731

Amtsbezirken, sondern auch in Stuttgart und an anderen Orten haben die er­gangenen Einladungen so zahlreiche Unter­schriften sehr angesehener Männer ge­funden, daß die definitive Konstituierung des Vereins nunmehr ins Auge gefaßt werden kann und dem Vernehmen nach demnächst eine Generalversammlung zu diesem Behnfc nach Stuttgart einberufen werden wird. Ein öffentliche Einladung zum Eintritt in den Verein steht ebenfalls bevor. Wir hoffen, daß der neue Verein namentlich in Anbetracht des gemein­nützigen Zwecks, welchen er verfolgt, in unserem Lande recht zahlreiche Mitglieder finden und dessen Wirksamkeit von gleich segensreichem Erfolge begleitet sein wird, wie ihn der in Baden schon seit längerer Zeit bestehende Schwesterverein aufzu­weisen hat. (S. M.)

Vom Taub ergrun d, 7. Nov. Am gestrigen Mittwoch vereinigte sich eine große Anzahl nationalgesinnter Wähler aus allen 4 Oberämtern des Wahlkreises in Mergentheim, um ihrem Kandidaten, Revierförster Keller, den Dank für seine treue Hingebung an die nationale Sache auszudrücken. Mit gehobeneren Gefühlen, mit hoffnungsfreudigeren Empfindungen ist wohl selten eine Wahlniederlage gefeiert worden. War man sich doch bewußt, daß der demokratische Sieg, der mir auf Grund unnatürlicher Bündnisse so mühsam er­rungen werden konnte, einer moralischen Niederlage gleichkomme, welche zugleich einen moralischen Sieg für die nationale Sache und die Bürgschaft des künftigen faktischen Sieges in sich schließe.

Nach den Wahlen.

Bei dem jeweiligen Herannahen der Reichstagswahlen pflegen die politischen Parteien in den Anstrengungen für das Durchbringen ihrer Kandidaten sich mehr und mehr zu überbieten, die Wahlaufrufe nehmen vielfach einen leidenschaftlichen Charakter an, man befleißigt sich nicht immer einer vornehmen Objektivität und vergißt nur zu leicht, daß auch der Gegner in manchen Dingen Recht hat, daß auch ihm Vaterlandsliebe und ehrliches Streben nach der Verbesserung des Gemeinwesens nicht ohne Weiteres abgesprochen werden kann.

In ihren Bestrebungen gehen nicht nur die einzelnen Parteien unter sich weit aus­einander, sondern manchmal differieren auch die sogenannten staatserhaltenden Parteien mit der Regierung es sei an das Tabaksmonopol erinnert, gegen wel­ches nicht nur sämtliche Nationalliberalen, sondern auch die meisten Freikonservativen und ein großer Teil der Konservativen ge­stimmt haben. Die Einen streben Schutz­zoll an, die Anderen erwarten von dem Freihandel Besserung der wirtschaftlichen Zustände. Welches von Beiden das Rich­tige ist, läßt sich mit Ja und Nein nicht ohne Weiteres entscheiden, es kommen da­bei Zeitverhältnisse, geographische Lage, die Entwicklung der gewerblichen Thätig- keit und Umstände mannichsacher Art in Betracht. Während England durch seine Freihandelspolitik in den letzten Jahrzehnten enorme Reichtümer erworben, hat das schutzzöllnerische Nordamerika in seinen wirtschaftlichen Verhältnissen einen unge­

heuren Aufschwung genommen. Wer wollte cs unternehmen, ein richtiges Urteil dar­über abzugeben, wie es in England heute aussehen würde, wenn es in den letzten 30 Jahren Schutzzollpolitik und in Amerika, wenn es in der gleichen Zeit Freihandel getrieben hätte!

Zu den Grundprinzipien der national­liberalen Partei gehört einerseits die Er­haltung der Grundlagen des Staates und der Gesellschaft, wozu eine starke, schlag­fertige Armee, überhaupt die Ausbildung der Wehrkraft der Nation erforderlich ist, andererseits aber auch die politische und religiöse Freiheit, das Festhalten an den wesentlichsten liberalen Errungenschaften der letzten zehn Jahre, Hochhaltung der Gewerbcsreiheit und Freizügigkeit, energische Bekämpfung des I n n u n g s- wcsens in jeder Gestalt, und Festhalten an den einjährigen Budget-Perioden.

Ueber die Erhöhung der Getreide­zölle sagt die gut nationale, mit der Re­gierung auf bestem Fuß stehende Kölnische Zeitung in einem sehr beachtenswerten, jedenfalls von einem hervorragenden Na­tionalökonomen geschriebenen Leitartikel (Nr. 280 I. Blatt), es sei jedenfalls die Behauptung, daß eine Verdoppelung der bisherigen Zölle ohne Schädigung der Consumenten durckizuführen sei, unbedingt zurückznweisen. Eine solche würde für die Bewohner unseres Wahlkreises, der kein Getreide exportiert, dagegen einen wesent­lichen Teil seines Bedarfs einführen muß, von nachteiliger Wirkung sein.

