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Gustav Werner, der große Menschenfreund.
(Fortsetzung.)
Die Hausgemeinde Werner's in Reutlingen umfaßt jedenfalls 400 Seelen; für sie ist der ehrwürdige Mann alles in allem, Vater, Freund, Lehrer, Seel- und Leib- sorger, aber er gehört ihnen nicht allein, denn allwöchentlich wird er auch auswärts erwartet in seinen Zwciganstalten, welche er, zehn an der Zahl, auf dem Schwarzwald und auf der Alp, oben und unten im Württemberger Land, unterhält. In denselben herrscht hier der industrielle Betrieb, dort der landwirtschaftliche vor, und liegt der Schwerpunkt bald auf der Erziehung der Jugend, bald auf der Pflege und Beschäftigung der Alten; wir würden auch bei einer Wanderung durch diese Zweiganstaltcn auf eine klappernde Mühle oder einen duftenden Kramladen stoßen. Aber überall begegnen wir denselben Grundgedanken: Rettung und Berufsbildung der verwahrlosten Jugend, Beschäftigung köperlich und geistig Gebrechlicher, Asylier- ung Arbeitsfähiger, sittlich religiöse Beein- flußung aller, auch der mit den Anstalten nur lose Verbundenen. Dem entsprechend sind auch die Elemente der Anstaltsbevölkerung überall dieselben; da sind Kinder, Lehrlinge, Pfleglinge, „Hausgenossen", zusammen etwa tausend Personen, von der Reutlinger Hausgemeinde abgesehen.
Unter den Zweiganstalten verdient die Papier-Fabrik Dettingen besondere Erwähnung, nicht nur deshalb, weil sie ein anerkannt gutes Papier liefert, das die Regierung sogar zu ihren Obligationen gebraucht, sondern weil sie einst das Schmerzenskind der Werner'schen Unternehmungen war und heute deren finanzielle Stütze ist.
Fragen wir nun: wer ist der Mann, dem es gelang, einen so ausgedehnten Komplex von Rettungs-, Beschäftigungsund Versorgungsanstalten zu gründen, und welche Mittel dienten ihm zur Erreichung seiner Zwecke? so lautet die Antwort ganz anders als zu erwarten wäre. Denn wir lernen in Werner keinen reichen Fabrikherrn kennen, der die Erträgnisse wohlgelungener Spekulationen philantropischen Zwecken zugewendet hat, auch keinen Großgrundbesitzer, dem hundert von Morgen der gegebene Untergrund seiner Bestrebungen gewesen wären; aber ein Mann voll apostolischen Liebeseifers, in dessen Händen Steine zu Brot, Pfennige zu Dukaten wurden. Gustav Werner, geb. den 12. März 1809, Sohn des ehemaligen Finanzkammerdirektors Johannes Werner in Reutlingen, studierte in Tübingen Theologie. Im Jahre 1834 kam er als Pfarrvikar nach Walddorf, drei Stunden von Reutlingen entfernt, wo Anno 1837 sechs Waisen zuerst sein Herz rührten, so daß er der anfänglichen Hartherzigkeit der Dorfbewohner zur Beschämung und trotz seines dürftigen Jahresgehaltes von 86 vkL bei freier Station ihre Versorgung in Gottes Namen auf sich nahm. Zu seinen ersten Pfleglingen kamen bald weitere, die er, unterstützt von den Naturalgaben seiner Gemeindeglieder, durch eine wohlgesittete Hausmutter in einer Mietswohnung erziehen ließ. Es waren aber kaum drei Jahre vergangen, als er sich über seinen
Lebcnsberuf klar war. Er gab sein Vikariat und damit den Kirchendieust auf, mietete in Reutlingen ein Haus zur Rettungs- austalt für Kinder, und am 14. Februar 1840 zog er daselbst mit 10 Kindern ein; auf einem Bauernwageu war alles zusammengepackt, was die junge Anstalt an Mobiliar und Muudvorrat zunächst besaß; sein Geld hatte bequem in Werner's Westentäschchen Platz, und heute noch sagt er lächelnd über seinen ersten Einzug in Reutlingen: Wenn sie gewußt hätten, was für ein bettelarmer Mann zn ihnen komme, sie hätten mich nicht hineingelassen."
(Fortsetzung folgt.)
(Der thcuerste Winkel in Deutschland.) Am 30. Juli wurde auf dem Rathause zu Breslau ein Bietungstermiu zur Weiter- vcrpachtuug der links vom Eingänge nach dem Schweidnitzer Keller neben der Treppe belegencn Würstchen-Verkaufsstelle abgehalten. Bestbietender blieb mit 5500 M. pro Jahr der Wurstfabrikant Heimann. Das Ergebnis des Termins ist für die Stadtkommune ein ungünstiges, indem die Würstchen-Verkaufsstelle gegenwärtig einen Pachtertrag von 7150 M., also 1650 M. mehr als nunmehr geboten, liefert. Die „Verkaufsstelle" ist nur eine kleine Treppennische, in welcher eben ein Tischchen mit darauf gestelltem Wurstkessel Platz hat.
