565»

Kronik.

Deutschland.

Der Berliner Berichterstatter der Times widmet der Beschreibung der Scdanfeier in Deutschland einen langen Artikel, an dessen Schlüsse es heißt:UebrigenS ist zu erwähnen, daß der gestrige Tag nicht so sehr als ein Jahresgedüchtniß eines große» militärischen Ereignisses gefeiert wurde, als vielmehr als Erinnerung einer politischen Umwälzung, nicht als ein ge­schichtlicher Wendepunkt, der den Fall eines hochmüthigeu, in alles sich einmischenden Reiches kennzeichnet, sondern als der Ge­burtstag eines neuen Reiches, dessen Dauer eine längere sein wird, weil seine Politik eine friedliche ist. Auf Deutschland kann man in Wahrheit das Wort anwcnden, das einst der Mann gebrauchte, dessen Feinseligkeit Deutschland einig machte U'Umpire e'ost la paix. Bei aller herz­lichen Freude, die am Festtage in ganz Deutschland herrschte, war übrigens nir­gendwo eine leere Ruhmredigkeit zu be­merken, nirgendwo ein Mangel an Zart­gefühl, nirgendwo ein Prahlen oder dergleichen, und bei der Feier des ewig denkwürdigen Geburtstages des neuen Deutschen Reiches ist nichts gesagt oder gethan worden, was die Gefühle des leicht­verletzlichen französischen Nachbars hätte unangenehm berühren können." Dieses Urtheil eines englischen Berichterstatters ist so treffend, zeugt von so feinem Ver- stündniß und so großherziger Beurthcilung des deutschen Vvlkscharakters, daß es als Muster einer gerechten und unparteiischen Berichterstattung lobend erwähnt zu wer­den verdient.

Die Rettungsstation Borkum der deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiff­brüchiger meldet: Am 1. Sept. wurden von dem russischen SchonerStander", Kapitän Michelson, mit Holz nach Sout­hampton bestimmt, 8 Personen durch das RettungsbootEmden" der Station Wcst- kand gerettet.

Karlsruhe, 5. Sept. Leider hat sich die Hoffnung, daß die ersten Nach­richten über das Freiburger Unglück übertrieben sein würden, nicht bewährt. Die Ausdehnung des Unglücks übertrifft weitaus alles, was sich bisher auf badi­schem Boden in dieser Beziehung ereignet hat.

Karlsruhe, 5. Sept. Eine er­schütternde Scene spielte sich am letzten Samstag in der Leichenhalle des hiesigen Friedhofes ab. Zwei Frauen gingen an letzteren: vorbei und begaben sich zufälliger­weise in denselben, wo sie die Leichenhalle betraten, um die Todteu zu besichtigen. Wer beschreibt aber den maßlosen Schrecken der einen Frau, als sie, nichts ahnend, hier ihren Mann unter den Todtcn erblickte. Mit dem Ausrufe:Ach Gott! da liegt mein Mann!" stürzte die bedauernswcrthc Frau sich über die Leiche des geliebten Mannes, welcher am Morgen in voller Gesundheit von ihr weg und an die Ar­beit gegangen war. Derselbe war ein 30 Jahre alter Maurer aus Rintheim, welcher von einem Materialschuppen so unglücklich herunterfiel, daß der Tod so­fort eintrat.

Pforzheim. Zur Feier des Ge-j bnrtsfestes Sr. K. H- des Großherzogs findet Samstag den 9. Sept. d. I., Vor­mittags 10 Uhr in den Kirchen der ver­schiedenen Cvnfessivnen ein Festgottesdienst statt. Mittags 1 Uhr ist im Gasthof znr Post ein allgemeines Festessen.

DieKöln. Ztg." enthält folgendes Eingcsendet: Ein Wort an unsere deutschen Franc»! Nachdem es von Jahr zn Jahr immer mehr in Aufnahme gekommen, so zu sagen, zum vermeiutlich guten Tone geworden ist, sich fast sämmtliche Bedürf­nisse der Toilette ans Pariser Mvdcgeschäs- ten kommen zu lassen, dürfte es angesichts der in jüngster Zeit von derUiguW ckos Ukckriotos" in Paris geplanten Deutchen- Hetze, wie der fortdauernden Beschimpfung unserer Nation, doch wvl angczeigt sein, die deutschen Frauen darauf aufmerksam zu machen, wie wenig patriotisch cs von ihnen gehandelt ist, daß sie fort und fort Gegenstände von Paris beziehen, welche sic ebenso gut und auch ebenso billig durch jedes gute deutsche Geschäft erhalten kön­nen. Wollte man sich nur einmal daran gewöhnen, die heimischen Einkäufe ebenso gegen Baar" zu machen, wie cs bei den Pariser geschehen muß, und nicht, worüber alle deutschen Mvdcgcschäftc bis jetzt leider sehr zn klagen haben, für die bei denselben gemachten Einkäufe vielfach Credit bis ins 2. Jahr in Anspruch zu nehmen.

Württemberg.

