506
mit die Veranlassung zn den verschiedenen geheimen Bündnissen deutscher Männer gegen Napoleon zur Befreiung des Vaterlandes. Er wirkte durch Schrift und Wort im Sinne Stein's auf die Jugend, und als immer gewaltiger sich die Wolken des Unheils zusammenzogen, da gab er den ersten Anlaß zur Bildung des Lützower Freikorps. Er, der erste Lützower. hat bis zum letzten Kampfe gefochten und gestrebt, hat kühn in den schlimmsten Zeiten sein donnerndes Wort erschallen lassen, das seine Zeitgenossen zur Thatkraft aufgerüttelt. Und als das Joch zerbrochen, als der Feind vertrieben, auch da hat er weiter gekämpft für die heilige Sache, gekämpft gegen die träge Gleichgiltigkeit in den Herzen seiner Landsleute. Hat er auch dafür leiden müssen, ist er verdächtigt und lange in Haft gewesen, kein Ungemach hat sein Mannesstreben in dem von Vaterlandsliebe erfüllten Herzen zu lähmen vermocht. Er war es, der einen Gedanken in der deutschen Brust entflammte, der seit langen Jahren vergessen ward, einen Gedanken, dessen Erfüllung heute, nachdem er vor mehr denn sechszig Jahren von des Einen Jahn's Munde zuerst erklungen, in allen deutschen Herzen Eingang gefunden: das Streben nach echter deutscher Einheit! Und wie dies Sehnen ihn so ganz erfaßt, wie cs ihn geleitet hat in all seinem Wirken und Schaffen, das sagen am besten seine eigenen Worte zu jener Zeit, da das deutsche Volk ihn als Vertreter in die Paulskirche gesandt.
„Deutschlands Einheit war der Traum meines erwachenden Lebens, war das Morgenrot meiner Jugend, der Sonnenschein der Manneskraft und ist der Abendstern, der mich zur ewigen Ruhe geleitet; für diesen Hochgedanken habe ich gelebt und gestrebt, gestritten und gelitten. Die Mainzer Untersuchungsbehörde und der Bundestag haben mir nachgerühmt, „daß ich die höchst gefährliche Lehre von derEinheit Deutschlands zuerst aufgebracht!" Das soll meine Grabschrift sein. An der Einheit Deutschlands habe ich festgehalten, wie an einer unglücklichen Liebe!" —
Wo ein solches Licht strahlt, kann es auch an Schatten nicht fehlen und die Schattenseiten dieses seltenen Mannes sind oft mißbraucht worden, ihn in den Augen Derer zu verkleinern, die ihm zn Danke verpflichtet sind. Wahr ist, daß sein Umgang nicht das gefällig Ansprechende bot, wie der des braven Arndt, daß seine urwüchsigen Worte oft zu rauh erklangen; doch das sind persönliche Schwächen und Fehler einer durch stürmische Zeiten verwilderten Natur. Stürmische Zeiten rufen auch diese mit in den Kampf wie seine Tugenden. Was Jahn in Zeiten des Drangsals als schwaches, allen Stürmen und Wettern preisgegebenes Reis gepflanzt, heute ist es zum mächtigen Baum herangewachsen, in dessen Strom der Geist des seligen Turnvaters rauscht und uns zur Eintracht mahnt.
„Denn wer den Besten seiner Zeit genug gethan,
Der hat gelebt für alle Zeiten."
Gustav Werner, der große Menschenfreund.
(Schluß.)
Es entstanden Hilfsvercine für Werner's Anstalten, ein Hypothekenanlehen, an welchem sich auch das Ausland beteiligte, deckte die dringendsten Schulden; der Staat Württemberg wußte zu gut, was Werner- schön geleistet hatte, als daß er sich nicht mit einer namhaften Summe engagiert hätte; die spezifisch kirchlichen Kreise, Werner wegen gewissen Sonderansichten in Glaubenssachen ferner stehend, erwärmten sich mehr und mehr für ihn in dankbarer Anerkennung seines wahrhaft christlichen Liebesfeuers. So kam im Jahre 1866 der „Aktienverein zum Bruderhaus" zu Stande; er nahm die finanzielle Leitung seiner Anstalten dem Begründer derselben unter Bedingungen ab, welche seine erzieherische und geistliche Thätigkeit in keiner Weise behinderten und ihm zugleich die Möglichkeit eröffneten, bei günstiger Weiterentwicklung der Sache seine alten Besitztümer wieder zurück zu erwerben, und geht es weiter, wie nun seit Jahren, so wird das Werk Werner's in absehbarer Zeit auch finanziell wieder ganz selbstständig stehen. Jetzt schon besitzt er in seinen eigenen Anstalten — das heißt, in seiner Selbstlosigkeit nur für dieselben — ein Vermögen von rund einer halben Million Mark.
