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oder Zukünftigen das Gegenwärtige außer Acht läßt. Wie sie so blind hatte sein können, konnte sie nicht begreifen; wie der Ausruf der Kleinen, die in des Groß­vaters Zügen vorübergehend die Züge des Vaters entdeckte, sie nicht auf die richtige Spur geführt hatte, befremdete sie im höchsten Grade.

Ihren Schwiegervater aber hatte sie vor sich, das war bei Adelina eine ausge­machte Sache, und gehandelt mußte wer­den. Das Schicksal durfte sie nicht ver­geblich znsammengeführt haben; Vater und Sohn sollten versöhnt werden: wie? das wußte Adelina noch nicht; aber sie zählte mit Recht auf die Freundschaft, die sie deni alten Herrn eingeslößt, auf die An­hänglichkeit. die sich zwischen ihm und seinem Großtöchterchen gebildet hatte. Sie wußte nicht, daß er die Absicht hegte, eine Reise in den Kirchenstaat zu unternehmen, sonst hätte sie wohl errathen, wem sie galt, und darin die beste Ermunterung gefunden. So wie sie den alten Herrn aber kannte, kam er ihr nicht so schrecklich vor, wie sie ihn sich immer gedacht hatte, obwohl ihr die Eigenschaften, die zur Furcht berechtigen konnten, in ihm nicht entgangen waren. Zum ersten Male war sie froh, August nicht an ihrer Seite zu haben und selbstständig handeln zu können, innerlich überzeugt, daß sie allein schneller und leichter zum Ziele gelangen werde.

Jene Nacht kam wenig Schlaf über die Augen der jungen Frau; ihr ganzes Wachen und Sinnen war darauf gerichtet, wie sie die Sache anzustellen habe; sie dachte hundert Pläne aus und verwarf dieselben wieder, bis sie endlich beschloß, irgend einen Zufall des morgenden Tages zu ergreifen und dann auf gut Glück hin die gewünschte Entscheidung einzuleitcn. Sie bebte innerlich bei dem Gedanken, was für einen wichtigen Schritt sie so allein zu unternehmen im Begriffe stand, aber sie sah eine Pflicht darin, der sie nicht ausweichen durfte, und zudem war es ihr immer wieder, als könne der alte Herr nicht so stolz und hart sein, wie sie sich ihren Schwiegervater stets vorgestellt halte.

Die Kleine hatte kaum die Augen auf­gemacht, als sie schon nach Freund Ga- sparo verlangte. Die Mutter kleidete sie sorgfältiger an als gewöhnlich und strich ihre dunkeln Haare besonders glatt, als wollte sie durch die liebliche Erscheinung des Kindes auch die Augen des zu er­obernden Großvaters bestechen, und ebenso verfuhr sie bei ihrer eigenen Toilette, ohne deßhalb ihre gewohnte Einfachheit zu verleugnen.

Der Vormittag verstrich, ohne etwas Außerordentliches zu bringen, obwohl Adelina mit Herzklopfen auf eine Gelegen­heit wartete. In der heißen Mittagsstunde setzte sie sich mit ihrer Arbeit vor ihre Zimmerthüre auf die Gallerte, die sich an der Rückseite des Hauses hinzog und auf einen von hohen Platanen beschatteten Hof lief; der leise Wind, der vom See her wehte, bewegte das Laub der Bäume und verbreitete einige Kühlung in den umliegenden Räumen. Es war ihr so ^ bange zu Muthe, als läge ein Alp auf ihr; was sie je Widerwärtiges erlebt

hatte, vergegenwärtigte sich ihrem Geiste in dieser schwülen, erwartungsvollen Stunde, und da sie nun einmal so herabgestimmt war, beschlich sie nach und nach auch die Besorgnis; um ihren fernen Gatten und quälte sie bis zu Thränen, die sie schnell trocknete, als sie den Schritt des alten Herrn auf der oberen Gallerie hörte. Er gesellte sich zu ihr, von Lucia geführt, und da ihr Aussehen ihm auffiel, erkundigte er sich theilnehmend nach ihrem Befinden, worauf sie ihm ausweichend antwortete. lFort setzung fo lgt.)

