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Stuttgart» 6. Oktt. (Kartoffel- Obst- u. Krautmarkt.) Leonhardsplatz: 700 Säcke Kartoffeln ä 2 ^ bis 2 20 per Ztr. — Wilhelmsplatz: 4000 Säcke Mostobst a 5 ^ 50 bis 6 —
pr. Ztr. Marktplatz: 3000 Stück Filder- kraut g. 19 bis 15 ^ per 100 Stück.
S ch w e i z.
Die Verwüstungen, welche der Schneefall in der Schweiz kürzlich angerichtet hat, übertreffen, wie die N. Gl. Z. schreibt, die schlimmsten Befürchtungen.
Ausland.
Paris, 5. Oktobar. Die Wahlen sind überall ruhig und unter starker Beteiligung verlaufen. Augenblicklich sind nur partielle Resultate bekannt. Anscheinend haben die Monarchisten eine Anzahl Sitze gewonnen. (F. I.)
M iüzt'llen.
Wein erstes
Liebes- und Leöens-Menteuer.
Aus den Papieren eines gesetzten Freundes mitgeteilt von Gg. Freitag.
(Fortsetzung.)
Und abermals stand ich der schönen, holden Frau des Blinden gegenüber. Frau v. Werth war eine feine, elegante Dame etwa zehn Jahre älter als Therese, der ich nicht über fünfundzwanzig Jahre gab. Ich lud die Damen ein, mir auf mein Zimmer zu folgen, bis die Herren zu uns kämen. Ich hatte am Morgen eine Kiste ausgepackt, welche mir von meiner Schwester zugesandt worden war mit dem Bedeuten, ihren Inhalt genau zu untersuchen. Die Kiste enthielt Gegenstände, welche für mich bestimmt waren. Ich hatte ihr vor einigen Jahren nach dem Tode unseres teuren Vaters einen Koffer zugesandt. Beim Auspacken des Koffers hatte sich auf dem Grunde desselben eine kleine versiegelte Schatulle gefunden, welche von dem verstorbenen Oheim Robert Deibach eigenhändig mit meiner Adresse versehen und mir als Geschenk zugewiesen war. Auf dem Blatt Papier, welches über den Deckel der Schatulle gebunden war, stand : „Dieses Kistchen ist ein Geschenk von meinem Freunde Gerhard Lessing. Gezeichnet Robert Deibach." Darunter hatte mein Vater folgende Worte geschrieben: „Die gegenwärtige Schatulle ist mir von meinem Bruder Robert vor seinem Tode übergeben worden, nachdem er mir mitgeteilt hatte, was sie enthalte. Auf meine Frage, was ich damit thun solle, bestimmte er: 'Gib sie Deinem Sohn Robert, meinem Neffen und Taufpathen, wenn er vierzig Jahre alt ist, oder vermache sie ihm testamentarisch, wenn Du früher sterben solltest.' — Ich wünschte nun, daß meines Bruders Verfügung über dieses Kästchen geachtet werde, als ob ich sie getroffen hätte. Gezeichnet: Nicolaus Deibach."
Ich hatte diese Schatulle am Morgen desselben Tages von meiner Schwester erhalten und kurz vor der Ankunft der Kinder geöffnet. Zu oberst in der Schatulle war ein Mimaturgemälde in einem einst reichen Etui, welches seit dem Tode
meines Onkels Robert, des ältesten Bruders meines Vaters, dort liegen mochte, — desselben Verwandten, von welchem ich damals jene schon erwähnte holländische Erbschaft gemacht und damit meinen Wohlstand gegründet hatte. Dieses Andenken an den Oheim hatte mir denselben plötzlich wieder lebhaft in's Gedächtnis und dankbare Erinnerung zurückgerufen. Gerade eine Minute bevor die Kinder kamen, hatte ich das Etui geöffenet, einen flüchtigen Blick auf das trefflich gemalte Portrait geworfen und war noch in einer unsäglichen, atemlosen Ueberraschung dagestanden, als die Kinderstimmen vor meiner Thüre sich hören ließen und die reizende, kleine Elisa eintrat.
Jetzt, nachdem die Damen Platz genommen, die ersten Begrüßungen ansgetauscht und meine Erkundigungen nach Herrn Barnen beantwortet waren, eilte Frau v. Werth auf einen Augenblick aus der Thüre, um die Kinder nach den beiden Herren auszuscnden, und ließ Frau Barnen mit mir allein. Ich öffnete das Etui, reichte es ihr hin und fragte sie: „Wissen Sie, wer dieß ist?"
— „Wissen Sie es?" fragte sie mich. Ich verneinte. Sie aber betrachtete lächelnd das Portrait und es war mir nun, als ob das Miniaturgemälde nur ein verkleinerter Spiegel wäre, der ihr eigen Bild widerstrahlte. Das Miniaturbild war nämlich ein wunderbar treues Conterfei von ihr, ganz so, wie sie jetzt in diesem Augenblick auf der vollen Sonnenhöhe ihrer Schönheit dastund.
