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von der richtigen Zucht abstammen, sie sollen vom Frühjahrswurf genommen werden, der Kopf soll leicht gebaut sein, der Rüssel weniger kräftig, sehr kräftig dagegen soll die Hinterpartie sein, auch soll das Schwein ein auSgebilVetes Gesäuge von mindestens 12 Zitzen haben. Das Zuchtschwein soll nach der Trächugkeit gefüttert werden mit Grünfutter, Zuckerund Kohlrüben, gesottenen Kartoffeln in lauwnr««« Zustande, Magermilch, Hafer-, Gerste« und Rozgen- schrotmehl; zu reichliche Fütterung ist schädlich, weil die Milch zu nah: Haft wird und bei dm Ferkeln Lähme erzeugt. Den Ferkeln soll «an geben i« Alter so.»
3 Wochen: ganzen Weizen, ganze Gerste,
4 „ gekochtes Maismehl (Maisbrei) mit da-
raufgestreutem ganzm Weizen,
6 „ Bohnenschrot, Gerstenschrot, jedoch nicht
so viel auf einmal.
8 „ Magermilch und Roggenkleie,
12 „ Gerstenschrot, gekochte Kartoffeln, auch
Malzkeime.
Den Ferkeln soll man Asche, Kalkstaub, geschlemmte Kreide in den Stall werfen, weil sie solches zu ihrer Entwicklung nötig haben Aelteren Schweinen soll man Grünfutter, ganzen Weizen, Hackfrüchte, Magermilch, auch Kraftfuttermittel reichen, namentlich soll zwischen den Fütterungszeiten frisches Wasser gegeben werden. Der Stall soll so groß sein, daß sich das Schwein gut bewegen kann, er soll trocken, von außm geschützt, auch die nötigen Luft- und Lichtöffmnigen haben, der Fußboden soll dicht und von Zement her- gestellt und mit einer Rinne versehen sein, damit die Jauche gut ablaufen kann. Mit besonderem Nachdruck empfiehlt Redner die Reinlichkeit des Stalles. Nicht zu vergessen ist, daß zu der Entwicklung der Tiere auch die nötige Bewegungsfreiheit gehört. Die Versammlung dankte dem gewandten Redner für seinen lehrreichen Vortrag durch den Mund des Vorsitzenden.
Berlin, 9. Febr. (Deutscher Reichstag.) Auf der Tagesordnung stand die Fortsetzung der ersten Lesung dis Flottengesetzes. Abg. Graf Arnim (Reichsp ) begrüßt die Vorlage mit Genugthuung darüber, daß die Negierung auf der Wacht stehe, auf daß dem Reich kein Schaden geschehe. Die Demokraten wolle er erinnern, daß sie früher für die Flotte gewesen seien, sitzt seien die Junker eher dafür zu haben, als die Herren links. (Beifall rechts.) Redner verwahrt weiterhin sich und seine Freunde gegen den Vorwurf der Verkehrs-Feindlichkeit und berührt dabei auch die Kanal-Vorlage. Die constitutionellen Bedenken gegen die Flotten- Vorlage feien haltlos. Worin widerspreche denn diese Vorlage den Beschlüssen von 1898? Ganz unrichtig sei die Behauptung des Herrn Schädler, daß die Vorlage einen Umsturz von derjenigen 1898 bedeute. Diese Bedenken seien ebenfalls unberechtigt. Staatssekretär Posadowsky bemerkt, die Flotte besitze eine hohe Bedeutung für unser ganzes Verkehrsleben. Unsere Einfuhr an Rohprodukten für unsere Industrie habe in den Jahren 1889 bis 1893 500 Million » Mark betragen und in demselben Zeiträume sei der Wert unserer Ausfuhr an Fabrikaten um 300 Millionen gestiegen. Schon im In
