selben Augenblick ihr kleines Händchen schützend auf das Haupt ihrer Mutter, das Hackmesser fiel mit Wucht nieder und schlug dem armen Kinde 3 Finger total ab. Der unmenschliche Vater sitzt bereits hinter Schloß und Riegel. (W. Ldz.)
Reutlingen, 30. Mai. Nach einem gestern Abend an Herrn G. Werner eingetroffenen Telegramm ist seine Filial- imd Zweiganstalt Schernbach bei Altensteig vollständig abgebrannt. Das Hauptgebäude mit dem zum Betrieb der Oekonomie uöthigcn Nebengebäuden rcpräsentirt einen Werth von 100,000 Die Anstalt zählt etliche 50 Hausgenossen, worunter 22 bis 23 Kinder, die eine eigene Schule in der Anstalt haben, welche durch dieses Unglück zeitweise obdachlos sind. (Schw. Kr.-Z.)
Weingarten, 29. Mai. Für die Dauer von 6 Wochen rückten in hiesiger Garnison gestern 44 junge Bolksschul- lchrer ein, welche der 7. Kompagnie zuge- theilt wurden. Noch kein Jahrgang stellte eine solch große Zahl von Schulamtskandidaten.
Ellwangen, 28. Mai. Ein psychologisch merkwürdiger Straffall kam hier zur Anzeige. Das 13 Jahre alte Kinds- madchen Christiane Burkhardt hat jüngst in Plüderhausen, OA. Welzheim, dem 7 Wochen alten Kind seiner Dienstfrau Vier- Tropfen Erdöl in den Mund geschüttet, damit das Kind krank werde und sterbe, und sie selbst aus diesem Dienst fort wieder nach Hause komme; dieser war ihr verleidet, weil sie nicht genug zu essen bekommen habe. Das Mädchen ist geständig und will dieses Mittel von einer unbekannten, am Haus vorbeigekommenen Frau als probat für solchen Fall erfahren haben. Das schwer erkrankte Kind ist wieder auf dem Weg der Besserung und die Thüterin in Haft?
Ausland.
Paris, 26. Mai. Die Hiobspost aus Tonkiu hat einen peinlichen und schmerzlichen Eindruck gemacht. Die Schlappe, welche die französischen Waffen erlitten haben, beweist, daß es nicht so leicht sein wird, den Widerstand der Annamiten zu brechen.
Der furchtbarste Gegner, welcher Frankreich in Afrika bekriegt hatte, der Held, welcher in sechszehnjährigen blutigen Kämpfen für den Glauben und für die Unabhängigkeit seines Landes gestritten, Abdel-Kader ist am 26. Mai d. I. zu Damaskus gestorben. Das Leben Abdel- Kaders ist wenig bekannt, glaubten doch gar viele, daß der Held so vieler Legenden bereits längst nicht mehr unter den Lebenden weile.
MisMkn.
Kallenheim.
(Fortsetzung).
„Als aber Seine fürstlichen Gnaden die also bestellte Tafel anblickten, kam mir's just so vor, als lächelten Dieselben einen Augenblick ganz still vor sich hin. Machten aber gleich darauf ein sehr ernsthaftes Gesicht und sagten ganz laut, so daß wir Alle es wohl hören konnten: „Der Herr Retter haben vergessen, daß heute Freitag ist, und daß ich und kein guter katholischer
Christ am Freitag sich mit Fleisch sättigt. Hier aber, bei diesem ganzen Tractamenl, obscrvire ich nichts als lauter Fleischbißlein. Ich bitt' den Herrn Vetter um ein Glas Wasser!" — Wahr war's! Wir hielten wohl die gebotenen Festtage, aber mit den Freitagen wurde es nicht so genau genommen, und so weiß Gott, wie's kam, oder hat's wohl der Teufel augestiftet, auf der ganzen Tafel war nicht ein einziger Fisch. Schlimm genug, denn nachdem Seine fürstlichen Gnaden das Wasser getrunken, sagten Sic: „Der Vetter werden erlauben, daß ich mich jetzt wiederum auf die Reise begebe, denn mein Weg ist weit." Fuhren auch zur Stunde ab, und als Sie in der Carrosse über den Hof fuhren, blickten Sie sich nicht ein einziges Mal um nach all' den Herren, welche tiefe Reverenzen und Kratzfüße machten.