In dem Wahlaufruf zu Nr. 171 des Enzthälcrs für Herrn Staelin heißt es, die Waldbesitzer, Sägmüller und Holzhauer hätten einen großen Gewinn davon gehabt, wenn die Holzzölle erhöht worden wären. Die Richtigkeit dieser Behauptung in Bezug auf die Sägmüller und Holz­hauer muß der Einsender dieses, welcher selbst Teilhaber eines nicht unbedeutenden Sägewerks ist, auf das Entschiedenste be­streiten. Der Waldbesitzer mag besonders in den ersten Jahren nach Erhöhung der Holzzölle dadurch sein Produkt besser ver­werten, was aber der Sägmüller oder gar der Holzhauer dadurch profitieren soll, das ist uns rein unerfindlich. Im Gegenteil, wir nach unseren bisherigen Erfahrungen sind der festen Ueberzeugung, daß eine Erhöhung der bestehenden Holzzölle der Holzindustrie des Württcmb. Schwarz­waldes dann nur Nachteil bringen würde, wenn nicht gleichzeitig die Hvlztarife der Württcmbergischen Bahn reguliert und mit denjenigen anderer deutschen Bahnver­waltungen in Einklang gebracht würden. Diese fährt viel teurer, wie die bayerischen und rheinischen Bahnen. Wie sollen wir die weit billiger transportierende bayerische und österreichische Konkurrenz nach Holland und an den Nicderrhein aushalten können, wenn man uns durch Erhöhung der Zölle das Rohprodukt verteuert und uns nicht gleichzeitig durch Reduktion der Frachttarife hierfür ein Aequivalent schafft? Das hat auch Niemand Geringeres eingesehen als der Herr Reichskanzler selbst, denn als er für die Erhöhung der Holzzölle eintrat, betonte er gleichzeitig die Notwendigkeit der Richtigstellung der Holztarife inner­halb des Deutschen Reichs.

In dem genannten Wahlaufruf ist ferner gesagt, unsere acht Württembergischen De­mokraten hätten Mann für Mann in dem Reichstage gegen die Erhöhung der Holzzölle gestimmt. Das ist richtig, das gleiche haben aber auch nahezu sämtliche Nationalliberalen gethan und cs war gerade Einer der ihrigen, der Geheime Kommerzienrat Oechelhäuser, welcher die bemerkenswerteste und schnei­digste Rede gegen jene Erhöhung gehal­ten hat.

Der Einsender dieses schließt mit der dringenden Bitte an den Herrn Neichs- tagsabgcvrdneten, nur dann für eine mäßige Erhöhung der Holzzölle mit seinem Einfluß und seiner Stimme einzutrcten, wenn im Zusammenhang damit die Tariffrage ihre Erledigung findet, jeder weiteren Beschränkung der Gcwerbefreiheit aber unbedingt seine Zustimmung zu ver­sagen.

Ein nationalliberaler Wähler.

Auslan d.

Paris, 8. Nov. Heute Nachmittag unternahmen die Kapitäne Krebs und Renard in Meudon mit ihrem lenkbaren Luftschiff die dritte Fahrt, die einen voll­ständigen Erfolg hatte. Der Ballon er­hob sich um '/4l Uhr langsam, bewegte sich in der Richtung nach Paris bis über die Insel Billancourt, über der er Halt machte; dann begann die während der Haltezeit unbeweglich gebliebene Schraube zu arbeiten, der Ballon führte eine Schwenkung in kurzem Bogeu aus und kehrte, genan dem Thal von Medon folgend, wieder nach der Ballonwerkstätte im Park von Chalais zurück, wo er genau an der Stelle, wo er anfgestiegen war, landete. Die Fahrt hin und zurück hatte 45 Min. gedauert. (S. M.)

Paris, 11. Nov., Nachts Am 10. von Mitternacht bis Abends elf wurden 152 Cholerakrankc und 33 Choleratote angezeiat, hierzu kommen die bereits ge­meldeten siebenzehn Choleratoten in dem Hospital der Avenue Breteuil.

«St.-Anz.)

Zum Präsidenten der Nordamerikani­schen Union ist Cleveland, der bisherige Gouverneur von Newyork, der Kandidat der Demokratie erwählt worden. Er wird im März 1885 die Präsidentschaft an- treten.

Miszellen.

Hin Wädcherrtos.

«Fortsetzung.)

Eben als Hambach zu seiner Recht­fertigung den Mund aufthun wollte, kehrte der Kommissar höflich zurück mit der Erklärung:

Die Sache hat sich als ein Mißver­ständnis ausgewiesen. Nehmen Sie cs nicht übel, daß Sie inkommodiert, und mit Ihrem Mittagessen ein wenig verspätet worden sind. Letzteres trage ich selbst mit Ihnen und zwar bloß um Ihretwillen. Reisen Sie glücklich und nehmen Sie meine Gratulation zu dem hübschen Gewinnstc, den Sie in Frankfurt zu empfangen haben. Möchte das Los Deutschlands aus dem Glücksradc des Parlaments bald gleich Ihrer Nummer, mit dem höchsten Treffer herauskommen!