teresse unserer Arbeiter-Bevölkerung müssen der Export gesichert u»d fester gestaltet werden. Namrnt- sei auch Sü»deutschla-ch an dem Export beteiligt. Wie relativ gering fei der Schutz unserer Rhedsreien durch die Marine in Deutschland i« Vergleich zu «»deren Staaten. Redner bemerkt dann, man habe von dem Dlffentinon einzelner BundeS-Regierungen gesprochen, «mtlich sei davon «der nichts bekannt. (Heiterkeit ) Sowohl in erster wie in zweiter Beratung habe der BnndeSrat die Vorlage einstimmig angenommen. >dz. Richter (freis. BolkSp.) entgegnet «uf di« letzt» Aeußerung de» Staatssekretärs, ^amtlich nicht, «der vielleicht nichtamtlich. (Heiterkeit.) Die Flottenschwärmerei komme durchaus nicht von unten, sonder» von oben. Damals dagegen sei von oben abgewiegrlt worden, damals hätten die Schwärmer dm Verlust ihrer Stellung riekirt. Redner wendet sich dann g««m die Abgeordneten Graf Arni« und Bassermann. Di» Partei des Letzteren bezeichnet« er al» di« orpanifirte Uneinigkeit. (Lebhafte Heiterkeit.) Herr Bass ermann wolle doch nur einmal daran denken, wie er selbst von Parteigenosse« angegriffen worden sei wegen seines Verhaltens zum ZuchthauSges-tz. Er, Redner, bedauere, daß der Abgeordnete Baflermann in einer so großen Frage eine solche Pertei-Polemik hervorgersfm habe, wie kein anderer Redner zuvor es gethan habe. (Sehr richtig.) Di« heutigen Aufführungen des Grafen PosadowSky seien -offenbar eine schöne Einleitung zu dem Gedanken über die neuen Handelsverträge, aber die Kriegsflotte sei doch in keiner W-is, abhängig von der Handelsflotte, sondern di« Kriegsflotte habe politische Zwecke. I« mehr Küsten »in Staat habe, desto größer müsse natürlich seine Flotte sein. Herr von Leoetzow Hab« gestern gesagt, dis Landwirt« seien bereit, trotz ihrer Notlage die Vorlug» zu bewilligen, nun, dieselben brauchten ja auch die Kosten nicht zu bezahlen. (Heiterkeit) Ein gc-nzrr Landsturm sei aufgeboten worden, um in Versammlungen zu sprechen. Herr von Bü'ow habe neulich gesagt, er hoffe, der Reichstag werde für seine Schwester, die Flotte sorgen, er habe aber übersehen, daß Germania noch andere Kinder habe, z. B. das Landheer, diesen erstgeborenen Sohn, der hochaufg-wachsen sei und guten Appetit habe (Heiterkeit) und als zweitgeborenen dt« Kolonie«», welcher sehr anspruchsvoll sei und nichts «inbringe, aber viel koste. Redner legt weiter dar, wie dir Vorlage den Reichstag einseitig binde. Dir Festlegung »eS Schiffbaues auf 20 Jahr« sei dem ärgsten Mißtrauen in den zuständigen B>willig»ngs- kreisen des Reichstages begegnet. Redner erinnert daran, wie Admiral Hollmann ehemals eine F stlegung auch nur auf 10 Jahre als unmöglich bezeichnet Hab». Meine Freunde werden, so schließt Redner, an Schiffen bewilligen, was nötig ist, aber aus finanziellen und materiellen Gründen können wir auf den Boden dieser Vorlage nicht treten. (Beifall links.) Staatssekretär Tirpitz führt nochmals ouS, in militärischer Hinficht reiche das bestehende Klottengefttz nicht aus, um dm Gefahren zu begegnen, welche die Regierung erkannt zu haben glaube. Im Vergleich zu den stärksten Seemächten werde auch die nach der Vorlage neu zu schaffende Flotte immer noch nicht stark genug sein, immer noch keine starke Flotte dar