„Freilich aber wurde, als Seine Gnaden es nicht mehr zu eigenen Ohren hören konnte (hat's aber wohl auch aus anderem Mund gehört), arg gescholten und schimpfirt, und man hörte da oft die schlimmsten Titel, wobei denn doch zu hoffen, daß man Seine fürstlichen Gnaden nicht selbsten gemeint. Hernach machten sich die Herren über das Fleischtractament und speisten Alles auf, Seiner fürstlichen Gnaden und dem Freitag zum Trutz. Sparten auch den Wein nicht, wie wohl zu denken. Nachdem aber, daß Gott erbarm —"
„Neubert," unterbrach den Erzähler hier plötzlich Sibylle, „wenn Er so fortschwätzt, wird Er in acht Tagen nicht fertig. Was „nachher" kam, will ich Ihm sagen. — Nach acht Tagen fuhr der Amtmann nach Würzburg, kam wieder, und nach weiteren acht Tagen kam von der Residenz ein großes Schreiben, worinnen dem Alten hunderttausend Gulden abgefordert wurden, welche er an fürstliche Hofkanzlci schuldig sei. Der Alte lachte. In alten Zeiten, wohl vor hundert Jahren, hatten die Kallenheim voni Fürstbischof Geld geborgt, aber schon der Großvater des Alten hatte Alles zurückgezahlt, und jetzt forderten sie dennoch das Capital mit Zinsen und Zinseszinsen von hundert Jahren her, daher die große Summe. — Er habe die Quittung auf Pergament und mit Siegel, sagte der Alte, und noch vor vier Wochen erst habe er sic in der Hand gehabt. Aber er hatte sie nicht. —
„In Würzburg jedoch verstanden sic keinen Spaß, man setzte einen Termin, und dann kam das Gut unter Sequester, zumal nun auch die anderen Schuldner- Lärm schlugen. Hochmuts) kommt vor dem Fall, und dem Alten geschah ganz recht, denn er war ein Satan. Auch brachte ihn der Zorn und der Kummer unter die Erde, und er starb fast genau ein Jahr nach dem Tage, an welchem der Fürstbischof seinen neuen Hochmuthsban eingesehcn. — Bon Bormundschaftswegen wurde der junge Peter, der jetzige Herr, jämmerlich genug groß gezogen, ging unter die Soldaten und heirathete ein Fräulein, so arm wie er selbst, die bald nachher starb, und der eine Sohn, den er hat, der Wilhelm, wird so arm sterben wie sein Vater, denn wo die Herren von der Kanzlei sind, ist kein Segen, und der Sequester frißt alljährlich auf, was das Gut tragt. — Das ist die Geschichte."
Sie war wirklich so, wenn gleich die alte Sibylle mancherlei ausgelassen haben mochte.
Neubert seufzte tief auf, und all' das Elend, all' die Schmach ging lebhaft an seinem geistigen Auge vorüber. Er schalt die Alte nicht wegen ihren lieblosen Acußerungen und wegen ihrer Schadenfreude, denn er war nicht zornig, aber tief bekümmert. Beide schwiegen jetzt eine Zeit lang, dann sagte Sibylle: „Jetzt mach' Er, daß Er weiter kommt, es ist bald Mitternacht, und Er wird doch nicht bei mir übernachten wollen?"
Erst jetzt fiel Neubert der Zweck seines Besuches wieder ein. Er blickte einen Augenblick vor sich hin, dann sagte er zu sich selbst: Was hilft das Alles! Es muß sein, also frisch in's Feuer! — „Brandwedelin, ich muß Ihr etwas sagen," sing er hierauf stockend au. — „Endlich!" — „Ja, weiß Sie was! Sie muß mir Geld borgen." — „Ihm?" — „Ja, natürlich mir." — „Ich will's Ihm besser sagen — Seinem Herrn von Kallenheim soll ich borgen!" Sie betonte höhnisch das Wort. Neubert schien das zu überhören, denn er versetzte nur: „Braudwedelin, lasse Sie einen alten Freund nicht stecken, ich muß Geld haben." — „Ich habe keins." — „Sie hat, das weiß die ganze Welt." — „So schlag' Er mich todt und suche er es."
(Fortsetzung folgt.)
„Wir winden Dir den Jungfernkranz."
Humoreske aus dem Waidmauusleben von Rudolf Minuth.
(Fortsetzung.)
Es ist ein lieblich Bild solch eine Winterlandschast im Vollmondlicht. — Um uns her die weite, Weiße Ebene; zur Seite der schwarze Wald; über uns der tief- dunkle Himmel, an dem die Sternlein flimmern und blinken, hell und freundlich wie Weihnachtskerzen und in der Natur weithin tiefe Ruhe. — Leise, in matten Schwingungen hallt aus der Ferne der Ton des Glöckleins eines verspäteten Schlittens durch die eisige Mitternacht und dann und wann zieht ein mattes Wehen durch die schneebeschwerten Tannenwipfel, wie Seufzen ob der Weißen Last.
Herrn Krabbe entgingen indeß heute all' diese lyrischen Eindrücke; ein mächtiger Feind alles Poetischen hatte ihn ersaßt und schüttelte ihn aus Leibeskräften. —
Mehr als eine halbe Stunde war vergangen und jeden Augenblick mußte der Hase austrcten. Aufmerksam musterte Herr- Krabbe das Terrain umher und lauschte gespannt auf jenes leise Geräusch, das dem Jäger das Nahen des Wildes verräth. —
Plötzlich durchfuhr cs ihn, den alten Jäger, siedend heiß! — Im nächsten Moment schämte er sich ob dieses Symptoms des Jagdfiebers. — Im hohen Bestände hörte er deutlich unter den Tritten eines Wesens den Schnee leise knirschen, — nun auch ein Reis brechen. Das konnte aber kein Hase sein; — umsobcsser wenn's ein Reh oder gar Rothhirsch ist. — Da, nun auch das hüpfende Geräusch des Hasen! —
Herr Krabbe zog leise die rechte Hand ans dem warmen Pelzmusi, erfaßte die