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schließung des K. Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten, Abteilung für die Verkehrsanstalten, vom 8. d. M. die Postverbindungen des Landes in der Weise und mit den Kurszeiten zur Ausführung, welche in der neu im Druck ausgegcbenen „Uebersicht der K. Württ. Postverbindungen vom 15. Oktober 1884 an" enthalten sind. Diese Postverbindungs-Uebersicht wirh an jedem Postschalter angeschlagen und kann bei den Postanstalten um 20 Pf. bezogen werden.
Auf den württembergifchen Staats- und Privat-Eisenbahnen tritt 15 Oktober die durch Entschließung des K. Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten, Abteilung für die Verkehrsanstalten, vom 6. September 1884 festgestelte Winterfahrordnung für 1884/85 in Kraft.
Da eine für das dienstliche Bedürfnis genügende Anzahl von Eisenbahn- und Postpraktikanten im Fachbildungsdicnst sich befindet, bezw. aus den hiefür vor- gemerklen Bewerbern einberufen werden kann, so wird in diesem Jahre eine Aufnahmeprüfung für den Dienst der Verkehrsanstalten nicht gehalten.
Stuttgart. Die Eingabe der Holz verarbeitenden und verwandten Betriebe zur Bildung einer Berufsgenossenschaft in Württemberg gieng am 6. Okt. an das Reichsversicherungsamt in Berlin ab. Bis jetzt haben 183 Unternehmer mit 5114 Arbeiter zugestimmt, doch stehen noch viele Antworten aus, da besonders kleineren Unternehmern die Frage über die Wirksamkeit des Gesetzes noch vollständig unklar ist.
Cannstatt, 8. Okt. Bedeutende Ge- winnste der Voksfestlotterie sind nicht abgeholt worden: es sind dies: 1 Paar Ochsen mit Güllenwagen, 1 Pferd, 1 Kalbin, 1 Farrcnkalb und 1 Kuh.
Reutlingen, lO.Okt. Heute vormittag wurde unsere Frauenarbeitsschnle die Ehre zu Teil, einen Besuch des Staats-- ministers Dr. v. Geßler in Begleitung von dessen Gemahlin zu erhalten.
In 41 Weinorten des Remsthales mit einem geschätzten Gesamt-Erzeugnis von 47000 lll. beginnt die Weinlese den 16 Okt., in 10 Weinorten des Bezirks Besigheim am 13. Okt., in Heilbronn und in 46 weiteren Weinorten des unteren Nekar- thales am 15. Okt.
Während des heurigen Herbstes vom 13. —26. Oktober je einschließlich werden von den Bahnhöfen bezw. Eisenbahnstationen Waiblingen, Endersbach, Sers- Heim, Besigheim, Laufen a. N. und Oeh- ringen aus teils vermehrte, teils neue Personenpostfahrten eingeführt.
*Weinsberg. Die Weinlese des 1884er Herbstes steht vor der Thür und wird wohl Mitte kommender Woche beginnen. Ueberall frohe Gesichter! Das herrliche Wetter hat die edle Frucht des Weinstocks so prächtig entwickelt und gereift, daß wir wieder einmal ein Produkt erleben dürfen, wie es seit 1868 nicht da war. Wenn auch die Quantität nur einen halben Herbst repräsentiert, so freut man sich allgemein darüber, wieder einmal einen Ausstich zu bekommen, denn die Trauben — besonders aber Clevner und Trollinger, sowie Weiß-Rißlinge haben eine Qualität,
welche 1868 zu überbieten vermag, wäh-j rend auch die übrigen Sorten demselben wohl nichts nachgeben. Wir gönnen besonders auch den Käufern, daß sie durch eine recht gute Qualität und müßige Preise Heuer für das sich rcvangieren mögen, was der 1883er versprochen und nicht erfüllt hat. Die Weinberge selbst stehen noch durchaus belaubt da und es wird jeder Tag die Reife erhöhen, weshalb auch hier vor Mitte kommender Woche gar nicht ans Herbsten gedacht wirb.
Die Weingärtner-Gesellschaft Weinsberg, unter der bewährten Leitung ihres Vorstandes, Stadtschnltheiß Seufferheld hier, hat in den letzten Tagen die Visitation und Klassifizierung der Gesellschafts-Weinberge vorgenommen und hatte heute eine Generalversammlung, in welcher beschlossen wurde, erst am 15. mit der Clevnerlcse zu beginnen und in der Lese strenge zu sortieren. — Da Heuer wieder einmal ein Clevner- und Trollinger-Jahr ist, so werden diese Sorten reicher vertreten sein als seither; aber auch der Schiller, den die Gesellschaft in anerkennenswerter Weise anlegt, wird einen willkommenen Trunk für den Privatmann geben, da er alle Sorten vereint uud entschieden zu den gesundesten Weinen gehört. — Wie auch der Weinsberger Weiße den ersten Rang unter den württembergifchen Weißweinen einnimmt.
