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Kronik.
Deutschland.
Berlin, 28. Okt. Der Reichstags- Abgeordnete Dr. Friedrich Kapp ist gestorben. Friedrich Kapp hat sich insbesondere einen Namen gemacht durch seine Werke über Amerika, die Früchte seines zwanzigjährigen Aufenthalts in den Vereinigten Staaten.
Der Voss. Z. wird aus Braunscheig telegraphirt: Im Landtage wurde nach Annahme der Resolution ein Schreiben des Kaisers an den Regentschaftsrat verlesen, worin der Kaiser die Anträge des Rats genehmigt und dessen Schritte billigt. Darauf wurde der Landtag vertagt.
Die „Frkf. Z." erfährt als zuverlässig, daß Preußen keine Ansprüche auf Braunschweig erheben, sondern nur die Thronfolge Cumberlands verhindern will. Im Uebrigen wird Preußen auf die gesetzlich vorgesehenen Entscheidungen des Bundesrats einerseits, der braunschweiger Landesvertretungen und des Regentschaftsrats anderseits keine Pression ausüben.
Straßburg, 26. Okt Mit dem heutigen Tage beginnen die Feierlichkeiten zur Einweihung des Universitätsgebüudcs, durch welche kundgethan werden soll, welche Bedeutung das Reich, die Reichslande und die Stadt Straßburg der Universität, der wiedergewonnenen altehrwürdigen „Argentina", beimessen. Sie haben ihr ein herrliches Heim errichtet und morgen wird die ulma water mit festlichem Gepränge ihren Einzug halten.
Pforzheim. Sonntag 2. November abends 6'/, Uhr findet im Museumssaale im Musikverein ein Konzert statt unter Mitwirkung des Violinvirtuosen Maurice Dangremout, der Altistin Frau Johanna Wagner, Berlin und des Hofpianisten Paul Eckhoff, Sondershausen. Fremdenkarten sind bei Hrn. Bergötz am Markt zu beziehen.
Pforzheim. Am 9. ds. hat sich der Bijouterielchrling I. Bischofs von Dietlingen anläßlich des Herbstes mit einer Pistole in den rechten Fuß (unterhalb dem Knöchel) geschossen und ist in Folge der erhaltenen Verletzung in der Nacht vom 19./20. d. Mts. gestorben.
(Pf. B.1
Stadt Pforzheim. Wahl-Ergebnis. Klumpp 1655, Lichtenauer 120, Reichert 117, Blos 516 Stimmen.
Württemberg.
Stuttgart, 28. Okt. Reichstags- Wahl. Es erhielten bis jetzt: Tritschler 6536, Schott 4862, Brvnnenmayer 3241 Stimmen. Einige Ortschaften stehen bis jetzt noch aus, die erst morgen ihre Resultate einsenden können. — Stichwahl wahrscheinlich. (S. C.-B.)
Stuttgart, 25. Okt. Heute hat die Einweihung des Denkmals des höchstseligen Königs Wilhelm im Hof des Museums der bildenden Künste stattgefunden. Dieselbe nahm in Anwesenheit von hohen Mitgliedern des K. Hauses und Hofstaates, Ihrer Exzell, der H.H. Minister und einer großen Zahl sonstiger Teilnehmer den schönsten Verlauf. Prinz Weimar hielt die Eröffnungsrede, Professor Weitbrecht die Weiherede. Die
erhebende Feier trug den Stempel eines edlen Patriotismus, der zeigte, daß das Gedächtnis an den verewigten König Wilhelm in den Herzen der Angehörigen seines von ihm über Alles geliebten Württembergs unauslöschlich fortlebt. Dem greisen Altmeister und genialen Schöpfer des Denkmals, Hofbildhauer v. Hofer, haben Seine Majestät der König das Kommenthurkreuz HöchstJhres Friedrichsordens gnädigst verliehen; die Stadt Stuttgart hat ihn zu ihrem Ehrenbürger ernannt.
Ludwigsburg, 25. Okt. Der kleine Exerzierplatz in der Nähe des Karlsplatzes bietet gegenwärtig viel Interesse für Neugierige. Seit Anfang dieser Woche sieht man eine Anzahl Mannschaften des Beurlaubtenstandes, größtenteils Maurer, daselbstbeschäftigt, Feldbacköfen herzustellen. Die Arbeiten finden unter Leitung eines Technikers der Königl. Militärverwaltung statt; die für die Hebungen in Anspruch genommene Zeit ist auf ca. 14 Tage berechnet. In nächster Woche werden, sobald die Backöfen vollends erstellt sind, Backversuche in denselben vorgenommen.
Weilimdorf, 28. Okt. Heute früh wurde unser Ort von einem schweren Unglücksfall betroffen. Während die Ehefrau des Glaser Seeger ihre Kühe molk, brach über ihr die Decke des Stalles zusammen, so daß sie in Folge der Verschüttung augenblicklich tot war und nur mit Mühe aus dem Schutt herausgeschafft werden konnte. Die Verunglückte war 35 Jahr alt, sie war eine wackere fleißige Frau. Fünf Kinder trauern um die Mutter. (S. M.)
