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wieder taghell. Die Röthe am Horizont war auf weite Entfernungen sichtbar, z. B. in Altburg bei Calw und in Herrenberg. Das Feuer fand in der Nähe der Wohnung des Schultheißen, nördlich und bei der Kleinkinderschule östlich seine Grenze; das Rathhaus war eine Zeitlang in Gefahr. Heute noch lodern an einzelnen Stellen die Flammen empor. Menschenleben waren glücklicherweise nicht gefährdet. Es wird für einige Zeit Wohnungsnot!) eintretcn, Mangel an Lebensmitteln vorhanden sein, auch an Futter für das Vieh fehlen. Die Ursache des Brandes ist noch nicht ermittelt, sie dürfte in Fahrlässigkeit zu finden sein. — Die Zahl der abgebrannten Gebäude ist 15 Wohngebäude, 15 Scheuern und ebenso viele kleinere Nebengebäude. Dieselben haben einen Brandversichernngs-Anschlag von 127,000 Mark. In Folge der im vorigen Jahre stattgehabten außerordentlichen Einschätzung zur Brandversicherung kommen den Beschädigten gegenüber der früheren Versicherungssumme 33000 cM zu gut. — Die Mobilien sind bis aus einige wenige sämmtlich versichert. — Bei der Feuerwehr von Conweiler soll die militärische Ordnung nachher etwas aus den Fugen gekommen sein.
(Die Redaktion des Enzthälers hat nach Erwägung der Verhältnisse und von der Ansicht ausgehend, daß ein so betrübendes Unglück nicht zum Gegenstand hochtrabender Reklamen und unwürdiger Spekulationen dienen dürfe, auch nicht trügerische Einbildungen erwecken solle, sich theatralisch aufgeputzten Berichts und Aufrufs um Beiträge vorerst enthalten, in der sichern Voraussetzung, daß die zunächst berufenen Behörden im Bedürfnißfalle das Richtige rechtzeitig Vorkehren (s. Enzth. Nr. 177) und die Würdigkeit in gewohnter liberaler Weise prüfen werden.)
Ausland.
Die Explosionen auf der unterirdischen Eisenbahn zu London beschäftigen die englische Polizei und die englische Presse fortgesetzt in hohem Grade, erstere bis zur Stunde erfolglos; Ziemlich allgemein hält man die irischen Desperados für die Anstifter und Vollführer der verruchten That.
Miszellen.
Aus dem franzöftschen Arauen- teöen. *)
Unter den mannigfachen Vorurtheilen, welche sich in der Beurtheilung der Nationen unter einander festgesetzt haben und vielfach nicht unwesentlich dazu beitragen, eine bereits vorhandene Entfremdung zu nähren, ist wohl keines so ungerecht, als das gegen die französischen Frauen. Um die Französinnen richtig zu würdigen, muß man nach Epochen und Ständen unterscheiden. Den Hof und die vornehme Gesellschaft, den Hofadel besonders treffen die Vorwürfe, die das Borurtheil unüberlegter Weise der ganzen Nation macht. Der Bürger- und Bauernstand bleibt im Allgemeinen davon unberührt. Auch Paris hat
* Französisches Frauenleben. Ein Mosaikgemälde von Hermann Semmig, Leipzig, Alfred Krüger.
seine Tugend; im Innern aber, in der sogenannten Provinz, trifft man echte Häuslichkeit und gute Sitten. Der Verfasser des Buches „Französisches Frauenleben" will die Vorurtheilc zerstreuen, die über die Weiblichkeit jenseits unserer Westgrenzen gemeinhin bei uns umlaufen. Wir entnehmen seiner, allerdings rein „mosaikartigen" Zusammenstellung die nachfolgenden Skizzen.