Die Gesellschaft wird auch Heuer wieder ihr Erzeugnis auf der wesentlich ver- vollkommneten Brüggemann'schcn Raspel mit Hilfe eines Locomobils raspeln. (Diese von Hrn. Fabrikant Brügge mann in Heilbronn nach rastlosen Studien so vollkommen konstruierte Maschine raspelt pro Stunde 22 Hektoliter und kostet 600 M., zum Handbetrieb 150 M.), und bietet so viele Vorzüge, daß sie alle vorhandenen Raspel-Systeme in Schatten stellt und mit vollem Recht empfohlen werden muß. Im landwirtschaftl. Wochenblatt wird s. Zt. die Beschreibung und Zeichnung der Maschine veröffentlicht werden. — Die Anschaffung beider Maschinen wurde ins Eigentum der Gesellschaft beschlossen, so daß sie nun neben ihren prächtig ansgelcgtcn Kellern und sonstigen Einrichtungen ihr ganzes Inventar im Eigentum hat. — Wünschen wir diesem schönen Unternehmen Blüte und Gedeihen und die Anerkennung, die es verdient.
Weingarten, 9. Okt. Im „Oberschwäbischen Anzeiger" liest man folgende unglaubliche Geschichte: An Blutvergiftung infolge einer Hühneraugen-Operation starb vorgestern dahier ein älterer aber bis dahin gesunder und kräftiger Mann, welcher erst vor einigen Monaten sich mit einer Witwe verehelicht hatte. Der Fall erregt allgemeines Aufsehen, weil den Operateur, einen Wundarzt, die Schuld an dem unglücklichen Ausgang zu treffen scheint. Letzterer ließ nämlich, als der Zustand des Kranken gefahrdrohend wurde, den praktischen Arzt, Dr. Gl. zu Hilfe rufen, weil der Kranke ein Schleimfieber habe, während der Arzt kein Schleimfieber vorfand, wohl aber ein brandig gewordenes und schon schwarz aussehendes Bein entdeckte; die Hilfe kam zu spät.
Neuenbürg, 12. Oktober. Gestern hatte auf den Höhen bei Loffenau (Teufels
mühle) Dobel und Langenbrand leichter Schneefall statt. Heute früh zeigten auch die Spitzen unserer höchsten Tannen einen leichten Weißen Flaum, der jedoch bald wieder verschwand. — Gegen 9 Uhr abends wurde am östlichen Himmel in der Richtung über Engelsbrand gegen Büchenbronn eine Röte sichtbar, die einen Brand vermuten ließ, aber keine weitere Ausdehnung annahm, wegen des starken Nebels indessen auch nicht weiter beobachtet werden konnte. Näheres noch nicht bekannt. (Das Gasthaus zur Linde in Büchenbronn sei abgebrannl.)
Neuenbürg, 13. Oktbr. Gestern Nacht gegen 10 Ühr kam in Gräfen- Hausen wieder Feuer ans, in der an das Wohnhaus angebauten Scheuer des resgn. Waldm. Wenz und E. W. Becht, Schreiners. Letztere ist abgebrannt, das Wohnhaus beschädigt. Der Brandschaden mag sich auf etwa 2000 Mark belaufen. Der Brand war für die Nachbarschaft gefahrdrohend, weshalb auch die hiesige Feuerwehr abgegangen. Glücklicherweise herrschte Windstille und konnte das Feuer auf die Scheuer beschränkt werden. Es wird Brandstiftung vermutet.
Stuttgart, 9. Oktbr. Kartoffel- Obst-u. Krautmarkt. Leonhardsplatz, 600 Säcke Kartoffeln ü 2 20 bis
2 ,/L 50 pr. Ztr. Wilhelmsplatz: 6000 Säcke Mostobst g. 5 40 bis 5 ^ 80 ^
pr. Ztr. Marktplatz: 5000 Stück Filder- kraut ä 10 bis 15 ^ pr. 100 St.
Neuenbürg, 13. Okt. Obstmarkt auf dem Bahnhof. Birnen 4 M. 60 bis 4 M. 80 pr. Ztr. Verkauf nicht lebhaft.
Miszellen.
Km Mädchenkos.
(Fortsetzung.)
3.
Der Pfarrer Mihm hatte sich eben zu seinem Frühstück gesetzt. Ein stark duftender Kaffee floß ihm aus seiner Filtrierkanne in eine große Tasse; eine Schnitte frischer Butter und eine Honigscheibe standen neben dem Backwerke seiner Haushälterin, der Jungfer Charitas oder Pfarrers Charitas, wie sie im Orte kurzweg hieß.
Seine Charitas, eine hübsche, blonde Person, reinlich, wenn auch eben nicht nett im Anzng bediente ihn ab- und zugehend und überlegte mit ihm den wirtschaftlichen Tag.
Mit Susettens Eintritt legte sie etwas von ihrer Freundlichkeit ab, machte sich aber öfter im Zimmer zu thun mit einer Miene die der Herr Pfarrer mit lächelnder Schonung behandelte, indem er jedesmal die schäkernde Art, die er gegen Susetten angenommen hatte, in einen salbungsvollen Ton umstimmte.
Mihm war überhaupt mehr ein Mann des Lebens als der Lehre, und gehörte noch zu dem älteren Schlage katholischer Priester, die mehr human — nicht wie die jüngeren bloß ultramontan gesalbt waren.
In seinem augenblicklichen Behagen mochte dem Pfarrer die Unruhe und Verwirrung der anmutigen Susette noch mehr anffallen. Nun denn, lieb Büschen in Tauner, sagte er, was giebt's denn, was ist denn vorgefallen?