Heiden heim, 27. Oktober. Dem Weber F., der diesen Sommer in den Schloßbrunnen hinunterstürzte und auf merkwürdige Weise mit dem Leben davon kam, drohte gestern abermals der Tod des Ertrinkens. Er sollte im Aufträge einer ParteiWahlzettel nach Schnaitheim bringen, verweilte sich aber zu lange in einem hiesigen Wirtshause, er geriet in den bei der Kattunfabrik befindlichen See. Auf sein Rufen um Hilfe eilten einige Arbeiter herbei, zogen ihn heraus und transportierten ihn samt den durchnäßten Wahlzetteln nach Hause.
Leonberg, 27. Okt. Gestern Nacht hatten wir einen furchtbaren Sturm, welcher ein vor der Stadt stehendes, noch nicht lange anfgerichtetes Haus bis auf den Unterstock einriß. Die Straße nach Höfingen wurde von dem Gebälk ganz überschüttet. (S. M.)
Nagold, 22. Okt. Die Nichtachtung einer geringfügigen Wunde am Fuße durch fortgesetzte Arbeit im Freien bei nassem Boden und presthafter Fußbekleidung hat den 24jährigen Bauernknecht Günther von Beihingen, welcher in Altuuifra im Dienste stand, in voriger Woche das Leben gekostet. Bor 14 Tagen schwoll der Fuß an, wurde brandig und Hütte abgenommcu werden müssen, wenn nicht die eingetretene Blutvergiftung ein schnelles Lebensende herbeigeführt hätte. (Ges.)
Nagold, 25. Okt. Gestern Abend wollte ein junger Bürger, Tuchmacher Wagner von hier, Vater von 6 kleinen Kindern, Garben durch das sog. Scheuernloch werfen und stürzte hiebei, sei es daß
er ausglitt, sei es, daß ein Sprossen der Scheuernleiter brach, vom obersten Dachboden auf die Tenne herab. Ein Schädelbruch, wie noch andere innere schwere Verletzungen ließen ihn von dem Sturze an nicht mehr zur Besinnung kommen, bis er heute Abend seinen Geist aufgab.
<S. M,'
Mi-yellcii.
Ein Wädchenks.
(Fortsetzung.)
Die am Fenster Beratenden achteten nicht darauf, daß mehr und mehr Menschen sich um das Haus versammelten, bis ein entsetzliches Vivat hoch! erscholl.
Ehe der betroffene Remmert aber das Fenster erreichte, zu sehen, wem es gelte, traten 3 lumpige, bärtige Gesellen in die Stube, reichten dem Forstlaufer die Hand und wünschten ihm Glück zum großen
Gewinn.-Endlich ist doch einem
edeln Volksmann ein Glück, uns Allen voraus, zu Teil geworden, sprach der Wortführer, und unserm lieben Alten wird nun zuerst die Freude, zu zeigen, wie's Brüder miteinander halten sollen.
Nicht wahr, Konrad?
Was wollt ihr, besoffene Schlingel? fuhr Remmert sie plötzlich an. Teilen wollt ihr, ihr Sackermenter?
Bruder, was ist das? versetzte der Sprecher. Ei wie kommst Du dazu, jetzt zu schimpfen? Seht doch! Bisher hast Du aus dem großen Maul mit uns geteilt, nun thu' auch einmal die Taschen auf!
Was? schrie der Alte von Jähzorn hingerissen. Euch soll gleich ein Donnerwetter, wenn ihr euch nicht auf der Stelle zum Teufel scheert! Teilen wollt ihr? Gut! Wir wollen kurze fünfzehn machen, — ich will mit euch teilen!
Und indem er mehrere Bilder von der Wand riß, und jedem der drei Abgeordneten eines, daß das Glas und Rahmen brachen, vor die Füße warf, schrie er:
Da hast Du den Schlöffet! Da hast Du den Blum! Und Du den Trützschler! Und hier teilt euch in den Zitz — nach der Elle, — ihr zerlumpten Gauner! Ich will nichts mehr mit euch zu thun haben, ihr Hallunken!
Das war aber zuviel, selbst — oder besonders für Betrunkene. Sie drangen auf den Alten ein. Die beiden Mädchen sprangen abwehrend dazwischen; der Advokat bot Vergleiche an, worauf aber der unbedachte Alte — was Vergleich! rief, mit Pöbel ist kein Vergleich;
Dies damals so höchst verpönte Wort, zündete wie Pulver. — Pöbel hat er gesagt; schrieen sie durcheinander, und Einer rief zum Fenster hinaus:
Volk, deutsches Volk, komm' herein! Hier hat euch ein Verräter „Pöbel" geschimpft. Hängt den Verräter aufi^Er ist von Oesterreich bestochen und erkauft, und will Alles für sich behalten, der Russenspion !
Doch der Alte kam weiteren Angriffen mit einem raschen Ruck nach seiner Doppelbüchse zuvor, und schlug an.
Die Mädchen entflohen schreiend, der Wirt zog sich hinter Remmcrt's Rücken, der Advokat unter den Tisch; und es wäre ohne Zweifel zu Schlag und Schuß