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staunen versetzt, wie jene, sondern daß cS nebenbei auch die Cultnraufgaben der Menschheit fordern hilft. Welch' ein Unterschied im Ueberschreiten der Alpen ehemals und jetzt! Wenn das Dampfroß uns brausend dahinträgt durch die Mitte des Berges aus unserer Heimath in die blühende lombardische Ebene. Wir denken vielleicht der gastfreundlichen Mönche, welche in ihren vielbesuchten Hospizen droben auf den Bergen einst den müden Wanderer aufnahmen, während jetzt tief unter ihnen aus weichem Polster die Romfahrt im Fluge sich vollzieht. Die Leiter der Arbeiten, die Herren Favre und Hellwag, haben die Krönung ihres Werkes nicht mehr erlebt. Wie kämpfende Feldherren sind sie ans dem Schlachtfelde der Arbeit gefallen. In der Gotthardbahn haben sie sich aber ein Denkmal errichtet in der Dankbarkeit der Völker, das dauernder ist als Erz. Wir wollen des errungenen Erfolges froh sein und die neueröffnete Bahn mit unfern besten Wünschen begrüßen.
Mailand, 24. Mai. Das Wetter hat bisher die Ausführung des ganzen Programms des Gotthardfestes erlaubt. In der Schweiz prächtige Abwechslung, äußerst glückliche Ausnützung der natürlichen Verhältnisse, alles so recht gediegen. In Italien alle Pracht der Repräsentanz, rührende freiwillige Betheiligung der ganzen Bevölkerung. Das Wichtigste, die Fahrt der Festzüge über die Linie, hat tiefen Eindruck gemacht. Der Dienst der Bahnpersonales war wie bei einer längst eröffneten Linie, alles glatt und pünktlich ohne den geringsten Zwischenfall. Der allgemeine Eindruck ist, ein bedeutender Personenverkehr werde, da die Schönheit und Anziehungskraft der Gegend sehr groß ist, selbst kühne Erwartungen übertreffen. Min. v. Bötticher erwähnte in seiner, die tiefste Bewegung verursachenden Rede am gestrigen Essen in Lugano mit besonderem Hinweis und Mit Genug- thuung des mit der Schweiz abgeschlossenen Tarifvertrags. Man sieht eine wahre Jnteressenverknüpfung zwischen den Völkern vor sich gehen. (S. M.)
Die Rede des Präsidenten des deutschen Reichstags v. Lewetzow schloß mit den Worten: Der ungetrübte Himmel, welcher am heutigen Tage auf uns herabsah, als wir die reizvollen Vorzüge dieser Gegend betrachteten, — wir wollen ihn als eine gute Vorbedeutung dafür nehmen, daß der allmächtige Gott mit Wohlgefallen auch auf das Werk herabsehe, das nun vollendet ist, stolz vollendet. Der berechtigte Stolz, mit welchem alle Betheiligten auf den Riesenbau der Gotthardbahn blicken, hat nichts gemein mit jenem übermüthigen und frevelhaften Stolze, der den Thurmbau zu Babel begleitete und deshalb Gottes Zorn erregte. Ausland.
Wiener Blättern wird gemeldet, daß die Absicht einer öffentlichen Krönung des Zaren im Moskauer Kreml definitiv aufgegeben sei. Die Moskauer Polizei habe erklärt, daß sie selbst bei den umfassendsten Vorsichtsmaßregeln die Bürgschaft gegen nihilistische Anschläge nicht zu übernehmen vermöge.
Nach einer Ordre des Privy Council zu London vom 12. Mai d. I. darf Rindvieh ans Schleswig-Holstein vom l.Juni d. I. ab bis zum Schluß des Jahres wieder nach allen Häfen Englands eingeführt werden, welche für den Import ausländischen Viehes geöffnet sind. Wie in früheren Jahren muß aber das aus der genannten Provinz Angeführte Rindvieh an dem Landungsplätze in England geschlachtet werden. Die Bemühungen, für die Einfuhr des deutschen Viehes oder auch nur des schleswig-holsteinischen Rindviehes günstigere Bedingungen, insbesondere die Erlaubnis; zum Auftrieb desselben auf dem Viehmarkt in Jslington zu erlangen, haben bisher keinen Erfolg gehabt. (Ist das englische Praxis des Freihandels^)
Miszellen.
Die bernfsstatistische Conferenz zu Erfurt.
(Fortsetzung.)
Die Conferenz empfiehlt, diese wiederholte Prüfung überall alsbald nach Ablieferung der auSgefüllten Formulare Seitens der Zähler, unter Zuziehung dieser letzteren durchznführcn, und hält es für den Werth des Gesammtergebnisses der Arbeit von höchster Bedeutung, daß besonders bei diesem Geschäfte die Lokalbehörden der Mitwirkung ortskundiger Gemeindeangehöriger nicht entbehren.