„Es ist das Bild meiner Mutter," sagte sie endlich mit gerührter Stimme. „Sie war ein Fräulein Barnen, eine Verwandte von Leo, eine reiche Erbin. Mein Vater, Professor Lessing, überlebte sie um einige Jahre, und beide sind nun seit Jahren tot. Aber ich glaube erraten zu können, auf welche Weise dieses Bild in Ihren Besitz kam. Bitte, meine Liebe, bleibe nur hier — es ist kein Geheimnis!" sagte sie zu Frau v. Werth, welche mittlerweile wieder in's Zimmer getreten war und Theresens letzte Aeußerung gehört hatte. „Es ist seltsam, daß wir uns so zufällig begegnen und kennen lernen mußten," fuhr sie dann zu mir gewendet fort. „Ich kann Ihnen eine Aufklärung über dieses Bild geben, welche Sie nie bekommen haben würden, wann wir uns nicht getroffen hätten. Ihr verstorbener Oheim hat in seinen jüngeren Jahren meine Mutter geliebt, aber irgend ein mir unbekanntes Hindernis verbot die Verbindung. Nachdem meine Mutter sich verheiratet hatte, begegneten sie und Herr Deibach sich nie wieder. Aber bei ihrer Beerdigung — sie liegt in Leyden begraben — stand ein fremder Herr weinend an ihrem Grabe, und dieser Fremde war Ihr Oheim. Er hatte nicht erwartet, meinen Vater bei der Bestattung zu treffen, aber dieser war doch dabei, und als er Zeuge war von dem Schmerz dieses fremden Mannes, redete er ihn an und erkundigte sich nach dem Grunde seiner Trauer. Ihr Oheim bekannte meinem Vater, wie teuer die Entschlafene ihm einst gewesen. Bon diesem Augenblicke an wurden beide die innigsten Freunde: der Mann, der geliebt
hatte und so innig wieder geliebt worden war, und Er, der ebenfalls geliebt hatte, aber ohne Gegenliebe, und der dennoch keine Andere gefreit hatte! Dieses Bild hier ist die Kopie von einem Portrait meiner Mutter, welches ich selbst besitze und das mein Vater im ersten Jahre seiner Ehe hatte malen lassen, wie Sie noch an der altväterischen Tracht und dem veralteten Kopfputze sehen. Ihr Oheim ließ dieses Bild mit Bewilligung meines Vaters kopieren. Ihr Oheim stand an meines Vaters Sterbebett, und trauerte um diesen wie um einen Bruder. Es ist eine wunderliche Geschichte, Herr Deibach; aber ich bin doch recht froh, daß ich so glücklich war, sie Ihnen erzählen zu dürfen."
Herr v. Werth kam jetzt mit dem blinden Herrn Barnen, und unser Gespräch ging in den üblichen Begrüßungen und der gewöhnlichen Unterhaltung unter, welche eine neue Bckanntschat einleitet. Bald darauf erscholl die Tischglocke, und da ich meinen Platz neben meinen neuen Freunden nehmen wollte, so bot ich Frau Barnen den Arm, um sie zu Tische zu führen. Sie nahm ihn ohne Ziererei an und, hiedurch ermutigt, fragte ich sie:
„Haben Sie nicht noch eine Schwester, Madame?"
Therese warf mir einen raschen, forschenden Blick zu, und diesem folgte aus den sonst so sanften und traulichen Augen ein Blick voll Mutwillen und Fröhlichkeit, ein lustiger Blitz, der mir tief in die Seele drang und mir wirklich einen peinigenden Schmerz verursachte. Aber im Nu wich dieser Ausdruck wieder von ihrem Antlitz, als sie den Widerschein meiner Wehmut in meinen Zügen las. Sie hatte offenbar meine Gedanken erraten, aber sic wandte den Blick doch nicht ab, sondern sah mich freundlich und furchtlos an und sagte mit weichem, verwundertem Tone ihrer süßen Stimme: „Nein, — aber warum fragen Sie mich dies?"
Jetzt war die Reihe des Verstummens und Erglühens an mir, und ich wagte den ganzen Nachmittag hindurch nicht mehr auf diesen Gegenstand zurückzukommen.
(Fortsetzung folgt.)
(Wahlrede.) „I moan halt, wir zahlen jetzt viel weniger Steuer!" (Allgemeiner Beifall.) „I moan halt, mir zahlen gar kei Steuer mehr mehr!" (Wütender Beifall.) „I moan halt, wir haben lang gnua Steuer zahlt, jetzt soll d' Regierung a paar Johr uns Steuer zahl'n!" (Nicht endenwollender Zuruf: „Bravo! Vivat! Der versteht's.")
(Ganz richtig.) Fremder: „Sie, Landsmann, wie kommt es, daß das große Dorf eine so kleine Kirche hat; da gehen doch nicht alle Leute hinein?" Bauer; „Jo, wenn älle Leut' hier in d'Kirch' ginget, noh ginget net älle 'nei', weil aber net älle 'nei'ganget, deshalb ganget älle nei'."
(Vetter a. Schw.)
Auflösung des Rätsels in Rr. 159.
Meisel, Meißen.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.