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Josephine ist Nähterin; sie zählt nur neunzehn Jahre, ist fleißig, anständig, ist hübsch; das Letztere versteht sich in Paris von selbst, denn auch die Häßlichkeit findet noch Hilfe bei der Zauberin Toilette. Jung, fleißig, hübsch; wie sollte da der Liebhaber fehlen? Er fehlt auch nicht und die gute Josephine ist glücklich in dem Gedanken an ihre herannahende Hochzeit, glücklich, ja — bis sie eines Morgens allein dasitzt, allein mit einem Pfände ihres liebenden Vertrauens unter dem Herzen. Sie war verlassen. Es ist eine alte Geschichte, doch bleibt sie ewig neu; wann aber wird die Gesellschaft einmal aufhören, den Stein auf die Verführte zu werfen statt auf den Verführer? Josephine büßte ihre Leichtgläubigkeit auf die edelste Weise; sie gab ihr Kind, ein Töchterchen, einer Bäuerin in der Normandie zur Wartung und Pflege und arbeitete nun noch fleißiger, um das Unterpfand verrathener Neigung vor Entbehrung zu schützen. Die Briefe der Amme und Wärterin, die Nachrichten von dem Wohlsein des kleinen Geschöpfes waren ihre einzige Freude. Aber in ihrem Herzen war es kalt geworden; sie hatte der Liebe entsagt. So lebte sie vier Jahre. Ihr fleißiges geregeltes Leben hatte ihr die Neigung aller Nachbarn erworben, darunter auch die eines jungen Tischlers, auf den ihre ganze Erscheinung einen tiefen Eindruck gemacht. Könnte ich eine bessere Gattin finden?" sagte er zu sich selbst. „Gewiß nicht!" war die Antwort. „Gut" ging das Selbstgespräch weiter, „so fragen wir Josephinen selbst, was sie meint." Er faßt sich ein Herz und bringt ihr sein Anliegen vor, schüchtern, aber so zart, so hoffnungsvoll, daß er ganz bestürzt dastand, als ihm das Mädchen kurz und barsch antwortete: „Nein!" Hätte sie ihn betrügen sollen? Sie war zu rechtschaffen dazu. Aber als sie den Eindruck sah, den ihre harte Zurückweisung auf den jungen Tischler gemacht hatte, warf sie sich selbst ihre Härte vor und bereute es, ihm nicht milder geantwortet zu haben. In der That, der brave Mensch hatte eine echte Neigung gefaßt gehabt und fühlte darum um so schmerzlicher, als er so ganz theilnahmslos abgewiesen ward; seine Heiterkeit verschwand, er ward still, trüb, düster. Josephine litt dabei, sie wollte ihren Fehler gut machen. „Ich möchte Sie sprechen, Monsieur Bernard, wollten Sie wohl heute Abend zu mir kommen?" „Herzlich gern, Mademoiselle Josephine." — „Nun, Mademoiselle, was hätten Sie mir zu sagen?" frug er, als er am Abend bei ihr eintrat. Josephine antwortete: „Sie sind böse auf mich, weil ich Ihnen so rauh entgegnet habe." — „Gewiß nicht, Mademoiselle, aber es that mir weh, weil ich — ja weil ich Sie wirklich liebe." —
„Ich fühle es Monsieur Bernard, und darum verdienen Sie Offenheit. Eben weil Sie mich lieben, mußte ich Ihnen ablehnend antworten." — „So lieben Sie mich nicht?" — „Nicht darum, aber ich wollte Sie nicht täuschen; ich habe schon geliebt." — „O, wenn es nur das ist, wenn Sie nur geliebt haben und nicht mehr lieben, Niemand mehr als mich, so lassen Sie das kein Hinderniß sein." — Josephine kämpfte einen schweren Kampf. Sollte sie Alles sagen? Lag das, was sie verschwieg, nicht schon, wenigstens als Möglichkeit, in ihrem Geständniß? Sie zögerte lange, endlich siegte die Scham. Wer, der menschlich fühlt, wollte sie darum verurtheilen? Sie sagte ihre Hand zu, und Monsieur Bernard war zu glücklich, um lange mit der Hochzeit zu zögern. Aber sein Glück war auf dem Gipfel, als ihm seine Frau einen Sohn schenkte. Leider nur, je mehr sein Glück sich äußerte, je mehr der kleine Knabe wuchs, desto trauriger ward gerade Josephine; der arme Bernard zerbrach sich den Kopf, er konnte nicht er- rathcn warum. Er ließ es an nichts fehlen, seine Aufmerksamkeiten, seine Liebkosungen verdoppelten sich, umsonst. Immer verstimmter, immer trauriger ward seine Gattin und einmal überraschte er sie sogar, als sie eben geweint hatte. Da packte ihn plötzlich die Eifersucht. Wie? Sollte etwa die Liebe zu ihrem ersten Geliebten wieder erwacht sein? Sollte sie-gar —? Hier hielt er inne und brütete weiter. Endlich benutzte er eine längere Abwesenheit seiner Frau, ihre Sachen zu durchwühlen, in seinem Argwohn sicher, Beweise für seine Vcrmuthung zu finden; er sucht und forscht und siehe! da entdeckt er die Briefe — die Briefe der Amme! Plötzlich fällt ihm der Schleier von den Augen und eine Thräne nach der anderen, eine Thräne des tiefsten, innigsten Mitleids perlt auf die Schrift, die ihm die Ursache des Kummers unzweideutig enthüllt. „Armes Weib, armes Mutterherz", sagte er still für sich, „was hast du leiden müssen! Du herztest meinen Sohn, dein Kind und mußtest in dir verschließen, daß du noch ein liebes Kind hattest, dem du Mutter warst wie diesem da." Er verschloß alles sorgfältig wieder und schwieg.
(Fortsetzung folgt.)
Eine Wodekrankheit.
Mit dem Uebergange des Herbstes zum Winter, also in jener Zeit, welche sich ganz besonders durch öfteren, schroffen Witterungswechsel auszcichnet, in der Schneegestöber und Regenschauer sich oft an einem Tage die Herrschaft streitig machen, Pflegt sich auch eine weitverbreitete Krankheitserscheinung einzustcllen — der Katarrh. Alle Welt leidet an Katarrh und doch läßt sich diese Krankheit, wenn sie auch nur unter diesem Namen allgemein bekannt ist, nicht leicht definiren, wenigstens ließe sich über die Ursachen all' dieser Erscheinungen, durch welche sich ein Katarrh charakterisirt, noch streiten. Im Allgemeinen ist der Katarrh als ein Leiden der Schleimhäute zu bezeichnen, indem dieselben zu Zeiten schroffen Tem- peraturwcchsels u. s. w. geschwellter, entzündeter, ihre Blutgefäße stärker gefüllt