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AS 56. Amts- Md AnzeigkölaLt für den Aezirk Kalrv. _ 75. Jahrgang.

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Samstag, -rn 12. Mai 1900.

VierteljLhrlicher «bonnementrprei« in der Stadt Mk. l lo ini Haus gebracht, Mk. 1. 1b durch dt« Post bezogen im Bezirk. Außer Bezirk Mk. 1. SS.

Amtliche NeLarmtmachurrse«.

Die Ortsirehörde«

werden beauftragt, von jedem Hagelfall auf dem oorgefchriebenen Bsrichtsformular ohne Verzug an dis K. meteorologische Zentralstation in Stuttgart Anzeige zu erstatten und den Ministsrial-Erlaß vom 5. Mai 1898 (Min.°Amtsdl. S. 188) genau zu befolgen. Calw, 10. Mai 1900.

K. Oberamt. Voelter.

Tagesneuigkeiten.

* Calw, 11. Mai. Das Konzert der beiden Pariser Schwesterkünstlerinnen Ernestine und Elmire Boucher, Violin- und KlaviervirtuofiMinen, fand gestern abend bei Dreiß statt und bot einen hier in dieser Art seltenen Kunstgenuß. Waren die Er­wartungen der Besucher hochgespannt, so übertraf die Wirklichkeit diese Hoffnungen um ein Bedeutendes. Die Konzertgeberinnen sind Virtuosinne» im vollen Sinne des Wortes. Leichte graziöse Ueberwindung aller technischen Schwierigkeiten, Durchgeistigung der Musik, voller ungetrübter Wohlklang der Harmonien und Melodien, der ganze Reichtum künstlerischer Aus­drucksmittel, verbunden mit einer temperamentvollen, den Zuhörer manchmal bis zur höchsten Begeisterung fortreißenden Vortragsweise, unterscheidet diese Musik vorteilhaft von mancher anderen Kunstmusik. Man wird gehoben, begeistert, ergriffen und zugleich an­genehm unterhalten. Die Vorträge auf der Violine umfaßten Werke von Ernst, Vieuxtemps, Beethoven und anderer großer Meister. Frl. Ernestine wußte die Zuhörer zu fesseln und zu bezaubern durch die außerordentliche Mannigfaltigkeit der Tonbildung;

wie satt und wuchtig klingt ihr voller Ton, wie weich und innig ihr Piano! Durch den großen Ton, durch die technische Beherrschung des Instruments und den geradezu hinreißenden Vortrag der Künstlerin wurden die Zuhörer förmlich entzückt und zu nicht enden« wollendem Beifall hingerissen. Aber auch die Klavier- soli waren Kunstleistungrn ersten Ranges und wurden mit unübertrefflicher Feinheit interpretiert. Heute Freitag abend werden die Künstlerinnen wiederholt concertieren und können wir den Besuch des ConzertS nur bestens empfehlen.

Ebhausen, 9. Mai. Mit einer em­pfindlichen Strafe werden 4 Walddorfer ledige Burschen ihren frevlen Uebermut zu büßen haben. Nachdem dieselben am Nachmittag des Osterfestes in Berneck ordentlich gezecht und allerlei Radau verübt hatten, gingen sie nachts thalabwärtS. Bei der Mon- hardter Wasserstube zogen sie mit vereinten Kräften zwei Signalstöcke an der Bahnlinie aus dem Boden und warfen sie quer über das Geleise. Zwei Rollen Drähte, für die Teleptzonlenung vorgesehen, die an einer Telegraphenstange befestigt waren, entfernten sie und warfen dieselben in die Nagold. In Mon- hardt beschädigten sie eine Egge, in Walddorf einen Gartenzaun, und trieben noch allerlei Unfug. Den rührigen Nachforschungen deS Landjägers Düttling ist «8 zu verdanken, daß man ihrer habhaft wurde. Sämtliche sitzen nun in sicherem Gewahrsam und sehen einer empfindlichen Strafe entgegen.

Stuttgart, 10. Mai. Die Kammer der Abgeordneten beriet heute die Eingaben um Einführung einer progressiven Umsatzsteuer fürWarenhS «serrc. Die Kommission beantragt Ueberweisung der Eingaben, soweit sie dis Warenhäuser betreffen, zur Erwägung, soweit sie dis Konsumvereine im Auge habe», zur Kenntnisnahme. Ein Antrag deS Zen­

