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Vorgänge auszusprechen und ihn zu bitten, darüber telegraphisch nach Berlin zu berichten. Die Beamten wurden angewiesen, die Depesche des deutschen Konsuls sofort zu befördern, während alle übrigen Telegramme nach dem Auslande der Regierung vorgelegt werden müssen. Auch der größere Teil der Madrider Presse bedauert, daß sich die Menge zu Gewaltthätigkeiten hat Hinreißen lassen. Die ministerielle Correspondencia versichert, der deutsche Gesandte lege dem Benehmen des Pöbels nur geringe Bedeutung bei und werde seinerseits alles thun, um einen Bruch zwischen beiden Ländern zu vermeiden und die deutsche Regierung zu einer friedlichen Lösung der Streitfrage zu veranlassen.
Madrid, 6. Sept. In Spanien sind gestern 2435 Personen an der Cholera erkrankt und 789 daran gestorben.
Miszellen.
Line alle Liebe.
Erzählung von S. F.
Nachdruck verboten.
(Fortsetzung.)
Eines Tages führte Bruno, welcher ein hochgewachsener Mensch geworden, Helene in sein sogenanntes Atelier. Er wollte Bildhauer werden und groß und berühmt, vertraute er ihr an. Helene entsetzte sich anfangs vor all den wunderbaren in Thon gekneteten Gestalten, die in dem Dämmerlicht einer halbdnnklen Bodenkammer ein fast gespenstisches Aussehen hatten. Nur die zierliche Figur einer Diana, welche wirklich schon ein künstlerisches Denken verriet, entzückte sie auf's lebhafteste und sie war fest davon überzeugt, daß in dem Jugendfreund, der solches habe schaffen können, ein großer Künstler stecke. Sie nahm von nun an lebhaften Anteil an Bruno's idealen Zukunftsplänen. Und auf jenem ersten Ball im Cotillon, bei den Klängen heiterer Tanzweisen, da malten die beiden jungen phantastischen Köpfe die Zukunft sich so traumhaft schön aus, wie es eben nur die Jugend vermag, der ja selten ein Ziel zu hoch, ein Traum zu kühn. Irgend wo auf der Erde, wo es schön war, vielleicht am Meeresstrande oder an einem herrlich gelegenen Alpensee — sie waren noch unentschieden wo, denn sie kannten noch gar so wenig von der schönen Gotteswelt — wollten sie sich ein Heim gründen. Eine Villa mit Säulengängen, rings herum ein Rosengarten, ein Balkon mußte nach dem See hinausgehen, erklärte Bruno der Freundin; daß Helene seine Gattin werde, war natürlich, selbstverständlich.
„In der Mitte des Gartens muß eine Flora stehen," rief diese, ebenso begeistert von diesen herrlichen Plänen.
„Natürlich aus meinem Atelier hervorgegangen", erwiderte Bruno, „ich bin ja dann ein berühmter Künstler." Wie stolz er das lockige Haupt emporwarf, wie hoffnungsfreudig das braune Auge blickte!
Drei Tage nach diesem Ballabend stand er bleich und verstört vor Helene.
„Ich gehe, Helene, morgen schon, man verhöhnt mich und meine Kunst", rief er aufgeregt. „Mein Vater, die Tante, deine
Eltern, Alle! Studieren soll ich, Pastor oder Lehrer werden; aber das trockene Lernen und Studieren taugt nicht für mich, der ich künstlerischen Beruf in mir fühle. Ich gehe in die weite Welt, allen zum Trotz, und erst wenn ich Großes erreicht, kehre ich zu Euch zurück."
Helene schaute erschreckt zu ihm auf.
„Morgen schon willst Du gehen?" fragte sie dann und Thränen schimmerten in ihren Augen.
„Morgen ganz frühe, wenn die andern noch schlafen," erwiderte er.
„Hast Du denn auch Geld?"
Bruno lachte sorglos.
„Geld? Nein! O, ich gehe nach dem sonnigen Italien, eine Hütte unter Palmen wird sich schon dort finden für mich."
Da hatte Helene stillschweigend ein Schränkchen aufgeschlossen und ihre Sparbüchse herausgclangt und sie ihm gereicht.
„Es sind gerade hundert Thaler, Bruno, nimm sie, damit Du nicht Not leidest," sagte sie schüchtern.
Eine seltsame Bewegung war über Bruno's Antlitz geflogen, zögernd hatte er nach dem Gclde gegriffen und dann hatte er zum erstenmal die schlanke Mädchengestalt an sein Herz gezogen und die roten Lippen geküßt.
„Behalte mich lieb, auch in der Fremde", hatte das junge Mädchen unter heißem Erröten gebeten.
„Ich behalte Dich lieb in alle Ewigkeit", hatte Bruno heilig gelobt.