Gemäß Entschließung des K. Ministe­riums der auswärtigen Angelegenheiten, Abtheilnng für die Verkehrsanstalten, werden die Schnellzüge Nr. 140 aus Wildbad 12?-' Nachm.,

in Pforzheim 1?^

und

Nr. 141 aus Pforzheim 3."

in Wildbad 4?«

vom 15. September an als Personcnzügc mit Anhalten an allen Stationen geführt, und zwar:

Wildbad

ab 12?°

Nchm.,

Calmbach

12?«

Höfen

IW

Rothenbach

j 07

Neuenbürg

1?«

Birkcnfeld

1."

Brötzingen

1 so

Pforzheim

an

1>

Pforzheim ab

3."

Brötzingen

3."

Birkenfeld

3?'

Neuenbürg

4 »2

Rothenbach

4 io

Höfen

4 ?«

Calmbach

4 ?«

Wildbad

an

4 ?°

Stuttgart, 6. Sept. Der Besuch der Bäckerei- re. Ausstellung war gestern ein so großartiger, daß der Ver­kehr zum Theil gestört wurde. Die Re­stauration war nahe daran trocken getrunken zu werden; der Rothwein war vorüber­gehend in der That auSgcgangen. Die Einnahme betrug über 2000 -4L Es mögen rund 5000 Personen in der Halle verkehrt haben.

Stuttgart, 5. Sept. Die Anmel­dungen von Obstpslanzen und Gemüsen zn der Ausstellung, welche der Württem- bergischc Ga rtenb an v ercin in der

Gewerbehalle in den Tagen vom 24. Sept. bis 1. Oktober veranstaltet, laufen zahlreich ein.

E an »statt, 4. Sept. In der un­teren Ziegclhütte auf dem Weg nach Hofen waren viele Gäste gestern Nachmittag, als plötzlich einer derselben, ein Gießer von hier, von einem Schrotschuß am Kopfe getroffen heftig blutend aufsprang. Als Ursache stellte sich heraus, daß einige Ar­beiter von Stuttgart auf der an der Wirth- schaft vorbeiführendcn Straße mit Pistolen­schießen sich belustigten, und daß sich ein Schuß in den Garten verirrt hatte. Die Thäter sind erkannt.

Ulm, 5. Sept. Die gräßliche Kata­strophe bei Frcibnrg hat auch von unserer Nachbarstadt Neu-Ulm ein Opfer gefordert und zwar in der Person des in Kolmar angestelltcn Ingenieurs Richard Köhler, 28 Jahre alt, Sohn des 51. Rentamt- mannS in Neu-Ulm. Derselbe war bis vor kurzer Zeit als Reserve-Offizier im Lager Lechfeld und wollte an dem Unglücks­tage nach Kolmar zurückkehren, wobei ihn der gräßliche Tod ereilte. Der hoffnungs­volle junge Manu, sowie dessen Eltern finden hier allenthalben innigstes Bedauern. Die Leiche wird hicher überführt werden. Der Vater des Verunglückten ist sofort an Ort und Stelle geeilt. Auch ein Fräulein von Neu-Ulm, Elise Horst, verunglückte und erlitt einen gefährlichen Beinbruch, so daß deren Behandlung in Hugstetten vorgcnommen werden muß.

Gmünd 4. Sept. Gestern Abend passirte am hiesigen Bahnhof ein recht bedauerliches Unglück. Weichenwärter P f i tz e r, auf hiesigem Bahnhof stativnirt, von: Besuche seines schwcrkranken Bruders von Tübingen znrückkchrend, beging die Unvorsichtigkeit, beim Einfahren des Schnell­zuges in den Bahnhof aus demselben auf der dem Perron entgegengesetzten Seite herauszuspringcn, wobei er stürzte und ihm ein Fuß oberhalb des Knöcheln von den Rädern des Zugs abgedrückt wurde.

Buchau, 4. Sept. Kleidermacher Baumeister, nunmehr 75 Jahre alt, hat am Samstag die Wette eingegangen, daß er am Sonntag den 3. Sept. von Mor­gens 4 Uhr bis Abends 10 Uhr den Weg von Buchau nach Stuttgart (ca. 22 Weg­stunden) zu Fuß zurücklcge. Laut einge­troffener Nachricht hat er die Wette ge­wonnen, indem er schon um 0 Uhr in Stuttgart ankam.

In Ad elman n sfe ld en spielten ans der Zimmerbergcr Mühle mehrere Kinder des MühlebcsitzerS in der Scheuer sog. Schlnpferles, wobei ein Knabe von sechs Jahren dem Garbcnloch zu nahe kam und hinabstürzte, was dessen augen­blicklichen Tod zur Folge hatte.

Neuenbürg, 8. Sept. Unsere Stadt hatte die Ehre seltenen Besuches. Gestern Abend traf Se. Exc. Hr. Staats­minister dcS Innern v. Hölder, am Bahnhof vom Hrn. Oberamtmann und Stadtvorstand empfangen, hier ein, über­nachtete im Hotel Röck und begab sich heute früh zunächst nach Herrenalb, um sich von da nach Wildbad zu begeben. Wie man hört, ist der Zweck der Reise Swaßenban-Angclegenhciten.