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schienen träumerisch in's Weite zu schauen. Ich legte die Cigarre auS der Hand, die meinen müßigängerischcn Sinn gewiß zu diesen Phantasiebildern aufgestachelt hatte; aber nein, das Bild blieb und trat nur mir, von Rauchwolken befreit, um so klarer und schöner entgegen."
„Ach, seine Pflichten hat der junge Ehemann doch noch nicht verlernt!" lachten wir ihm zu.
„Vielleicht ist er nur heute aus Erinnerung, so galant!" meinte eine Dame.
„Nein!" rief der Assessor, „Ihr merkt es ja doch schon, meine Frau war das nicht!" Und heiter fuhr er fort: „Es war ein ideal-schöner Kopf, den ein Schleier tiefer Wehmuth noch interessanter machte. Lange konnte sich mein Auge nicht von der unerwarteten freundlichen Erscheinung wegwenden, bis auch sie ihren Blick zu mir richtete — nur einen Augenblick, dann zuckte sie zu meinem höchsten Erstaunen wie tief erschrocken zurück, die Hand fuhr unwillkürlich nach dem Herzen, und einen schwachen Schrei der Ueberraschung ausstoßend verschwand sie, um einem hübschen blonden Lockenkopfe Platz zu machen, der mir aus den großen Hellen Augen einen Blick tiefster Entrüstung zuwarf, mit den rothen Korallenlippen in einen Ausruf des Erstaunens ausbrach und dann ebenfalls verschwand, zugleich aber, zum Beweis feindlichster Gesinnung, schallend die weißen Rouleanx herunterließ."
„Und das ist nicht romantisch? Kein Märchen?" hieß es von allen Seiten.
„Der Lockenkopf — nun, das sind Sie, kein Zweifel!" sagte ich zu der jungen Frau.
„Wollen Sie schweigen!" drohte die noch immer hübsche Frau des Assessors.
„So wartet doch." fing der Assessor wieder an „und spart den Beifallsruf bis zum letzten Akt."
„Da saß ich, aus meinem Traumhimmel herabgestürzt. Eine schöne Einleitung für einen stets in der Residenz gebliebenen, an Unterhaltung und Abenteuer gewöhnten jungen Assessor, dachte ich und sann vergebens nach, was mein Gegenüber zu solch' einem feindlichen Benehmen berechtigte. War ich, kaum angekommen, schon verleumdet? War sie ein Bild von Sais, das kein Auge erblicken durfte, warum setzte sie sich denn an's Fenster? Freilich hatte die Stube seit Monaten leer gestanden, ich war ein neuer Eindringling, und vielleicht hatte das Unerwartete meiner Erscheinung die jungen Mädchen erschreckt; genug — kränkend blieb es immer. Ich eiferte mich in eine rechte Erbitterung über diese ungebildeten Kleinstädter hinein, zündete mir eine neue Cigarre an, ergriff Hut und Stock und suchte das Freie.
„Der Gang in die frische Luft hatte mir wohlgethan und das kleine Begebnis; in den Hintergrund der Gedanken gedrängt, da übergab mir das Stubenmädchen einen in meiner Abwesenheit an mich eingegangenen Brief. An mich? Mit dem Stadtpoststempel? Außer dem Direktor hatte ich doch Niemand eine Visite gemacht, kannte mich Niemand. Die Adresse war von Frauenhand: „An den Assessor
Schubert!" Rasch das Couvert zerrissen, ich lese:
„Geehrter Herr! Ich hätte nie geglaubt, daß Sie das Herz haben würden, den mühsam errungenen Frieden meiner armen Schwester zu stören. Aber sie ziehen uns gegenüber, Sie treiben ein grausames Spiel mit ihr. Marie ist in einer solchen Aufregung; daß ich Alles für sie fürchte, und ich weiß, wenn mit Ihrer Liebe noch nicht das Mitleid erstorben, dann werden Sie eine Wohnung aufgeben, an die sich für Sie keine freundlichen Erinnerungen mehr knüpfen können."
(Fortsetzung folgt.)
Keschichle von einem verschmitzten Müller.
Von Oberförster Heinemann.
