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Württemberg.
Stuttgart, 26. März. Am Montag wurde feierlich der Grundstein zu der neuen Krippe „Zoar" gelegt, die au die Böheimstrasze zu stehen kommt.
Cannstatt, 26. März. Einer jener Hauptstromer, die sich nicht aus der Gegend von Stuttgart und Cannstatt vertreiben lassen, wurde, nach der Cannstatter Zeitung, gestern Nachmittag in Berg durch einen Schutzmann auf dem Bettel betreten und festgenommen. Da er sich aber bewußt war, daß nicht blos eine Strafe wegen Betrelns, sondern auch eine solche und zwar empfindlichere wegen Ueber- tretung des Stadtverbots ihn treffe, so nahm er schnell Reißaus dem Neckar zu, sprang hinein und schwamm hinüber auf den Exercierplatz — den Schutzmann zum Nachfolgen einladend — was letzterer aber ablehnte. Drüben glaubte er sich geborgen und lief Gaisburg zu. Ein des Weges kommender Landjäger hielt den nassen, zitternden Vaganten als verdächtig an und lieferte ihn nach Berg, wo man ihn als den flüchtigen Bettler erkannte und, nachdem er getrocknet war, der K. Stadtdirektion übergeben. (W. Ldz.)
Vaihingen, 26. März. Gestern starb der älteste Bewohner unserer Stadt und wohl auch des ganzen Bezirks: Jakob Kicherer, Veteran aus den Befreiungskriegen 1814 und 1815. 92 Jahre 5
. Monate alt.
. ^ Aichelb erg, 18. März. Der hiesigen Gemeinde, die das Unglück hatte, seit 1881 alljährlich verhagelt zu werden, und im abgelaufenen Jahre nahezu gar nichts einernten durfte, hat sich das thatkräftige Mitleid weiter Kreise zugewandt. Dem gemeinschaftlichen Amte giengen von einzelnen Privaten und ganzen Gemeinden an barem Geld 3120 ^ zu. Der Wert der meist von benachbarten Orten gespendeten Natnralgaben belief sich auf etwa 260 Hiezu kamen noch 1600 welche der Gemeinde durch das gemeinschaftliche Oberamt als Anteil an den von der hohen Centrallcitung des Wohlthätig- keitsvereins gesammelten Unterstützungsgeldern zugewiesen wurden. Da der größte Teil der hiesigen Bevölkerung sich in dem nun schon drei Jahre lang anhaltenden Notstände wacker gehalten hat und der Gemeinderat allen Ansässigen, die auf den Bettel ausgegangen sind, energisch entgegengetreten ist, so ist es sehr erfreulich, daß hieher so viele milde Beiträge geflossen sind. Bei den verschiedenen Austeilungen derselben konnte man in manches dankbare Auge schauen und manches herzliche „Vergelt's Gott" hören. — Die bürgerlichen Kollegien haben beschlossen, auch Heuer wieder die Fruchtfelder der ganzen Markung zu versichern, nachdem im vorigen Jahrgang die Magdeburger Hagelversicherungsgesellschaft der Gemeinde eine Entschädigung von 14,009 ausbezahlt hat. (St.-Anz^-"'
X Unterrcichenbach, 26. Marz. In der Nacht vom 20. auf den 21. d. M. wurde hier ein Mann verhaftet, welcher durch ein Fenster in die Wohnung eines hiesigen Bürgers cingestiegen war, nachdem er dasselbe gewaltsam geöffnet hatte. Durch das Geräusch erwachten die Kinder,
welche zunächst ihren Großvater und dann Vater und Mutter weckten. Licht gemacht, erblickten die erschreckten Leute einen großen fremden Mann mitten in der Stube stehend, durch und durch »aß und am ganzen Leibe zitternd. Während nun die Frau des Hauses den Landjäger aus dem Bette holte, gab der Eindringling an, daß er weiter nichts als ein Unterkommen habe suchen wollen, er habe auch einen Knaben bei sich gehabt, den habe er aber im Walde verloren. Der Landjäger kam bald darauf, examinierte den Mann und brachte ihn aufs Rathaus, dort bestand er vor dem Ortsvorstaud ein kurzes Verhör und wurde dann die Nacht über in Gewahrsam gebracht. Bei dem Ausfragcn durch den Landjäger sowohl, als auch im Verhör vor dem Ortsvorstand verschwieg der Mann, daß er einen Knaben bei sich gehabt habe, gab überhaupt nur kurze Antworten, aus denen Niemand klug werden konnte, so daß man geneigt war, zu glauben, der Mann sei nicht recht im Kopf. Das vom Ortsvorstand am andern Morgen eingestellte Verhör ergab, daß der Manu von Brötzingen sei, einen Knaben von 7 Jahren bei sich gehabt und diesen im Walde verloren habe. Auf welchem Weg er hierher gekommen und in welcher Gegend er den Knaben verloren habe, war aus dem Mann nicht herauszubringen. Durch Nachforschungen ist aber ermittelt worden, daß derselbe mit dem Knaben um '/-6 Uhr seine Wohnung in Brötzingen verlassen hat, daß beide um 9 Uhr in Hohenwarth (^/« Stunden von hier) weggegangen sind und daß er um ^/^ll Uhr ohne den Knaben hier gesehen wurde, nach dem Weg nach Brötzingen gefragt und diesen eingeschlagen hat, aber wie es scheint, bald wieder umgekehrt und in das Haus eingestiegen ist. Nachdem dies ermittelt war, konnte man gestern die Richtung absuchen; während einige Männer die Nagold durchsuchten, streiften andere im Wald umher und siehe da, nicht weit vom Weg abseits, lag der Knabe tot ausgestreckt am Boden. Die Leiche wurde nach Constatierung der Lage und sonstiger Umstände sofort hierher verbracht und ist heute durch den Gerichtsarzt von Pforzheim die Sektion vorgenommen worden, wobei sich ergeben habe, daß das Kind vor Hunger und Ermattung liegen geblieben und in der kalten Nacht erfroren sei. Es scheint nun doch, daß der Mann nicht zurechnungsfähig ist, sonst würde er den Knaben nicht so hilflos zurückgelassen und dem sicheren Tod preisgegeben haben. Die gerichtliche Untersuchung wird über diesen Punkt nun jedenfalls Aufklärung geben.