trums beantragt bezüglich der Warenhäuser Ueber­weisung zur Berücksichtigung. Referent Frhr. v.Gaisberg begründete den zurückhaltenden Stand­punkt, der in der Kommission gegenüber dem auch dort schon vorgelegenen Antrag auf Berücksichtigung die Oberhand behalten hat, Vizepräsident Dr. Kiene den Zentrumsantrag, der verhindern solle, daß diese für den Mittelstand so dringliche Frage auf die lang« Bank geschoben werde. Egger sprach gleich­falls für den Antrag des Zentrums und beantragte namentliche Abstimmung. Schmidt-Maulbronn er­klärte, daß er für den ZentrnmS-Antrag stimmen werde, daß er aber in den Gründen und Gesichtspunkten von Dr. Kiene vielfach abweiche und dm Antrag nur als Abschlagszahlung betrachte für ein« schärfere Besteuerung der Großbetriebe überhaupt, auch der industriellen und landwirtschaftlichen. Schaible trat uneingeschränkt für den Antrag Kiene und Gen. ein. Ref. Frhr. v. GaiSberg hielt den Vorred­nern wiederholt entgegen, wie wenig geklärt noch di« ganz« Frage sei. Hieber teilte die Zustimmung der Deutschen Partei zu dem Zentrumsantrag mit und legt« die einschränkenden Voraussetzungen dar, die ihn und seine Parteifreunde dabei leiten. Staats- Minister der Finanzen v. Zeyer erklärte, daß di« Regierung sich in keiner Weise ablehnend verhalte, sondern bereit sei, die Sache aufzunehmen und zu einem ersprießlichen Ende zu führen. Sie sei der Frage auch praktisch näher getreten, indem sie amt­liche Erhebungen und eine schärfere Steusreinschätzung der Warenhäuser veranlaßt habe, sie halte aber dafür, daß es durchaus am Platze gewesen sei, wenn die Regierung mit einem gesetzgeberischen Vorgehen bis­her zugewartet habe. Da noch ein« Reihe von Red­nern angemeldet ist, wird gegen 1 Uhr die Debatte abgebrochen.

Nachdruck »erbot«».

Die Pissten.

Seeroman von Clark Rüssel.

(Fortsetzung.)

Der Schiffer ging ab und gesellte sich zu dem Steuermann, der am vor­deren Ende des Achterdecks spazierte. Trollop trat an die Reeling, lehnte sich mit den Ellenbogen darauf und sah nach dem Wrack hinüber. Von Zeit zu Zeit warf er einen raubvozelähnlichrn Seitenblick auf den Schiffer und den Steuer­mann, die in leisem Gespräch beieinander standen.

Wir haben dieses Mal einige Paffagiere an Bord, auS denen ich nicht klug werden kann/ sagte der alte Bmson zu seinem ersten Offizier.Die Leute haben etwas an sich, was mir nicht gefällt. Sie an ihrem unteren Tischende hören mehr von ihren Gesprächen, als ich. EL sind ihrer zehn. Manchmal scheint es mir, als müßten sie einander schon früher gekannt haben."

Aehnliche Gedanken sind auch mir bereits gekommen," versetzte Matthews.

Trollop, der sich Hauptmann nennen läßt, stellte soeben jede frühere Be­kanntschaft mit dem Herrn, der heute Nacht den Lärm vollführte, rundweg in Abrede."

Er mag seinen Grund dazu haben," sagte der Steuermann.Ich werde Augen und Ohren offen halten, und ich glaube bald feststellen zu können, daß er Ihnen die Unwahrheit gesagt hat."

Es kam nicht oft vor, daß der Kapitän so vertraulich mit seinem Steuer­mann redete. Er fühlte sich jedoch von allerlei dunklem, unverstandenem, uner­

klärlichem Argwohn, von eigentümlichen, nie gekannten Vorgefühlen so bedrückt, daß ihm eine Mitteilung Erleichterung gewährt«. Andererseits aber wollte er auch nicht zu viel sagen.

Immerhin machen sie alle den Eindruck von Gentlemen," fügte er hinzu und wandte sich, um zu sehen, wo Trollop geblieben war.

Das sind sie auch," bestätigte Matthews,man hört es an ihrer Sprache."

Der Schiffer trat noch näher an den Steuermann heran.

Suchen Sie herauszufinden," sagte er ganz leise,ob sie sich bereits kannten, ehe sie als Passagiere zu uns an Bord kamen."

Das soll geschehen, Kapitän."

Es sind, wie gesagt, ihrer zehn, die mir alle so auSsehen, als hätten sie im Leben überall Schiffbruch gelitten, das letzte Mal in Australien, und als hätten sie jetzt alles auf eine Karte gesetzt, um noch einen letzten Versuch in England zu machen wie Ertrinkende, di« nach einem Strohhalm greifen. Ja aber wie komme ich denn eigentlich dazn, anzunehmen, daß sie so mittellos seien?"

Weil sie alle zusammen, trotz ihrer nagelneuen Kleider, so flurmverschlagen auSsehen," sagte der Stiuermarm, der mit wachsender Aufmerksamkeit zugehört hatte-

Ganz recht, das wird'S sein," nickte der Schiffer.Haben sie viel Ge­päck mitgebracht?*

Im Gegenteil, nicht mehr, als bequem in ihren Kammern verstaut werden konnte."

Der Mann am Ruder schlug acht Glasen. Der Kapitän brach da« Ge­spräch ab.

Sie haben Ihre Instruktion, Mr. Matthews," schloß er und ging, während der Steuermann salutierend die Rechte an die Mütze legte, auf einige der Paffa­giere zu, die nach dem Wrack ausschauten.