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Gabe ist willkommen: es ist vom höchsten Werte, daß alle Klassen des Volkes, und nicht zum mindesten diejenigen, welche dem Kanzler so viele Sorge für ihr Wohl danken, unter den Gebern in großer Zahl vertreten sind.

Die Gaben sollten in Einer Summe zusammenfließen, um als der Anteil unserer schwäbischen Heimat dem nationalen Ehren­geschenk von ganz Deutschland cingereiht zu werden. Wir bitten, die Gelder seiner Zeit an unseren Schatzmeister, Kommerzien­rat Heinrich Widemann in Stuttgart, ein­senden zu wollen.

Im Februar 1885.

Folgt eine große Zahl von Unter­schriften aus allen Kreisen Württembergs. Unterzeichnet haben für Calw: Stadt­schultheiß Haffner. Fabikant Engen Stalin. Schultheiß Scholl, Unterreichenbach; für Neuenbürg: Oberamtsrichter Lägeler. Stadtschnltheiß Bub. Präzeptor Wörz.

DieAllg. Ztg." schreibt: Unsere neu- liche Meldung, daß die bisher zweimal wöchentlich verkehrenden Orientexpreßzüge in täglich verkehrende Züge umgewandelt werden sollen, ist durch das bis jetzt be­kannt gewordene Ergebnis der internatio­nalen Fahrplankonferenz zu Straßburg vom 14. und 15. Januar vollinhaltlich bestätigt worden. Die Orientzüge werden auf der Strecke zwischen Paris und Wien mit Einführung des Sommerfahrplans täglich gefahren werden und durch Be­seitigung aller irgend entbehrlichen Aufent­halte eine erhebliche Abkürzung der Fahr­zeit erhalten. Während die gewöhnlichen Schnellzüge zwischen Paris und Wien eine Fahrdauer von 34 Stunden haben, wird der Orient-Expreßzug diesen Weg in 26 bis 27 Stunden zurücklegen.

Der Ingenieur Konradi und eine An­zahl Berliner Handwerker, welche am 18. Oktober mit dem Herrn Lüderitz gehörigen Segelschiffe Tilly von Bremen absegelten, sind, wie nach Bremen telegraphisch ge­meldet worden, nach einer Fahrt von über 80 Tagen wohlbehalten in Angra Pequena angekommen. Konradi hat mit seinen Handwerkern die Aufgabe übernommen, Bohrversuche aus Wasser vorzunehmen. Nach derVossischen Z." hat ein Berliner Glockengießermeister vor kurzem zwei große Kirchenglocken nach den neu erworbenen deutschen Kolonien in Westafrika abgesandt und ist mit dem Gusse zweier anderer dorthin bestimmten Glocken beschäftigt.

Aus Sachsen, 2. Febr. In Meißen wird dem Fürsten Bismarck zur Feier seines 70. Geburtstages ein eiserner Obelisk gesetzt werden.

Reichshofen, 1. Febr. Am 16. Januar letzthin beschenkte der liebe Gott den Schlosser Leo Rosio und seine Ehe­frau Katharina Wackermann mit dem neunten Knaben. Die acht Brüder des­selben erfreuen sich des besten Wohlseins. Durch Schreiben vom 29. Januar hat der Kaiser und König geruht, die Patenstelle bei dem neuen Weltbürger zu übernehmen und dabei gestattet, daß sein Name sowohl in die Standcsregister als auch in das Kirchenbuch eingetragen wird. Dem Schrei­ben lag auch gleich ein Geschenk für den Täufling bei.

In Baden bestehen zur Zeit 106 evangelische Kirchengesangvereine, die das nächste allgemeine Kirchengesangsest im Jahre 1887 abhalten werden.

Konstanz, 4. Febr. Auf dem Boden­see besitzen Baden und Württemberg zur Zeit je 7 Dampsboote, Bayern 6 ,die schwei­zerische Nordostbahn 5. Oesterreich 3, die Gesellschaft Schaffhausen für den Dienst auf dem Unterste und Rhein ebenfalls 3, zusammen die stattliche Zahl von 31 Per- sonendampfbootcn.

Pforzheim. Allem Anscheine nach bringt das Frühjahr in das Bauhandwerk unserer Stadt wieder reges Leben. Da und dort hört man von in Aussicht stehen­den Neubauten, wozu auch wohl die That- sache Veranlassung gibt, daß größere und bessere Wohnungen zur Zeit sehr gesucht sind. (Pf. B.)

Bei dem gegenwärtig beispiellos billigen Preis des Zuckers möchte cs weitere Kreise interessieren, was derselbe früher gekostet hat, und findet man in einem von der Stuttgarter Firma Jobst L Klein vom Herbst 1813 datierten Preiscourant ver­zeichnet: Holländischer Melis in Hüten fl. 1 . 87 -- 3. 20 ^ Pr. Pfd., Meht- zucker fl. 1 . 30 2. 57 ^ Pr. Pfund. Brasilian. Zucker fl. 1. 12 2. 06 Pr. Pfund.

Württemberg.

