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Kronik.
Deutschland.
Berlin, 18. Mai. Im Saale deS Architektenhauses wurde heute Mittag der nationalliberale Parteitag eröffnet. War der Neustadter Tag eine glänzende Kundgebung für das lebendige Fortwirken des Nationalliberalismus im Süden und Südwesten Deutschlands, so bildet der heutige allgemeine deutsche Parteitag die feierliche Bestätigung des Programms, als die nn- verrückbaree Basis festgelegt haben. Die Erklärung des heutigen Parteitages hat folgenden Wortlaut:
Die nationalliberale Partei hält an der Grundlage des Programmes vom 29. Mai 1881 fest: Sie steht in unverbrüchlicher Treue zu Kaiser und Reich, sowie zu der ungeschmälerten Aufrechterhaltung der durch die Reichsverfassung verbürgten Rechte der Volksvertretung. Sie wahrt ihre volle Selbstständigkeit und Unabhängigkeit nach allen Richtungen hin; die Verschmelzung mit anderen Parteien ist bei der gegenwärtigen Lage der Verhältnisse ausgeschlossen. Sie begrüßt mit lebhafter Befriedigung die auf dem Boden jenes Programmes stehende Heidelberger Kundgebung der süddeutschen Parteigenossen vom 23. März d. I. Sie erblickt
in derselben und in dem Anklange, welchen die Erklärung in den weitesten Kreisen gefunden, den erfreulichen Beweis für das in der Partei mit neuer Kraft erwachte politische Leben und für die Entschiedenheit und Energie, mit welcher die Parteigenossen in die Bewegung für die bevorstehenden Reichstagswahlen einzutreteu entschlossen sind. Mit den Nationalliberalen Süddeutschlands teilt die Partei die Ueber- zeugung, daß die Aufrechterhaltung des Gesetzes gegen'die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie zur Zeit noch eine Notwendigkeit war. Umsomehr erachten sie es aber für geboten, die Reichsrcgierung in ihren auf die Verbesserung der sozialen Lage der arbeitenden Klassen gerichteten Bestrebungen, vorbehaltlich einer sorgfältigen Prüfung der einzelnen Maßregeln, mit allen Kräften zu unterstützen. Sie wird vor allem dafür eintreten, daß das Unfallversicherungsgesetz noch im Lause dieser Session zu Stande kommt. Sie erwartet seitens der Gesinnungsgenossen in allen Teilen Deutschlands die gleiche Entschiedenheit und jene den Gegensatz örtlicher Interessen überwindende Einigkeit, welche den Erfolg verbürgt. Sie fordert aller Orten die Parteigenossen auf, sich zu sammeln und bei den bevorstehenden Wahlen mit voller Hingebung ihre politische Pflicht zu erfüllen.
<Fr. I.)
Der Bundesrat hat heute die Vorlage wegen der Dampfcrlinie angenommen. Der entscheidende Satz im ersten Paragraphen ermächtigt nunmehr den Reichskanzler, die Einrichtung und Unterhaltung von regelmäßigen Postdampfschiffverbind- ungeu zwischen Deutschland einerseits und Ostasien, beziehungsweise Australien andererseits auf die Dauer bis zu fünfzehn Jahren an geeignete Privatunternehmer zu übertragen.
Die deutsch-freisinnige Fraktion hat in einer Sitzung beschlossen, eine ablehnende Haltung gegenüber der Snbventionsvor- lage einzunehmen.
Aus Hamburg wird der Köln. Z. folgender Vorfall erzählt: „Ein junger Hamburger, der die besten Empfehlungen besitzt, reist nach Havre, um dort Anstellung zu finden. Es gelingt ihm auch, von der dortigen Firma Roubau fils als Volontär angenommen zu werden, kaum aber erfährt das Personal, daß es einen Deutschen als Kollegen begrüßen soll, so läßt es dem Chef durch den Prokuristen Erklärung abgeben, mit keinem Deutschen zusammen arbeiten zu wollen. Diesem Begehren hat der Chef nachgegeben und den kaum angestellten Volontär wieder entlassen."
Mit jedem Tage gewinnt der jetzt in Leipzig sich abspielende Prozeß Kraszewski an Interesse und Bedeutung. Während man Anfangs geglaubt hatte, daß es sich nur um ganz geringfügige Vergehen handle, erkennt man im Laufe der Verhandlungen, wie cs sich hier um bei weitem wichtigere Dinge handelt; ja es wird sogar immer wahrscheinlicher, daß sich an diesen Prozeß eine ganze Reihe internationaler Compli- kationen knüpfen werden. (Man sollte es kaum für glaublich halten, daß es in Deutschland solch traurige Kreaturen gibt,
die um schnöden Judaslohn ihr Vaterland verraten.)
Die Plaidoyers im Prozeß Kras- zweski-Hcntsch sind am Freitag zu Ende geführt worden. Der Staatsanwalt beantragte am Schlüsse seiner Rede, in welcher er die Anklage in allen Punkten aufrecht erhielt, gegen Hentsche eine Zuchthausstrafe von 10 Jahren und 10 Jahre Ehrverlust, gegen Kraszewski die Hälfte dieser Strafe. Die Verkündigung des Urteils erfolgt den 20. Mai.
Württemberg.
Bon den acht Handels- und Gewerbekammern, beziehungsweise von der Zentralstelle für die Landwirtschaft sind gemäß der K. Verordnung vom 20. Mürz 1881, betreffend die Bildung eines Beirats der Berkehrsanstalten, 16 Mitglieder des Beirats der Berkehrsanstalten und 16 Ersatzmänner derselben gewählt worden, darunter sind:
I. An Vertretern des Handels und der Gewerbe:
Ernst Ludwig Wagner, Sägwerksbesitzcr
in Ernstmühl OA. Calw.
Ersatzmann: Karl Frey, Holzhündler in Schwarzenberg, OA. Freuden- stadt.
II. An Vertretern der Landwirtschaft: Oekonomierat Burkhardt in Rottweil.
Ersatzmann: Horlacher, Gutsbesitzer in Calw.
Vom 20. Mai d. Js. an, an welchem Tag der Fahrplan der K. Württ. Eisenbahnen sür den Svmmerdienst 1884 in Wirksamkeit tritt, kommen zufolge der Entschließung des K. Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten, Abteilung für die Verkehrsanstalteu, vom 12. d. Mts. die Postverbindungen des Landes in der Weise und mit den Kurszeitcn zur Ausführung, welche in der neu im Druck aus- gegebenen „Uebersicht der K. Württ. Postverbindungen vom Mai 20. 1884 an" enthalten sind.
Diese Postverbindungs-Uebersicht wird an jedem Postschalter angeschlagen und kann bei den Pvstanstalten um 20 bezogen werden.
Nach denselben kommen n c u zur Ausführung :
Vom 20. Mai bis 30. September d. I. je einschließlich
zweite tägliche Personenpostcn zwischen Gernsbach und Schömnttnzach über Weisenbach und Forbach.
Vom 20. Mai bis 15. September d. I. je einschließlich
zweite tägliche Personenposten zwischen Ettlingen und Herrenalb über Marxzell;
zweite tägliche Personenposten zwischen Herrenalb unb Neuenbürg über Marxzell;
tägliche Personenposten zwischen Gernsbach und Herrenalb über Loffenau — an Stelle der inso- lange unterbleibenden Postbotenfahrten —
sowie
zweite und dritte tägliche Personenposten zwischen Ort und Bahnstation Teinach.
Die Art der Benützung der Eisenbahnzüge zur Postbesörderung ist aus der