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durch die Natur; cs war der heilige Abend des Weihnachtsfestes. Wie es glitzerte und flimmerte an den Bäumen und Sträuchern, die in der Nähe der Stadt, dem Ziele des einsamen Reiters, auftauchten. Der Reif hatte sie mit seinem Festesschmuck bekleidet und die Strahlen der Wintersonne zitterten darüber hin. Mit bewundernden Blicken streifte der Reiter die glänzende Tanne, die so malerisch an der grauen Stadtmauer lehnte.

Ein echt nordisches Bild", murmelte er,kalt und düster und doch nicht ohne Reiz für die Augen, die so lange in den Farbengluten des Südens geschwelgt."^

Dann ritt er durch das altertümliche Thor zur Stadt hinein.

Hier also soll ich sie wiederfinden, in dieser weltverlorenen Stadt?" fragte er und schaute zu den hohen Giebelhäusern empor.Sie, um derentwillen ich mein sonniges Italien, Mariette, verließ. Wie wird das schöne Weib heute mit heißer Sehnsucht des nordischen Barbaren ge­denken, der ihr, ihrer Liebe, ihren heißen Küssen entflohen, einer alten, alten Liebe willen. Wie still, wie öde, o Rom, o Mariette! Doch da winkt ja ein Gasthaus, es verlangt mich sehr, die erstarrten Glie­der zu erwärmen."

Roß und Reiter verschwanden jetzt in dem Tkior des Gasthauses zum blauen Hecht. Ein paar kuchentragende Dienst­mädchen blickten der fremden Erscheinung verwundert nach.

Wie braun der aussah", sagte die Eine.

So braun wie meine Stollen", er­widerte die Andere,doch da steht die Frau Kreisrichter, schon nach mir aus- schauend, am Fenster, ich muß mich be­eilen." Sie trug das duftende Gebäck mit schnellen Schritten in das Eckhaus am Markte. Die Frau Kreisrichter, deren rundliche Finger den Kuchenteig heute morgen geknetet, schaute befriedigt her­ab auf ihr wohlgeratenes Werk. Die kleine immer thätige Frau war das Muster einer deutschen^ Hausfrau. Sie hatte Unglaubliches geleistet in den letzten Tagen, aber nun strahlte auch Alles im Festesglanze. An den Fenstern waren weiße Gardinen aufgesteckt, die Fußböden frisch gebahnt.

Fast triumphierend blickte sie um sich, sie war fest davon überzeugt, daß es in keinem Hause in der ganzen Stadt so musterhaft blank aussah, wie in dem ihren. Drüben in dem gegenüber liegenden Hause, da Putzte das Mädchen jetzt erst die Fenster, den Kuchen haben sie erst vor einer Weile herausgetragen, und dort oben im zweiten Stock, du lieber Gott, da waren die Fenster heute noch nicht einmal ganz abgethaut. Einen Moment verweilen die Gedanken der Frau Kreisrichter hinter diesen zuge­frorenen Fensterscheiben. Das arme, arme Fräulein, denkt sie mitleidsvoll, so ganz allein zu sein am heiligen Abend, schrecklich!

Die so Beklagte trat soeben an ihr Fenster, ein paar schwermütige blaue Augen blickten durch eine der nicht ganz mit den glitzernden Eisblumen bezogenen Scheiben auf die Straße hinunter.Einsam", flüsterte sie,einsam auch heute und wahr­scheinlich all' die langen Jahre, die mir

noch beschieden. Das grausame Schicksal hat das Wort einsam wohl in mein Lebens­buch geschrieben."

Es wurde dunkel auf den Straßen, hier und da ward schon der Weihnachts­baum angezündet. Neugierige Kinderaugen lugten durch die Schlüssellöcher nach dem Hellen Schein. Auch bei Kreisrichters saß die Kinderschaar erwartungsvoll im dunklen Zimmer.

In der Putzstube, da ist der Weih­nachtsmann und baut all' die schönen Sachen auf," sagte ihnen soeben Dora, die alte Köchin.Seid aber ja hübsch artig, so lange er hier ist, sonst trägt er Alles wieder fort." Die Kinder wagten sich nicht zu rühren, nur ein leisesAh" ertönte jetzt von ihren Lippen; ein Heller Lichtstrahl drang durch die Thürritzen. Der lange Herr Kreisrichter hatte die Lichter am Christbaum angezündet.

