„Gerade in dieser Nacht?"
„Gerade in dieser Nacht, Christine."
„Und wer könnte das sein?"
„Der Adolph!" sagte der alte Diener sehr leise.
„Der Sohn des Herrn?" rief die Magd.
„Spreche Sie leise. Der Mensch war schon vor sechs Wochen einmal da. Er hatte sich auch damals in das Haus geschlichen. Und auch in das Zimmer des Herrn hatte er zu kommen gewußt, ohne daß ihn Jemand sah. Ich hatte gerade draußen zu thun, und war kaum eine Viertelstunde fort gewesen. Auf einmal höre ich den Herrn heftig klingeln. Ich eile nach oben. Schon im Korridor höre ich ihn laut sprechen:
„Könnt Ihr meinen Tod nicht ab- warten, Ihr schlechtes Gesindel?"
Eine Stimme antwortete ihm. Es war die Stimme des Adolph.
„Sie sollen halten, was Sie meiner Mutter versprochen haben."
Der Herr lachte höhnisch.
„Ich soll die alte Vettel wohl gar heirathen?"
„Haben Sie es ihr nicht versprochen? Und käme dann nicht auch Ihr Erbe an Ihr Blut?" Mein Vater sind Sie einmal."
„Der Teufel ist Dein Vater, Du unverschämter Schlingel; schere Dich zum Teufel."
Der Herr bekam seinen Husten so arg. daß ich meinte, er wäre darin erstickt. Ich eilte in das Zimmer.
Der freche, gemeine Mensch sah ruhig zu. Ich sagte ihm, er solle gehen. Er verhöhnte mich.
„Oho, alter hochmüthiger Herr Daniel, ich kann hier noch einmal Herr werden; dann wird Er um das Gnadenbrod bei mir betteln."
„Ich rufe die Knechte herbei, wenn Sie nicht gehen," sagte ich ihm.
„Um den Sohn aus dem Hause seines Vaters zu werfen?"
„Gib ihm Geld, gib ihm Geld! So viel Du willst," rief der alte Herr zwischen seinem Husten. ' -
Er hatte eine Angst, daß ihn selbst sein Geiz verließ.
Ich gab dem Menschen Geld.
Er ging.
„Der wird mein Mörder," sagte der Herr, als er fort war.
„Und Ihr meint, er könne jetzt wieder hier sein?" fragte die Magd den alten Diener.
„Er kennt die Schleichwege. Er hat sich schon mehr herein geschlichen, wenn er Geld haben wollte. Wen sonst hättet Ihr vorhin gehört?"
„Aber was sollte er jetzt in der Nacht hier wollen?"
„Er will hier der Herr werden. Er hat gehört, daß es mit dem Herrn zu Ende geht. Da ist er hergekommen; vielleicht gleich mit seiner Mutter, die er in der Nähe holt; sie ist wohl gar mit ihm im Schlosse. Sie wollen den Herrn, wenn er allein ist, überfallen, seine Schwäche benutzen. — Der Pfarrer kann in zehn Minuten aus dem Dorfe herbeigeholt werden."
„Gott sei bei uns, rief die Magd. Der arme Herr Paul! — Aber Daniel, wir stehen hier und schwätzen — wenn die Menschen unterdeß schon bei ihm wären!
Der alte Diner blieb ruhig.
„Ich habe die Thür abgeschlossen, und den Schlüssel bei mir. Aber ich wollte doch, der Herr Paul wäre wieder da. Mit dem alten Herrn geht es wirklich zu Ende, und wenn er überfallen, überrumpelt würde, es könnte ein Unglück geschehen. Vorhin wurde er schon plötzlich so sonderbar wcichmüthig. Er sprach von Christenpflicht, und wo man Unrecht wieder gut machen müsse. Ich dachte an seine Schwester, die er betrogen hat. Ich wollte den Augenblick benutzen.
„Soll ich den Pfarrer holen lassen, gnädiger Herr?" fragte ich ihn.
Aber da fuhr er mich an:
„Sterbe ich auch dir nicht früh genug."
Dann sah er mich doch an, als wenn er etwas auf dem Herzen habe.
„Der Pfarrer? sagte er. Noch nicht! Nachher, dann — Aber nachher."
(Fortsetzung folgt.)
Eine Sängergeschichte.
Bon Josef Lewinsky.
(Schluß.)
Während dieses Vorganges im wirklichen Trauerhause, war Herr Kravatel Vater vorerst nach dem v ermein tlichen gangen, und hatte sich der „Wittwe des Verstorbenen" mit einer wahren Leichenbittermiene vorgestellt. „Gnädige Frau," sagte er, indem er sich eine kunstvolle Theaterthräne aus dem Auge wischte, „der Verlust, den Sie durch den Tod Ihres theuren Herrn Gemahls erlitten, in dessen Gesellschaft ich noch vor 4 Wochen zu sein die Ehre hatte, geht meinem Herzen so nah, daß es ein wahrer Trost für mich wäre, wenn Sie mir die Ausführung der Grabgc- sänge mit meinem ausgezeichneten Quartett übertrügen; ich bin der Sänger Kravatel!"