stellen. (Lebhafte Ruf: Hört, hö»t) Das Ziel, der Organisation müsse festgelegt werden und daS könne nur geschehen durch die Zustimmung des Reichstages zur Vorlage. Dem Herr» Richter werde von Niemande» im Hause das Zeugnis versazt werden, daß er sein ganzes reiches Können eingesetzt habe dazu, die Marine klein zu halten, oder, wie dies die Ansicht der Regierung sei, die Marine wehrlos zu halten. (Unruhe links) Die Geschichte werde noch einmal über die Gefährlichkeit des Herrn Richter ihr Urteil fällen. (Lachen lmkS). Abg. Rickert (freis. Ver.) erklärt, seine Freunde erkennten »ine Vermehrung der Flotte über de» Rahmen des 1898» Gesetzes hinaus für notwendig an, da sich die internationalen Verhältnisse seit zwei Jahren völlig verschoben hätten, (Beifall r-chtS) aber er Hab« auch namens seiner Freund» zu erklären, daß di-selden in Form und Umfang ihre Entscheidung Vorbehalten. Darin, daß die Deck«ngSf»aze sehr wichtig sei, stimme er mit dem Eentrum überein. Richtig sei auch, daß die leistungsfähigsten Schütter» die Last tragen müßten. Abg. Motty (Pole) erklärt namens seiner Fraktion, daß dieselbe gegen di« Vorlage sei und zwar aus denselben Gründen, wie im Jahre 1898 Abg. Liebermann (Antis.) bemerkt, daß seine Freund« für CommissionS- Verweisung seien, weil diese Vorlage einer ganz besonders sorgfältigen Prüfung bedürfe. Er persönlich halte eine Vermehrung der Flotte angesichts der letzten Vorgänge für notwendig. Redner plädiert noch dafür, bei der zweiten Lesung auch das Fleischschau-Gesetz zu verabschieden. Abg. Smalskys (Littaucr) verliest eine Erklärung zu Gunsten der Vorlage. Nächste Sitzung morgen 1 Uhr. Fortsetzung der Beratung. Schluß 5-/4 Uhr.
London, U. Febr. Nach einer Meldung aus Spearmans Lager wurde der Befehl zum Rückzug von den Kopjes und dem Vaalktgrtz am Mittwoch Abend erteilt. Am Donnerstag Morgen bald nach Tagesanbruch hatte» alle engagiert gewesenen Truppen de« Tugela wieder überschritten. Di« Ponwnbrücke wurde alsbald beseitigt. Es verlautet, die Buren machte» am Donnerstag eins Bewegung zum Zwecks der Umgehung der englischen Flanke.
London, 11. Febr. Nach einer aus Prä- toria eingelanfenm Depesche machte vorgestern Nacht die Besatzung von Lal-ysmUh einen Versuch, sich durch das Lager der Frerstaatburen durchzuschlagen, der Versuch ist aber mißlungen.
* Kitterarisches.
Das „Tübinger Tagblatt" schreibt in Nr. 305: „Eine neue An sicht karte" „Hier gut Württemberg allweg" bringt die Kunstanstalt von Gebr. Metz hier in dm Handel, Die Karte enthält 100 Bilder, von j dem der 64 württ. Oberämter mindestens 1 Sujet und bildet ein Meisterwerk der Stahlstichkunst. Die Karte steht be," ihrer großen Reichhaltigkeit, ihrer Originalität, ihrer künstlerischen Vollendung auf dem Gebiete der Ansichtskarte wohl einzig da. Da die Platte nur den Druck einer ziemlich beschränkten Auflage zuläßt, wird fragl. Karte bald auch wegen ihrer Seltenheit noch erhöhten Sammelwert bekommen. — Zu beziehen von der Buchhandlung von Fr. Häußler in Calw.
6 1 <? chl!» «»chtrixk »erbot»,.
Der Advokatenbauer.
Kriminalroman von Dietrich Theben.
(Fortsetzung.)
Zehntes Kapitel.
Die Umgebung der Frau Wichbern hatte eine schwere Zeit. War die Herrin früher auch streng und hart gewesen, so war sie sich doch dauernd gleich geblieben und hatte ihre Untergebenen nicht mit Launen geplagt, wie seit dem Aufenthalt in dem Hotel der fremden Stadt ihre beiden Begleiter.