Ausland.
Madrid, 25. März. Der „Agence Havas" zufolge hätte die spanische Regierung der deutschen Regierung die Errichtung einer Kohlen- und Proviantstation für die deutschen Kriegsschiffe auf Ferando Po in der Bai St. Jsabella (Westküste von Afrika) gestattet.
Washington, 27. März. Präsident Arthur hat Herrn Sarg ent, den Gesandten in Berlin, zum Vertreter der Union in St. P e t er s b u r g ernannt. (Die Darstellung einiger Blätter, als ob die
amerikanische Regierung mit Deutschland schmolle, hat sich also nicht bestätigt, im Gegenteil hat Amerika seinen Gesandten entfernt und damit das Verhalten Bismarcks in der Laskerfrage als gerechtfertigt erkannt.)
Das aus der Schlacht bei Gravelotte bekannte, historisch gewordene Gehöft St. Hubert ist am vergangenen Donnerstag ein Raub der Flammen geworden. Das Gehöft ist allen Besuchern des Schlachtfeldes. bekannt; mit seinen zahlreichen Kugelspureu von Granaten und anderen Geschossen war es ein Denkzeichen für die Heftigkeit, mit welcher an dieser Stelle die Schlacht tobte. Jetzt besteht nur noch die angrenzende Gartenmauer mit den dahinter liegenden Kriegergräbern.
Miszellen.
Amerikanisches. Ein Farmer, der einer Kuh statt des gewöhnlichen Futters eine Zeitlang Malz und Hopfen zu fressen gab, sah seine Bemühungen endlich mit Erfolg belohnt, in dem die Kuh Bier anstatt Milch gab. Die Entdeckung hat unter den amerikanischen Bierbrauern einen allgemeinen Schrecken hervorgerufen, der sich bald auch nach Europa verbreiten wird. Denn offenbar ist der Bierbrauer dieser Conkurrenz nicht gewachsen und sobald einmal die Wirtshausschilder „Bier frisch von der Kuh" lauten werden, wird es mit ihm vorbei sein. Der Wirt hat in Zukunft statt des Buffets mit der Pumpe nur einen sauberen Kuhstall hinter der Gaststube einzurichten, das Bier ist unter allen Umständen frisch.
Herr und Diener. Sir Walter Seott, der berühmte Romanschriftsteller, hatte einen alten, treuen Diener, dem er eben um dieser Treue willen sehr Vieles nachsah, und dieser ermangelte nicht, die Güte auch zu mißbrauchen und seinen Herrn bisweilen förmlich zu tyrannisieren, so daß diesem doch endlich einmal die Geduld riß und er ausrief: „Nein Georg, so geht es nicht länger, wir müssen uns trennen!" — „Und wo wollen Euer Gnaden dann hingehen?"
lieber boten. Mehrere Herren, worunter ein sehr geiziger, beraten, was sie einem Freunde zu seiner bevorstehenden Hochzeit schenken wollen. — Erster: „Ich schenke ein Eßservice für 20 Personen." — Zweiter: „Ich ein Kaffeeservice für 12 Personen." — Dritter: „Ich schenke ein Theeservice für 18 Personen." — Geizhals: „Und ich werde schenken ein Thee- sieb für 36 Personen."
Bescheidene Anfrage. „Net wahr, Sie sind doch der Bäckermeister Kräple?" „„Der bin i. Was wolle Se denn von mir?"" „Ja, sag'ns mir no amol, werd'n d'Bäcker dicker, weil d'Weck' immer kleiner werd'n, oder werd'n d'Wecke immer kleiner, weil d'Bäcker immer dicker werd'n?" (B. a. Schw.)
Auch eine Beruhigung. A. (zu einem Dichter): Wie kommt es nur, daß trotz Ihrer wunderschönen Gedichte Ihr Name noch nicht bekannter ist. — Dichter (mit Bewußtsein): Lassen Sie mich nur erst tot sein!
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.