(Fortsetzung )
Hiermit trennen sich die beiden Freunde. Der Grünrock begibt sich in das Revier und beschäftigt sich während der ganzen Zeit mit dem Ottcrnanstandc, rccapitulirt alles, was der Altmeister Döbel darüber sagt und empfiehlt. Er sieht bereits die Otter unter dem Wasser gezogen kommen, nur bemerkbar durch die beiden Lichtstreifen, welche sich im Scheitelpunkte des spitzen Winkels einigen und von der kaum die Oberfläche des Wassers berührenden Nase des Fischdiebes hervorgernfen werden. Durch die seichte Stelle an der Insel muß sie waten, und dann bildet sie ein sicheres Object für seine alte Herzberger Doppelflinte. Der Weißkittel, der Müller nämlich, hatte indessen auch über die am Abende zu spielende Komödie nachzudenken, wie er alles am Besten arrangire, läuft hier und dort hin, schleppt dieses und jenes zusammen und umgeht den Mühlteich. Dann ruft er den Müllerlehrling, spricht an dieser und jener Stelle mit ihm, und dann begeben sich beide nach dem am Teiche befindlichen Gartenhause so ge- heimnißvoll, als sollte dort ein Verbrechen begangen werden. Nachmittags befuhr der Lehrjunge, wie das öfter geschah, mit dem Kahne den Teich. Niemand hatte ihn einsteigen sehen. Er fuhr so ruhig dahin, als habe er vielleicht an der Freiarchc etwas nachzusehen. Jetzt biegt er um die kleine Insel, und der Kahn entzieht sich den Blicken derjenigen, welche ihm vielleicht mit den Augen gefolgt waren. Da fängt der Bube an zu arbeiten, nimmt einen Gegenstand aus dem Kahne und legt ihn vielleicht 40 Schritte von der Insel entfernt, in das niedrige Schilf. Alsdann richtet er auf dieser den Ansitz für den alten Hvlzförster her, fährt darauf nach dem Ufer in der Richtung des Gartenhauses.
Wer es hätte beobachten können, würde bemerkt haben, daß sich eine dünne Schnur aus dem Kahn abwickelt und im Wasser verschwindet. Am Ufer angclangt, werden zwei, sich kreuzende Pflöcke bei dem seichten Wa sser ein geschlagen, die Schnur wird unter diesen hindurchgenommen und dann das Ende unter der Thür des Gartenhauses verborgen. Nachdem der Schlingel seine Vorbereitungen beendet, kehrt er mit dem Kahne zu seinem Meister zurück. Der I Rapport muß günstig ausgefallen sein,
denn ein zufriedenes Lächeln begleitet seine Meldung.
Was in aller Welt ist denn aber gegen Abend in den alten Müller gefahren! Jeden Augenblick kommt er aus der Hausthür und beobachtet den Weg nach dein Dorfe. Mahlgut ist ja genug in der Mühle vorhanden, was setzt dann den Meister so in Bewegung! So denken die Knappen und die Mahlgäste.
Endlich kommt in der Ferne das Holz- försterchen, die Sonne neigt sich ja bald ihrem Untergange zu und da wird es Zeit, behutsam seinen Ansitz aufzusuchen. Ans dem Mühlenhofc augelaugt, empfängt ihn der Besitzer. Wohl oder übel muß er nochmals bei ihm eintrcten und wäre cs nur, um ein Schlückchen von dem schönen Kornbranutwein zu sich zu nehmen, welchen der Müller in so ausgezeichneter Qualität besitzt. Beide verschwinden in der Hausthür. Diesen Moment hat aber auch der Lehrjuuge wnhrgeuommen und geht schlendernd über den Holzplatz, als wollte er sich die dort lagernden Hvlzstümme nn- sehcn. Hoch aufgethürmte Schneidebäume entziehen ihn bald den Blicken jedes Spähers. Er drückt sich nach dem Gartenhäuschen und verschwindet schnell in der Thür.
(Schluß folgt.)
Der König Friedrich von Württemberg hielt einmal auf einer Reise in einem Dorfe an. Während die Pferde gewechselt wurden, machte der Ortsgeistliche seine Aufwartung. Der König erkundigte sich nach den Verhältnissen der Gemeinde und endlich nach der Besoldung des Pfarrers. „Wie ist Ihr Besoldungswein?" „Majestät," erwiderte der Pfarrer, „da erfahre ich täglich, daß das Wort noch gilt: so sie etwas tödtliches trinken, wird es ihnen nicht schaden." „Dillen," sagte der König lachend zu seinem Begleiter, „der bekommt von jetzt an Wein aus dem Hofkeller!"
Mißglückte Re »no »rage. „Ah, weil wir gerade von Regimentsmusiken reden, sind Sie mit dem Generalbaß vertraut?" — „„Mit dem General Baß? Und wie! Den Hab' ich schon gekannt, wie er noch Lieutenant war."" —
Auslösung des Rüthsels in Nr. 180.
Bild. Wild.
Guldkurs der StaatSkafsenverwaltung
vom 15. November 1883. 20-Frankenstücke: . . . 16 vkL 14 L
Aer KnzMter
erfreut sich eines dauernden, seil 40 Jahren an ihn gewohnten, stetig zunehmenden Leserkreises. — Die Redaktion kann daher mit Fug und Recht einladen zu einer ehrlichen Probe im Abonnement, wie über den erwünschten Erfolg der ihr gef. anvertrauten Anzeigen-Anfträge, worauf cs doch wesentlich ankommt, und nicht auf fabelhafte, die Täuschung Leichtgläubiger bezweckende prahlerische Reklamen.
Redaktion. Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.