Im Gefängniß von Genua starb iu der vergangenen Woche der Bandit La Gala, der zur Zeit der Bourbonenherrschaft der gefürchtete Räuberhauptmann Italiens war. Gerichtlich nachgewiesen, haben nicht weni­ger als elf Personen den Tod durch seine Hand gefunden. 1864 wurde La Gala gefangen und zum Tode verurtheilt; es gelang ihm jedoch, zu entfliehen, worauf er sein blutiges Handwerk wieder auf­nahm. Von den italienischen Truppen hart verfolgt, flüchtete er sich 1874 auf ein französisches Dampfschiff, wurde jedoch erkannt und an die italienischen Behörden ansgeliefert. La Gala war der frömmste Insasse des Gefängnisses in Genua, da er täglich dreimal seine Andacht verrichtete und regelmäßig alle 14 Tage zur Beichte ging. Am Halse trug er bis zu seinem Tode ein Madonnenbild, ein Portrait Franz II. und eine Medaille Pius IX.

Das Schuldbuch ist vernichtet. DasJournal de Chateau d'Oex" erzählt folgenden hübschen Zug. Kurze Zeit nach dem letzten Brande iu Chateau d'Oex be­gab sich einer der Abgebrannten in ein benachbartes Dorf, um einem dort wohnen­den alten Mann die Zinsen der Summe zu bezahlen, die er demselben schon seit mehreren Jahren schuldete.Du bist mir nichts schuldig", sagte der alte Mann. Doch, ich habe Euch ja einen Schuldschein ausgestellt über den Betrag"Geh' in Frieden, mein Bruder; der Brand, welcher Dein Haus zerstörte, hat auch Deinen Schuldschein vernichtet.

Irrfahrt eines Ballons. Eine Dame in Paris erhielt bei einem Einkauf einen kleinen Ballon als Zugabe, den sie ihrem Söhnchen gab. Ihr Gatte band einen langen Faden an das Spielzeug und bemerkte, daß der Faden das Steigen des Ballons nicht beeinträchtigte. Er befestigte

darauf seine Visitenkarte an dem Luftsegler, versprach auf derselben dem Wiederbringer einen Liter alten Absynth und ließ dev Ballon fliegen. Zu seiner Verwunderung erhielt er die Karte in einem Briefe W Tchigi im russischen Gubernium Grodn« zurück. Ein Pope Andreas Farochewitsch meldete ihm, daß der Ballon bei ihn, niedergefallen, mithin in drei Tagen (20U Kilometer weit geflogen sei.

Probates Mittel. Aus Löba» wird geschrieben: Ein hiesiger Einwohmi hatte die unrühmliche Angewohnheit, sein», Frühschoppen allzu sehr auszudchnen und seine Ehehälfte mit dem Essen warten zn lassen. Als nun kürzlich weder das Dienst­mädchen noch die Kinder, welche als Ge­sandte der Hausfrau erschienen, den Seß­haften von seinem Platze zu locken ver­mochten, griff die Frau zu einem ergötz­lichen Auskunftsmittel. In der Kneipe öffnet sich plötzlich die Thür, und herein tritt das Dienstmädchen mit einem Korbe, aus welchem Sie, ehe der verblüffte Hm etwas dagegen sagen konnte, Teller und Topf auf das Billard auspackt mit den Worten:Madame weiß, daß Sie nicht gern die Leber trocken essen, und deßhalb schickt Sie Ihnen das Essen hierher." Der unpünktliche Gatte soll bei dem diesen Worten folgenden Gelächter seiner Freunde geschworen haben, nie wieder über die rechte Mittagszeit auszubleiben.

Bei der in Rüppur bei Karlsruhe vorgenommenen Bürgermeisterwahl hm' sich in der Wahlurne folgender Wahlzettel i vorgefunden:

Wer nunmehr Bürgermeister sei.

Ist mir ziemlich einerlei;

Nur soll er im Gewissen rein, Vernünftig, treu und ehrlich sein;

Soll redlich denken, menschlich fühlen, Geg'n Bürger nicht den Großhans spielen; Soll Ordnung lieben, Tugend pflegen, Nicht Feindschaft führen, Lumpen hegen, Soll sorgen, sparen insgemein.

Und Jedem Freund und Vater sein; Verträglich, freundlich, gutgesinnt,

Wie wackere Bürgermeister sind.

Wenn so er ist, wie ich benennt,

Ob er lutherisch sich bekennt,

Ob altkatholisch oder neu,

Ist mir egal,

Ich bleib ihm treu.

Auflösung des Räthsels in Nr. 38.

Spießbürger.

Calw. Frucht-Preise am 3. März 1883.

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30

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15

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10

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6

80

5

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10

7

Gerste

5

5

S

7

80

39

Roggen

4

4

4

Summe

15

311

326

291

2014

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.