Im Druck erschienen ist der Entwurf eines Gesetzes betreffend die Entschädigung für die an Milzbrand gefallene Tiere. Nach dieser Vorlage, welche einem vielfach ge­äußerten Wunsch der Landwirte entgegen­kommt und einem Beschluß der Kammer der Abgeordneten entspricht, sind die zur Bestreitung der Entschädigung erforderlichen Beträge von den Besitzern der Tiere ge­nannter Gattungen anfzubringen. Es soll übrigens die Aufbringung der Mittel zur Deckung der Entschädigungen nicht etwa in besonderer Umlage, sondern gemeinsam mit Aufbringung der Mittel für die nach dem Reichsviehseuchengesetz zu gewähren­den Entschädigungen erfolgen.

Der Wert des Biehstandes in Württem­berg bezifferte sich im Jahre 1883 auf ca. 235 Millionen Mark und zwar für Pferde ca. 40 Mill., Rindvieh 169, Schafe 13. Schweine 13, Ziegen ^ Mill.

Die Stuttgarter Bankhäuser über­nehmen die Versicherung der in die am 19. Februar stattfindende Verlosung fallen­den Württembergischen Staatsobligationen.

In Ay bei Oberkirchberg wurde am Montag eine mächtige Eismasse, die sich dort angesammelt hatte und von welcher bei rasch eintretendem Tauwetter Schaden für das dortige Fabrikwehr befürchtet wurde, durch Ulmer Pioniere durch Schieß­baumwolle gesprengt. Die Wirkung der Explosion war eine ganz außerordentliche und es wurden die Eisbänke vollständig zerrissen. Der Knall wurde bis nach Ulm (eine Entfernung von ca. 2 Stunden) ge­hört.

Neuenbürg, 4. Februar. Letzten Montag hielt Hr. Präzeptor Wörz im Gewerbeverein einen Vortrag überEduard Mörike, sein Leben und seine Werke." Redner schildert zunächst in Kürze den Lebensgang dieses schwäbischen Dichters, dessen Mund Liederechtester Poesie und

graziösesten Humors" entquollen und zeich­net Mörike als einen der größten Lyriker aller Zeiten. Sein Marmorbild wurde im Sommer 1880 in unserer Landeshaupt­stadt enthüllt. Mörike gehöre nicht zu den populären Dichtern und nehme nicht den Rang ein, der ihm gebühre; die Ge­schichte der deutschen Nationalliteratur des 19. Jahrhunderts nenne ihn aber den vornehmsten unter den jüngeren Mit­gliedern der schwäbischen Dichterschule", als deren Haupt Uhland gelte. Zum richtigen Verständnis und Genuß der Werke Mörikes gehöre ein eingehendes, liebevolles Studium. Der Lebensgang M. weist keine außergewöhnlichen Momente auf; er er­blickte das Licht der Welt am 8. Septbr. 1804 als Sohn des Obcramtsarzts in Ludwigsburg, welcher starb, als der Sohn erst 12 Jahre alt war. Im Jahr 1818 trat M. ins Seminar Urach ein, um sich der theologischen Laufbahn zu widmen. 1822 bezog unser Dichter das Stift zu Tübingen, wo er neben poetischem Schaffen fleißig Philosophie und Theologie studierte. An dem studentischen Treiben fand er keinen Gefallen, woraus man übrigens nicht den Schluß ziehen dürfe, daß er ein Philister gewesen; er war recht vergnügt und fühlte sich wohl. Nach den obligaten 4 Stiftsjahren legte M. (Herbst 1826) die erste theologische Dienstprüfung ab und durfte nun 8 volle Jahre die Freuden und Leiden eines Vikars und Pfarrver- wesers durchkosten. 1834 wurde M. Pfarrer in Cleversulzbach in der Nähe Weinsbergs, wo er auch in Verkehr zu Justinus Kerner trat. Bekannt ist, daß er während seines dortigen Aufenthalts das Grab von Schillers Mutter, das der Vergessenheit anheimgefallen war, in wür­diger Weise zierte. Hwrauf hat Bezug das GedichtAuf das Grab von Schillers Mutter" (1837). Bereits im zweiten Jahre seiner Thätigkeit in Cl. fing unser Dichter an wieder in ernstem Grade zu kränkeln und sah sich in Folge dies ver­anlaßt, sein Amt (1843) im 40. Lebens­jahre niederzulegen. Er privasierte in Hall und Mergentheim (184551), bis er als Professor der Literatur an das Katharinenstift nach Stuttgart berufen wurde. In demselben Jahre trat er in den Stand der Ehe. Ein Jahr nach seiner Vermählung wurde er von der philo­sophischen Fakultät unserer Landesuniver­sität zum öoetor donorw cmrwa ernannt, wegen seiner vorzüglichen Verdienste um die schwäbische Dichtkunst." Nach 15jähr. segensreicher Wirksamkeit legte er 1866 seine estnttgarter Professur nieder. Er lebte noch bis 4. Juni 1875 in der Haupt­stadt unseres Landes und erlag einer schmerzhaften Krankheit. Auf dem Prag­sriedhof hat er seine letzte Ruhe gefunden. Ein ehernes Medaillon mit dem Profil des Entschlafenen schmückt sein Grab. Redner wirft nun unter Anführung einiger Proben aus Mörikes Werken einen aka­demischen Blick auf das poetische Schaffen unsers Dichters: einer Thätigkeit von solch herrlichen Erfolgen begleitet, daß sie ihm eine bleibende Stelle in der deutschen Literatur sichert. Schon frühe regte sich in M. der dichterische Genius; ein träumer­isches, zum Phantasieren hinneigendes Naturell zeigte sich schon in dem kleinen