Die einsame Mädchcngestalt im gegen­über liegenden Hause sah nach dem strahlen­den Baum, dann zog die emsige Frau Kreisrichter eilends die Vorhänge an den Fenstern zu. Und nun ward es auch in dem kleinen Zimmer hier oben hell. Die Bewohnerin desselben hatte ein winzig kleines Tannenbäumchen auf den Tisch gestellt, einige bunte Lichter daran befestigt und angezündet. Mit ge­falteten Händen stand sie sinnend davor. Vergangene Jahre zogen an ihrem Geiste vorüber, ach wie anders hatte sie doch einst die Zukunft geträumt. Da war ein Weihnachtsabend, mit fabelhafter Deutlich­keit trat er ihr vor die Seele. Unter der grünenden Tanne lag ein duftiges weißes Ballkleid und ein Kreuz von künstlichen Rosen. Sie war achtzehn Jahre und sollte in den kommenden Festtagen ihren ersten Ball besuchen und sie wußte schon ganz genau, mit wem sie den Kotillon tanzen würde.Wenn Du auf den Ball gehst, dann gehe ich auch hin, Helene, nur deinetwegen!" hatte Tags zuvor Bruno, der Sohn des alten Professors aus dem Nachbarhause, gesagt. Bruno war ihr treuer Kavalier gewesen von Jugend aus. Als sie noch ein ganz kleines Mädchen war, hatte er ihr die schönsten wunder­barsten Märchen erzählt, an heißen Som­mertagen, wenn sie mit seinem Vater, dem alten Professor, weite Spaziergänge machten und dann irgendwo im kühlen Waldesschatten ruhten. Und im Winter hatte er sie Schlitten gefahren in dem kleinen zierlichen Korbschlitten, den ihr der alte Professor einmal zum Geburtstage geschickt; oder sie waren zusammen Schlitt­schuh gelaufen, weit, weit hinaus aus dem zu Eis erstarrten Fluß, Hmid in Hand und dabei hatte er ihr das wundersame Wintermärchen Andersensdie Schnee- Königin" erzählt, von der kleinen Gerda, die den verlorenen Gespielen sucht. Wie schön war das Alles gewesen, wie unver­geßlich schön. Und nun war doch Alles vorüber, längst begraben im tiefem Meer Vergangenheit, der holde Kindheitstraum. Nur die Schwärmerei und Poesie war ihnen davon geblieben und hatte sie be­gleitet in das ausgehende Leben. Sie waren plötzlich groß und erwachsen ge­worden, sie wußten es selbst nicht wie; die Jugend war nun da mit all ihrem

süßen Zauber, mit ihrem Hoffen und Träumen.

(Fortsetzung folgt.)

Zu den Herbstmanövern hat wiederum der Hofpoet der deutschen Reichs­post, der in Berlin eine höhere Postamts­stelle bekleidet, eine postalische Epistel als fliegendes Blatt herausgegeben. Seine Weihnachts-Postepistel wird noch den Lesern in Erinnerung sein. Wir lassen die Hauptverse des neuen Poems folgen: Der Krieger macht um diese Zeit Zum Herbstmanöver sich bereit;

Die Herrn Offiziere packen Wein,

Konserven und Zigarren ein;

Die Mannschaft füllt mit froher Miene Die Flasche sich in der Kantine,

Und Riete birg: in ihrer Lade Für den Gefreiten Karbonade,

Daneben Butter, Wurst und Bier,

Als ihrer Liebe Souvenir.

Rum-Plum, Trara, da zieh'n sie hin Und sind nun im Manöver drin- Wer je im Herbst sich abgeplagt,

Dem ist damit genug gesagt.

Nun sollte Jeder sich bestreben Zu fördern )olch' Manöverleben;

Nicht blos mit Atzung oder Wein Und schnöder Magenfüllung, nein!

Mit dem ist's nicht allein gethan,

Auch das Gemüth will Nahrung Han!

Und hierzu wohl am besten frommt Ein Brief, der aus der Heimat kommt. Was aber nützt ein solcher Brief,

Wenn er im Land umher erst lief,

Von Stadt zu Stadt, von Korps zu Korps? Und doch kommt solches häufig vor,

Weil der Adresse alles fehlt,

Was zur Genauigkeit man zählt.

Herrn Hauptmann T. im Uebungsfeld." - Wie soll die Post um alle Welt Bei solcher Aufschrift dem Herrn T.

Den Brief besorgen schlank und fix?

Es fehlt: Wie man die Waffe nennt;

Es fehlt Schwadron und Regiment,

Das Bataillon, die Kompagnie,

Kolonne oder Batterie.

Was hilft da alle Findigkeit?

Der Brief versäumet seine Zeit;

Und X. muß sagen noch von Glück,

Schickt man sein Briefchen nicht zurück. Wohlan, die ihr zu Hause bleibt Und dort Manöverbriefe schreibt Ihr, Jüngling, Jungfrau, Mann und Frau, O, adressieret recht genau!

Setzt außer Kompagnie, Schwadron Et cetera die Garnison,

Das heißt die ständige, hinzu;

Dann kriegt Herr X. den Brief im Nu;

Und Ihr braucht nicht zu allem Grämen Euch hinterher auch noch zu schämen,

Weil Ihr versäumt, was gar nicht schwer, Und so geschädigt Deutschlands Heer!"

(Anzeige eines Dorfbürgermeisters.) Löbliches Greisamt! Entesunderzeichne- der Ortsbiergermeischder macht hierdamit ihnen löblichen Greisamt zu wieffen: das gestern hier in Dumsdorf zwei Personen an der Rindvichseich verstorben sind, nemlich der seligen Witib Ochsenbäuerin irre scheckige Kuh, und dann die selig Ochsenbäurin selber, welche aus Kram darüber im Moosdümpfcl sich ertrunken hat. Sonst is in unßrem Dorf alles Rindvieh xund, was i hierdamit aus eichener Erfarrung bestädigen kann. Der Ortsbiergermeischder von Dumsdorf."

Frankfurter Coursr vom 4. Septbr. 1885.

Geldsorten. ^

20-Frankenstücke. 16 17 22

Englische Souvereigns .... 20 26 30

Ruß. Imperiales. 16 68 72

Dukaten. 9 57 62

Dollars in Gold. 4 16 19

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.