Werner ist über dem allen ein alter Mann geworden. Biele Jahre voll Arbeit und Kampf haben den Scheitel des Fünfundsiebenzigjährigen gebleicht und seine elastische Gestalt gebeugt. Auch der herbe Verlust ist ihm nicht erspart geblieben, der Tod seiner Gattin und Mitarbeiterin, welcher er in 42jähriger kinderlosen Ehe verbunden war. Aber die ungeteilte Anerkennung und Dankbarkeit von Arm und Reich trägt ihn; der König von Württemberg, sein Landesherr, hat ihn mit einem hohen Orden ausgezeichnet, die Stadt Reutlingen ihm das Ehrenbürger- Recht verliehen. Trotz solcher Auszeichnungen wandelt er unter uns als ein rührendes Bild der Anspruchslosigkeit und Selbstverläugnung, und der schönste Gewinn aller Lebensmühe bleibt ihm, daß seine Kinder und Pfleglinge ihn „Vater" nennen. In der Geschichte aufopfernder Menschenliebe wird sein Name als der besten einer verzeichnet bleiben, so lange die Christenheit das Wort ihres Erlösers hochhält: „Selig sind' die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen!"
(S. Stgsbl.)
Die noch lebenden Führer der deutschen Heere im Kriege 1870/71.
Die großen Lücken, welche der Tod in letzter Zeit in die Reihen der Kriegshelden unserer deutschen Armee geschlagen hat, legen die Frage nahe, wie viel Männer denn überhaupt noch übrig sind von der nicht kleinen Schaar derer, denen es vergönnt war, im letzten Kriege eine höhere Kommandostellc einzunehmen. Geht man die Liste unserer Heerführer durch, so findet man mit Trauer, daß nur noch ein kleiner Teil in den 14 Jahren, die seit Beendigung des Krieges verflossen sind, vom Tode verschont ist. Wenn auch das eherne Gesetz der Natur gerade hier, wo
es sich um Männer handelt, die, als sie ihre Kriegslorbeeren ernteten, zum größeren Teil bereits ziemlich bejahrt waren, nicht vergessen werden darf, so finden wir doch, daß der Tod über Gebühr rasch aufgeräumt hat unter den Männern, denen das Vaterland noch so gern den Tribut seiner Verehrung und Dankbarkeit länger, und je länger, je mehr, gezollt hätte. Sei es hier erlaubt, auf die noch lebenden kurz hinzuweisen.
Von den Oberbefehlshabern der im deutsch-französischen Kriege aufgestellten selbstständigen Armeen — I., II., III., IV. (Maasarmee.) Südarmee, Armeeabteilung des Großherzogs von Mecklenburg und 14. Corps (von Werder) — sind nur noch 3, der Kronprinz, der König von Sachsen und Graf v. Werder am Leben; gestorben sind v. Steinmetz (1877), v. Goeben (1880) und jetzt Prinz Friedrich Carl und Frhr. v. Manteuffel. Von den Chefs des Stabes des Armeekommandos sind da für diese bekanntermaßen sehr wichtigen Kommandos jüngere Generalmajors bezw. Obersten, die aus dem Generalstabe hervorgegangen waren, auserwählt wurden, noch die meisten am Leben und in Aktivität. Daß Graf Moltke als Gcneralstabschef im Hauptquartier fungierte, ist allbekannnt.
Von den Generalen, die zur Zeit des Krieges ein Armeecorps kommandierten, sind 12 gestorben und nur noch 6 am Leben. Von den 7 noch lebenden Corps- kommaudeuren aus dem Feldzuge 1870/71 sind noch 2 zur Zeit im aktiven Dienst. Von den 52 Generalen, welche im Kriege 1870/71 eine Division geführt haben, sind 20 gestorben und 32, so viel bekannt, noch am Leben. Von diesen 32 noch lebenden Generalen sind nur noch 5 in aktivem Dienst.
Bon den Generalen, welche bei der Belagerung von Straßburg und Paris den Artillerie- und Jngenieurangriff leiteten, sind Prinz Kraft zu Hohenlohe (Artillerie vor Paris, seit 1879 zur Dispositon, Generaladjutant,) v. Kameke (Ingenieur vor Paris, v. Mertens (Ingenieur en edel vor Straßburg) noch am Leben, während General v. Decker (Artillerie vor Straßburg) schon 1872 gestorben ist.
Offenes Rätsel.
Fünf Glieder Hab' ich vom Kopf bis zur
, . Zeh'
Und einen Ring in der Mitte.
Mein erstes und letztes gebrauchet zum Thee
Der Deutsche so gut wie der Britte. Tilgst du das erste, dann siehst du nur Rost,
Polirst Du auch sonder Ermüden Nimm auch das zweite, dann siehst du nur Ost,
Sei's auch im Westen, Norden, und Süden. Und o! Das folgende ganz allein Erwächst in bekümmerten Herzen,
Auch sät's in das Schöne und Gute sich ein,
Und keimet aus Wunden und Schmerzen, Die beiden letzten — St. — nachgedacht! Erzwingen bei Damen selbst Stille.
Trost ist das Ganze bei Tag und bei Nacht Lies Oedip — bedarfst du der Brille?
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.