gleichgültig zu erscheinen, „wie tief schon die Erinnerung an diese Geschichte mich angreift."
— „Und sie?" wiederholte Frau Henne.
„Er hielt sich für geliebt von ihr. Er
wähnte durch seine Hingebung von ihr Vergessen und Verzeihung errungen zu
haben, wegen der Ungleichheit zwischen ihnen beiden; er glaubte durch seine zärtliche Liebe ihre Zärtlichkeit gewonnen zu haben. Und alles schien auch hierauf hinzudeuten. Genug, er heiratete sie und führte sie in sein Haus, an seinen Herd, an den Schauplatz seiner ernsten, unablässigen Thätigkeit; er that in seiner derben, barschen Art alles Mögliche, um sie glücklich zu machen, um ihr die gewaltige, tiefgehende Liebe zu beweisen, die er für sie fühlte — er machte sie zu seinem Ideal, seinem Idol, seinem Liebling, seiner Hcrzenskönigin . . . ." Seine Stimme zitterte so sehr, daß er nicht fortfahren konnte.
— „Und sic liebte ihn nicht?" flüsterte sie mit unbeschreiblicher, nervöser Aufregung.
„Das will ich gerade nicht sagen; aber es trat einmal ein junger Mann in Beider Leben hinein — ein hübscher, vornehmer, gewandter, junger Mann, der allerdings eher im Stande war, die Liebe einer Frau zu gewinnen; er war gewandt und erfahren in allen Künsten, womit man Frauen blendet und ihnen gefällt. Er war ein Müssiggänger, hatte das Erobern von Fraucnherzen zu feinem Studium gemacht, und verstand sich daher meisterlich darauf, Genug, dieser junge Mann also lernte die beiden Gatten kennen, war überrascht von der Schönheit und Anmut der jungen Frau, wunderte und entsetzte sich über den Mangel an feinem Benehmen, über das derbe Betragen und die plumpe Art des Mannes, über sein graues Haar; er überredete sich vielleicht, er übe nur eine Art poetische Gerechtigkeit aus, indem er diese ungereimte Verbindung trenne, obschon der Himmel sie zusammengefügt hatte. Genug, er machte der schönen jungen Frau in bester Form den Hof, flüsterte ihr ganz neue Worte des Mitgefühls, des Bedauerns, ja vielleicht sogar der Liebe in's Ohr; er schmeichelte ihrer Eitelkeit, lobte ihre wundersame Schönheit und Anmut — was im Grunde eine leichte Aufgabe war, so köderte er sie Schritt für Schritt beinahe unmerklich an sich; so verlockte erste..."
— „Halt'! halt' ein!" rief Frau Henne entsetzt und leichenblaß, denn ein eisiger Schauer durchzuckte sie.
„Nun, so bringe Du selber die Geschichte zu Ende, Julie!" sagte er ruhig, beinahe kalt und stand auf, aber sie ließ ihn nicht los, ergriff seine beiden Hände und zog ihn wieder in den Stuhl zurück, als fürchtete sie ihn für immer zu verlieren, wenn sie ihn losließ.
— „Nein, nein Jakob!" flüsterte sie leise, hastig, ängstlich aus gepreßter Brust; „sie strauchelte nur, aber sie fiel nicht; sie wankte, aber nur einen Augenblick. Und bedenke nur, wie jung sie war, wie wenig Menschenkenntnis sic hatte! wie schlecht sie sich auf Täuschung verstand und wie wenig sie im Stande war, selber kräftig für sich und gegen sich zu kämpfen! Sie wankte nur einen Augenblick, Jakob, als ihre Eitelkeit sich geschmeichelt fühlte; denn sie war eitel, schwach und thöricht und stolz auf Aufmerksamkeiten, von denen sie anfangs nichts ahnte, daß sie nur Maske für die schamlosesten Kränkungen waren. Nur einen flüchtigen Augenblick, Jakob,
und dann kamen die Gedanken an ihre glückliche Heimat, an ihren guten, treuen, ehrlichen Gatten, an seine unerschöpfliche Güte und Zärtlichkeit, an die Liebe, die sie für ihn fühlte, denn in ihrem innersten Herzen liebte sie ihn treu und wahr und innig, Jakob — und . . . . o vergib mir, Jakob! habe Erbarmen mit mir und vergib mir!"
Die Worte versagten ihr, aber die Geberden, die ihr dabei zu Hilfe kamen, waren noch weit beredtsamer. Noch eine halbe Minute, und Julie weinte, halb aus Gram und halb aus Liebe, an ihres Gatten Busen und ihr reiches Haar löste sich und fiel wie in goldenen Wellen, wie ein wallender Mantel um seine Schulter. Und Er, er drückte sie fest an sein Herz, er küßte sie brünstig auf die reine Alabasterstirne, er küßte ihr die Thränen von den Augen, er preßte seinen Mund auf ihre Lippen und ließ ihn lange, lange dort ruhen — ein sehr, sehr glücklicher, geliebter, liebender Gatte!
„O Jakob, wie gut bist Du gewesen! wie undankbar muß ich Dir erschienen sein, dem ich alles auf Erden verdanke, wenn ich mich erinnere, daß Du mich, die Waise, die Bettlerin, heiratetest und zu Dir nahmst?!"
(Fortsetzung folgt.)
(Aus der Gesellschaft.) Im Hause des Ehepaares R. geht es meistens überaus stürmisch zu, nach außen suchen sie jedoch den Schein möglichst zu wahren. „Mein Mann", erzählte sie bei der letztenMufeums- Reunion Madame R., „meint, daß wir uns zusammen in Oel malen lassen wollen." — „Am besten bei einem Schlachtenmaler", zischelte hinter ihrem Rücken eine „gute Freundin."
Zur Bereitung eines guten Salats gehören offenbar vier Personen: Ein Geiziger für Essig, ein Verschwender für Oel, ein Advokat für Salz und ein — Wahnsinniger, um Alles gehörig durcheinander zu rühren.
(Schlucken, Schluchzen) wird durch einen plötzlich eintretenden Krampf des Zwerchfelles verursacht, wobei die Luft mit lautem Geräusche durch die Stimmritze in die Luftröhre stoßweise einströmt. Dieser Krampf ist entweder Symptom eines Magen- oder Darmleidens, oder schwere Bauchfellentzündung, oder entsteht für sich allein durch Nervenreflex, besonders bei hysterischen Personen; in leichtem Maße endlich stellt er sich auch ein nach hastigem Essen oder Trinken oder auf starke Bewegung bei gefülltem Magen. Letztere Fälle bedürfen gar keiner Behandlung oder verschwinden bei längerem Anhalten des Atems oder auf das Verschlucken kleiner Eisstücken. In andern Fällen, bei denen Erkrankung eines Organes vorlicgt, ist vor allen Dingen diese letztere zu berücksichtige»; gegen das Schlucken selbst hat man außer den narkotischen Mitteln auch auf Eis gestellten Champagner empfohlen.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.