Schien sie einm Tag ruhig und freundlich, so brachte der nächste den gewissen .Rückschlag ur,d eine Stimmung zwischen Ungeduld und Aerger, die alle Augenblicke zur Explosion führte und bald dem Mädchen, bald dem Diener ein geärgertes Nasenrümpfen oder heftiges Rügen einbracht».
Sie war nicht mehr zu verstehen »nd schien selbst nicht zu wissen, was sie wollte.
Zwei Tage nach der ersten Schlittenfahrt hatte si, abermals anschirren lassen, wieder das Gut als Ziel angegeben und dicht davor plötzlich Ordre erteilt, umzukehren. Dann verging «ine Woche, und si« kam nicht au« dem Haus, und die neue Woche wieder bracht« so viel Schlittenfahrten nach Deprnau, wie si« Tage hatte, und ein Besuch dauerte länger al» der andere.
Eines Morgens erhielt sie ein amtliche« Schreiben, und Johann» mußte sie nach Kiel begleiten. Sie wurde von dem Untersuchungsrichter in Sachen Olde, kop vernommen, und der Dimer ging unterdes auf de« langen Flur deS Ge- richtSgebäude« auf und ab.
Einen Tag später folgte eine erneute Fahrt nach Kiel. „Schon wieder zum Landgericht?" fragte sich der Dimer unterwegs. Sie nahm einen andern Weg und bog in ein HauS in der Holstmstraß» ein, an dessen Thür rin Mes- fingschild die Aufschrift .Justizrat Suhr, RechtSanmalt und Nota»' trug. Ein alter Herr in der ersten Etage war der Justizrat selbst. Sie konferierte lange mit ihm.
Abermals einm Tag später ging eS wieder nach Dep nau. Kling ling! Und kaum waren sie angelangt — kling linz von einer andern Seite, und da war auch der alte Justizrat.
Die Pferde wurden auSgeschirrt. Niemand wußte, was in der langen Zeit vorging. Erst am Abend — der eine Schlitten hierh n, der andere dorthin.
Frau Wichb-rn blieb wach bis nach Mitternacht und schlief weit über die Zeit, fast bis Mittag.
DaS war noch nie geschehen.
Und ihre Stimmung!
Nichts recht zu machen! An allem auszusetzen. Ein ewiges Herumhrtzen Johanns in der Stadt; dreimal zum Zeitungshändler am Bahnhof, ebenso oft in eine Leihbibliothek, zweimal in eine Papierhandlung. Keine Minute Ruhe, nicht einm Augenblick zum Aufatmen.
Das mochte ein Weihnachtsfest werden! Ein herrliches. Drei, vier Tage noch . . .
„Ach du lieber Gott!" seufzte das Mädchen, „die ist rein verdreht sitzt."
«Ja, ja," stimmte Johann trübselig bei.
Am WeihnachtSmorgm bracht» der Postbote einen dicken, vielfach versiegelten Brief, über dessen Empfang die Gnädige quittieren mußte.
Dan» herrschte stundenlang Still«.
Krau Mchbern saß «nd l«S zwei Schriftstücke. Sie ließ sie in den Schoß finken und atmete heftig. Die alte Brust wogte, die hageren Wagen deckt« Röte, di» grauen A««rn «änderte« unruhig.
Sie saß am Schreibtisch warf eine einzig« Zeile mit großen, kräftigen Züge« ans eine« Bogm, legte diese« um die angekommenen Schriftstücke, schob si« i« einm Umschlag und siegelte mit zitternder Hand.
Sie schellt« «ach einem Hotelbediensteten. „Geht am Abend ein Zug nach Reickmdorf?' fragte sie.
„Um »eun Uhr —," lautete die Antwort.
„U^ hierher zurück?"
„Knrz nach zehn."
Sie ließ am Mittag da» Effm unberührt und entfernte sich in die Stadt. Nach Stunden kam sie wieder; Hausdiener mit Packeten folgten ihr.
(Fortsetzung folgt.)