5. Die Conferenz erachtet das Amt eines Zählers mit demjenigen eines Mitgliedes einer Zählungscommission oder sonstigen, das örtliche Zählgeschäft leitenden Stelle als wohl vereinbar.
6. Um den, sei es als Zähler, sei es als Mitglieder der leitenden Stellen, bezw. Zühlungscommissionen, bei der Erledigung der örtlichen Zühlgeschüfte mitwirkenden Personen die formellen Schwierigkeiten der Arbeit zu erleichtern, hält es die Conferenz für sehr geeignet, diese Personen in gemeinschaftlichen Versammlungen über die Einrichtung der Formulare und die Art, wie die Eintragungen in dieselben zu bewirken sind, unter Vorführung geeigneter Beispiele zu unterweisen.
Die Conferenz empfiehlt, von diesem Mittel Gebrauch zu machen, soweit dies als durchführbar erkannt wird.
7. Auch empfiehlt sie mit Rücksicht auf die in dieser Beziehung bereits gemachten günstigen Erfahrungen, die Zählungsformulare in den Schulen von den Lehrern besprechen und erläutern zu lassen.
8. Da bei früheren ähnlichen Gelegenheiten sich die Lehrer als Zähler bewährt haben, so erachtet es die Eouferenz für nothwendig, daß am 3. Juni d. I. der Unterricht in den öffentlichen Schulen ausgesetzt wird, damit den Lehrern die Uebernahme des Zähleramtes ermöglicht werde."
Die Seitens der Conferenz in sehr eingehender Berathung in Betreff der Revision und Verarbeitung des durch die Erhebung gewonnenen Materials gefaßten Beschlüsse u. s. w. haben nur für die statistischen Centralstellen Interesse. Von ihrer Mittheilung kann daher an dieser Stelle abgesehen werden.
Dagegen verdient noch hervorgehoben zu werden, daß die preußischen Bezirks- Verwaltungsbehörden bereits unter dem 14. Mürz d. I. durch den Minister des Innern angewiesen sind, thunlichst daraus Bedacht zu nehmen, daß Veranstaltungen, welche die ordnungsmäßige Ausführung der Berufsstatistik in einzelnen Orten oder für einzelne Berufsklaffen gefährden können, namentlich öffentliche Versammlungen und Feste, Jahr-, Kram- und Viehmürkte, Truppendislocationen u. s. w. in der Zeit vom 4. bis 6. Juni d. I. nicht stattfinden.
(Schluß folgt.)
Wade-Silhouetten.
(Fortsetzung.)
„Es existirt ein Roman, dessen Heldin die sehr deutlich gezeichnete Baronin R. ist."
„Davon hörte ich. Derselbe ist aber nirgends mehr zu haben."
„Doch! ab und zu hat sich ein Exemplar, trotz der Confiscation desselben, in die Gesellschaft eingeschlichen und circulirt als viclbegehrtes Objekt. Unser Bade- commissür ist nun glücklicher Besitzer eines solches Exemplars, zugleich aber auch Herr eines sehr schlauen Dieners. Unter Andern; trug er oft Briefe, Noten, Blumen u. s. w. im Aufträge feines Herrn zu der Baronin R. und legte dieselben mit schlauem Lächeln und den unterthänig- sten Empfehlungen zu deren Füßen. So erschien er denn auch am Tage vor der bewußten Abreise mit noch schlauerem Gesichte als je zuvor und übergab der Baronin ein wohlverwahrtes und versiegeltes Buch mit dem Aufträge, die Frau Baronin möchte doch das Buch recht in Acht nehmen vor der anderen Baronin oben im Hause und möglichst schnell lesen, da die Gräfin So und So mit Sehnsucht darauf warte.
Die Baronin R. konnte sich im Augenblick die Gefälligkeit des Commissärs nicht erklären, nahm aber das Buch an, Entsetzen! Es war der ihr wohlbekannte Roman ihres eigenen Lebens. Eine Stunde später kam athemlvs der schlaue Diener wieder gelaufen, um sich das Buch zurück zu erbitten und eine Ausrede über die andere zu stottern. Er hatte das Buch zu der eine Etage höher wohnenden Baronin M. tragen sollen. Die Heldin des Buches nahm aber die Affaire für eine überlegte Malice, fiel erst in Ohnmacht, und dann gab sie den Befehl zu packen. So die Nachrichten der Kammerjungfer, die noch die Rechnung beglich am Abend vor der Abreise — an meine Bäckerin."
„Das ist kostbar! Ja, die Baronin hat Zigeuncrblut in ihren Ädern trotz ihres Lilienteints und gehört trotz Name und Familie zu unseren Bohomiennes."
(Schluß folgt.)
Frankfurter Course vom 24. Mai 1882.
Geldsorten. ^ ^
20-Frankenstücke. 16 23—27
Englische Souvereigns . . . . 20 38- 43
Ruß. Imperiales. 16 72-77
Dukaten. 9 60—65
Dollars in Gold.4 19—23
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.