Folgende von einem biedern Sachsen herstammende Bricfadrcssc ist kürzlich bei einem Berliner Postamte eingegangen: „an Harn
Eischen Kehler,
auß dräsen, alleweile aber mit seine Frau in
Berlin.
im hodell te Rom under de Lindenbeeme, 's zimmer wees ich nich, aber der gällner.
de briefmarge is uf de andre seide, indem, weil se hier nich mähr hingink."
Der Brief kam aus Dresden Altstadt 1. Auf der Rückseite war zu lesen: „absänder Karl Fogge. geht niemanden nischt an!"
(Wachs als Hühneraugenmittel.j Zn Nutz uud Frommen für alle Hühneraugen- Leidende sei das folgende, höchst einfache und doch erfolgreiche Mittel empfohlen. Es ist dies reines, gelbes Wachs, ohne irgend welchen Zusatz; und zwar streicht man dasselbe auf Papier, so groß, als zur Bedeckung des Hühnerauges nötig ist, legt cs auf und nach einigen Tagen kann man das Hühnerauge vollständig herausheben.
(Als Mundwasser für künstliche Gebisses empfiehlt die „Fdgr.": Rataniatinktur 20 F, Löffelkrautspiritus 100 § Thymol 1 § Pfeffermünzöl 20 Tropfen. Man läßt dies in der Apotheke bereiten. Hiervon werden 12 Tropfen in '/? I Wasser gegeben und damit, besonders nach dem Essen, den Mund ausgespült. Es vertreibt nicht nur üble Gerüche, sondern stärkt auch das Zahnfleisch.
(Verbesserung des Leimes.j Um demselben eine größere Bindekraft zu geben und seine längere Aufbewahrung zu ermöglichen , setze man demselben etwas Glyzerin zu.
(Heuwasserj ist das beste Reinigungsmittel für Blech-, Holz- und Eisenwaren. In den Milchereien Irlands wird jedes zur Milch benützte Gefäß mit Heuwasser ausgespült. Man kocht eine Hand voll Heu in Wasser und schüttet dasselbe dann heiß in das zu reinigende Gefäß.
Soziales Bild aus Ungarn.
Ein Cziko auf der Haide saß
Und ganz vergnügt sein Frühstück aß.
Da trat zu ihm ein Herr Magnat,
Die man in Ungarn häufig hat.
Der sprach: „Du lieber Cziko, sag,
Was treibst Du hier den ganzen Tag?"
„Ich esse Paprika mit Speck!"
Erwiderte der Cziko keck.
Drauf der Magnat: „Nun sag' mir an, Wie man das blos vertragen kann."
Da hat der Cziko sehr gelacht;
Die Frage hat ihm Spaß gemacht.
Er sprach: „Wenn Magen hat Katarrh. So ißt man Speck mit Paprika!
Doch ist Katarrh dann wieder weg,
So ißt man Paprika mit Speck!"
(Gereimte Verhaltungsmaßregeln für Pferdebesitzcr.) Der „Sporn" bringt einen nicht neuen, doch immer beherzigenswerten Reim, welcher in England in vielen Ställen angeschlagen sein soll:
„Bergauf — treibe mich nicht,
Bergab — überjage mich nicht,
Auf der Ebene — schone mich nicht, Im Stalle — vergiß mich nicht,
Des Heu's und Hafers — beraube mich nicht,
Mit gutem Wasser — geize nicht, Schwamm und Bürste — schone nicht, Weiches, trockenes Lager — entzieh mir nicht,
Wenn müde und im Schweiß — vergiß mich nicht,
Wenn krank oder naß — vor Zugluft schütze mich,
Mit den Zügeln — reiß mich nicht." Bist Du verärgert — dann hau mich nicht."
(Aus Kindermund.) „Mutter! der Eduard läßt mir gar keinen Platz im Bette!" „Keinen Platz? Will er denn mehr als die Hälfte haben?" „Er will seine Hälfte in der Mitte haben und ich soll auf beiden Seiten liegen!"
(Aus der sächsischen Schule.) Lehrer: Wer kann mir sagen, wo Bärne liegt? (Ein Schüler hebt die Hand auf.) Lehrer: Nu, sag' ämal. Schüler: De Bärne liegt unter'n Bärnboome.
(Nach der Philosophiestunde.) Professor (das Buch zuklappend:) „So, jetzt sind wir mit dem Verstände fertig, das nächste Mal kommen wir zur Vernunft."
Auflösung des Rätsels in Nr. 123.
Bein — Beduin.
Goldkurs der K. Staatskassenverwaltung
vom 1. August 1885. 20-Frankenstücke: . . . 16 14 ^
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.