Dann war er gegangen und es war, als wäre mit seinem Scheiden aller Sonnenschein gewichen. Einige Jahre nach jenem Weihnachtsfeste verlor sie ckurz hintereinander beide Eltern. Trauernd stand sie an einem kühlen Novembertage an den frischen Grabhügeln und blickte mit müder Hoffnungslosigkeit in die Zukunft. Ihre Eltern hatten ihr nur ein kleines Kapital hinterlaffen. von dessen Zinsen sie nicht leben konnte; sie mußte daran denken, einen Erwerbszweig zu ergreifen. Noch war es ihr dunkel, was sie beginnen sollte. Düstere, graue Wolken thnrmtcn sich am Abendhimmel auf, kein Strahl der scheidenden Sonne drang hindurch, schaurig rauschte der Wind durch welke, dürre Blätter. Ein Gefühl unendlicher Verlassenheit erfaßte das junge Mädchen. War denn Niemand auf der weiten Welt, zu dem sie sich flüchten konnte mit dem vereinsamten Herzen? Da tauchte das Bild des Jugendgespielen vor ihrer Seele auf. „O Bruno, Bruno", rief sie klagend hinaus in den trüben Winterabend, „hast Du mich denn ganz vergessen?"
(Fortsetzung folgt.)
Die Schweningcr Kur.
(Schluß.)
Handelt es sich aber um Verfettung in Verbindung mit Abspannung und Erschlaffung der ganzen Muskulatur und der Nerven, mit verschiedenen Schmerzens- Empfindungen, Blutstockungen und Kongestionen, dann reicht das Schweninger- sche Regime allein auch nicht aus. Entweder besitzen die Patienten nicht so viel Kraft und Selbstverleugnung, um die Kur auszuhalten, oder sie täuschen sich und Herrn Schweniger durch Nichtbefolgung
der gegebenen Vorschriften. Dann muß zu den verschiedenen Massagekuren nach Zabludowski'schem Verfahren Zuflucht genommen werden. Dr. Zabludowski, der erst neuerdings über die Neurosen und Berufskrankheiten der Pianisten so wertvolle Fingerzeige gab, hat auf Grund von Massenversuchen an Tieren und Menschen diese von Laicnmasseuren und -Masseusen etwas in Verruf gebrachte Kraft wieder auf einen wissenschaftlichen Boden gestellt und ihr einen bleibenden Sitz in der modernen Medizin verschafft.
Die Massage als Entfettungskur ist gerade in den Fällen am Platze, wo dem Patienten nicht soviel physische und moralische Kraft, als dasJnnehalten der strengen Schweninger-Kur erfordert, zuzumuten ist, und kann dann gleichzeitig mit einer modifizierten, weniger strengen Diät verbunden werden. Hier dient die Massage auch als Ersatz für die nicht immer ausführbaren starken Körperbewegungen, Berg- und Treppensteigen, hauptsächlich bei Patienten mit schwacher Willenskraft. Durch das Durchkneten großer Körperpartien werden viele der Elementarpartikelchen des menschlichen Organismus (Zellen) zerstört, vom Blutstrom leichter fortgeschwemmt und durch den Stoffwechsel in gesteigertem Maße verbracht. Speziell durch die Bauchmassage werden auf ganz mechanischem Wege die Stauungen in den Blutgefäßen des Unterleibs (Hämorrhoidal- beschwerden rc.) gehoben.
In einer gewöhnlichen Dezimalwaage hat man ein Kriterium über die Wirkung des einen oder anderen Verfahrens. Diese Massenwiegungen an Fettleibigen können von den Patienten selbst genau kontrolliert werden und geben denselben die Möglichkeit, die Resultate der einen oder anderen Heilmethode ziffernmäßig zu beurteilen. Demselben Zweck dienen auch vergleichende Messungen des Bauchumfanges mit dem Centimetermaß. Ein Gewichtsverlust von zwei Pfund per Woche ist in der Regel als ein erwünschtes und befriedigendes Resultat der Entfettungsbehandlung anzusehen, doch ist bei diesem Punkte die Konstitution des Patienten mitbestimmend.
iDid.)
(Neuestes aus Kalau.) A.: Man spricht jetzt so viel von der Schweninger-Kur, wissen Sie aber auch, was eine umgekehrte Schweninger-Kur ist? B.: Nein! A.: Ganz einfach! Wenn man einen mageren Menschen — dick kriegt.
(Genaues Kennzeichen.) Wirt eines Gebirgshotels: Sagen Sie mal, Herr Professor, woran erkennt man im Gebirge, wie hoch man sich über dem Meeresspiegel befindet? Professor: Am genauesten an der Höhe der Hotel-Rechnungen.
Auflösung des Quadraträtsels in Nr. 142. 8 k v 4 w
L 8 0 8 I
v 0 8 I. L
4 8 8 L 8
W I L 8 L
Goldkurs der K. Staatskassenverwaltung
vom 8. September 1885. 20-Frankenstücke: . . . 16 14 ^
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.