— „Der Tod meines Gemahls?... mit
dem Sie vor 4 Wochen?." entgegnete
verwundert die Frau des Hauses. „Sie sind wohl im Jrrthum, werther Herr, — mein Mann ist bereits seit 4 Jahren todt, und bedarf daher keiner Grabgesänge mehr."
— Seit vie... seit vier Jahren to ... todt. Ihr ... Ihr Herr Gemahl?" stotterte, völlig aus seiner Sicherheit gebracht, der alte Tenorist, indem er sein Notizbuch herausnahm. „Wie ist dies denn möglich? ich Hab' es ja hier schwarz auf weiß, daß Ihr theurer Gatte erst gestern das Zeitliche gesegnet hat. Oder sollte ich, —
entsetzlicher Gedanke! —. sollte ich
etwa gar die.Adressen ver.... ver
tauscht haben?" Und einen Blick ins Notizbuch werfend, rief er, sich vor die Stirn schlagend; „O Kravatel! Kravatel! Was bist Du doch für ein großer Esel! — ich bitte um Entschuldigung, gnädige Frau. Aber durch den grausamen Streich irgend eines neckenden Kobolds ist es mir begegnet, daß ich die Adressen dreier, gleichzeitig zu besuchender Gesangsfreunde verwechselt habe. Da Sie, meine Gnädige, nun so glücklich sind, für Ihren seligen Herrn Gemahl keines Grabgesangs mehr zu benöthigen, so kann es nur entwever
ein Trau- oder ein Kindtaufgesang sein, den Sie nach Ausweis meines Notizbuches gebrauchen müssen." — „Nun, da Sie so wohl assortirt sind, mein Herr," erwiderte belustigt die Dame, „so bitte ich um einen — Traugesang, aber blos für meine Tochter. — „Sollen so vortrefflich bedient werden, verehrte Frau," schloß der spekulative Sänger, „daß Sie mich hoffentlich auch mit den andern Gesangbestellungen recht bald beehren werden Ihr Diener, meine Gnädige!"
Aus Kindermund. Das Weihnachtsfest mit seinen Ueberraschungen hat so manches unbeabsichtigte Scherzwort aus Kindermund gezeitigt. Hier sind einige: Ein Knabe von sechs Jahren hat von Onkel Karl, einem kahlköpfigen alten Junggesellen, einen mit Mechanismus zur Selbstbewegung versehenen Velocipedenreiter bekommen, auf dem weichen Zimmertcppich will das Ding sich aber nicht recht von der Stelle bewegen. Als der Onkel am nächsten Tage sich zum Diner einstellt, kommt ihm der kleine Mann mit der hastigen Frage entgegen; „Warum hast Du mir zum Velocinedenfahrer nicht Deinen Skatingrink zugegeben?" „Wer hat Dir so etwas Albernes gesagt?" fragt Onkel Karl ärgerlich. „Klara", lautet die prompte Antwort. Klara, ein Dämchen von vierzehn Jahren, wird in Zukunft beim Onkel schlecht angeschrieben sein, denn derselbe vermuthet mit Recht, daß der „Skatingrink" auf seinen kahlen Scheitel gemünzt gewesen ist. — Dem Buben eines Arztes hat das Christkind eine Drehorgel bescheert. Als die Töchter einer in demselben Hause wohnenden Familie, welche als sehr musikalisch bekannt sind, sich am ersten Feiertage zum Besuch einstellen, meint er, lustig die Leierkastenkurbel drehend: „Nun kann ich dasselbe machen wie Ihr!" „Was machen wir denn?" fragen die jungen Damen neugierig. „Nah," versetzt der Kleine treuherzig, „Papa meint immer, Ihr macht mit Eurem Klavierspielen das ganze Haus verrückt!"
Großes Vermächtniß. Der verstorbene Pillenfabrikant Holloway hat der „Times" zufolge fein ganzes Vermögen in Höhe von 5 fünf Millionen Pfund Sterling wohlthätigen Zwecken vermacht.
An der Universität. „Wohin Bruder? Mir scheint, Du willst gar in's Kolleg gehen?"
„„Ja ich muß mich einmal ausschlafen nach den vielen Kommersen.""
Auflösung des Räthsels in Nr. 2.
Balg.
W a L H s e r.
Wer die Erste hält als Zweite Wahrhaft, nicht dem Namen nach,
Fragte, als er ihr sich weihte,
Nicht, ob sie ihn haben mag;
Fragt auch nicht, mit welcher Nummer Sich für ihn das Ganze schreibt,
Wenn die Erst', ihm nicht zum Kummer, Nicht blos seine Erste bleibt.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.