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Einzige auf Erden, welche dem armen Ver folgten noch ein wenig Liebe bewahrt hat."
„Em wenig Liebe?" wiederholte sie mit sanftem Vorwurf, „o, ich habe Dich sehr sehr beb Detlev."
„Wie danke ich Dir für dieses Wort. Du liebes Kind, es wird mich wie ei» tröstender Engel, wie eine heilige Ecinne rung in die düstere Zukunst geleiten. So höre denn und bewahre das Bekenntnis Deines Freundes, den die ganze Vaterstadt so schwer verurtheilt, wie ein Vermächlniß in Deinem Herzen. Du weißt, daß mein Stiefvater mich immer hart behandelt, mir alles Gute abgesprochen und noch dort auf der Universität wie einen Knaben mich gehalten hat."
„Ich weiß es, Detlev", nickte Emma, „habe es oft genug von dem Papa gehört, der es sür Recht hielt".
„Ich bekam ein so geringes Taschengeld, daß ich als Student zum Gespött meiner Freunde wurde, da der Senator alles Ucbrige für meinen Unterhalt und meine Studien selber bezahlte. Da mußte ich Schulden machen, die ich mit Stundengeben abtrug."
„Ich lebte so eingezogen, wie möglich und war kein Freund von wilden Gelagen und Raufereien, wie der Senator stets be hauptet. Unter den Studenten befand sich der Sohn eines vornehmen dänischen Beamten, den Jener, da er ihn kannte, heimlich zu meinem Aufpasser bestellt hatte. Er verspottete mich am meisten, obgleich er ein wüster und unwissender Mensch war, ich kam hinter seine Schliche, ein Duell war unvermeidlich. Du weißt doch, was das ist, Emma?"
„Gewiß, es ist ei« Zweikampf, der Papa trägt auch davon noch eine Narbe im Ge- Gesicht und ist sogar sehr stolz darauf."
„Siehst Du, Kind, ich mußte mich schlagen, der Studentenbrauch will es einmal so, hätte sonst die Universität als ein Ehrloser verlosten müssen. Mein Gegner war ein tüchtiger Raufbold, aber ich verstand es auch, ich wollte ihm einen Denkzettel versetzen, einen Hieb durch's Gesicht, — er aber drang wie ein Rasender aus mich ein, so daß ich mich meiner Haut wehren mußte, was jeder Andere auch ge- tha» hätte. Es war seine eigene Schuld, daß meine Klinge seine Brust durchbohrte und er für todl aus dem Platze blieb. Ich mußte fliehen, meine Freunde waren mir behilflich, v'ersolgt und abgehetzt kam ich hier an und traf dis Mutter, bei der ich heimlich Trost und Hilse suchte, aus der Todtenbahre. Mein Stiefvater schien Wache bei ihr zu halten. Ich habe übermenschlich gelitten unv meinen ganze» Zorn Angesichts der Todten zurückgehallen. Ich ging und er schoß zweimal nach mir wie ein rechter Meuchelmörder, um dann die Sache zu verdrehen und mich als Mörder verfolgen zu lassen. Er konnte dies um so leichter wagen, als ich schon ein armer, gehetzter Flüchtling war. Sieh' Emma, ich erzähle Dir das Alles, weil es mir das Herz erleichtert, und weil es mich tief, sehr tief schmerzen würde, wenn Du das Schlimmste von mir glauben könntest."
„Ich hätte es nimmer von Dir geglaubt, Detlev", sprach Emma, ihm die Hand rei
chend. „Halte mich nicht für ein Kind mehr, das Deine Lage nicht völlig zu be greifen vermöchte. Wenn man so früh schon die Mutter verloren, dann lernt man für st-d selber denken, und wird, was die Leute mit dem Worte „altklug" bezeichnen. Nun, ich danke Gott in diesem Augenblicke daiür, recht altklug zu sein und Alles zu verstehen, was Du mir erzählt hast, um Dich vor Deinen Verfolgern verbergen und retten zu können. Ja, ich bin stolz darauf, ein solches Geheimniß zu besitzen. Du sollst mit mir zufrieden sein. Nun aber rasch wieder i» Dein Versteck hinein; nachher wenn Alles zur Ruhe ist, will ich Dir zu essen bringen und das Weitere mit Dir überlegen."
Detlev küßte ihr in überströmendem Dankgesühl die Hand und schlüpfte in den Alkoven, während sich Emma in ihre Schlafkammer begab, um hier Mit klopfendem Herzen zu horchen.
Auf der Straße war Alles so ziemlick still, nur hin und wieder hörte man noch eine laute Stimme, die guten Jtzehoer 'chienen den Störenfried, der sie so unerwartet um ihre nächtliche Ruhe gebracht, recht gründlich zu verwünschen.
Jetzt hörte sie auch den Vater von seiner vergeblichen Jagd zurückkehre» , er sprach vor der Thür mit einem Manne, in welchem ne der Stimme »ach den Senator Dierkrng erkannte. — Wie war ihr dieser Mann jetzt verhaßt, und doch konnte sie eine triumphirende Freude nicht unterdrücken bei dem Gedanken, daß sie es war, die hm sein Opfer und die ganze Stadt um die Freude brachte, einen vermeintliche» Mörder einzusangcn.
Das junge Mädchen fühlte in diesem wichtigen Augenblicke, daß das Glück und die Freiheit, ja vielleicht das Leben eines Menschen in ihrer schwachen Kinderhand ruhten, und empfand den ganzen heiligen Ernst einer Verantwortlichkeit, die vielleicht zentnerschwer ihre Zutuns! belasten sollte.
Leise schritt sie auf's Fenster zu, um es geräuschlos zu öffnen und hier unbeweglich aus jedes Geräusch in den Straße» zu horchen. Dann schlich sie nach ihrem Schützling und bat ihn, sich aus das in dem Stübchen befindliche Sopha zu legen, um sich auszuruhen und zu der gefährlichen Flucht zu stärken.
„Warte nur noch eine Stunde, mein armer Freund", flüsterte sie, „dann will ich schon sür eine andere Stärkung sorgen."
„Wie danke ich Dir für so viel Liebe, Emma", sprach Detlev leise und tiefbewegt, o, könnte ich es Dir jemals wieder vergelten !"
Eine Stunde war vergangen, als Emma geräuschlos den Riegel von ihrer Thür schob und mit dem Licht in der Hand eine höchst gefährliche Wanderung nach der Küche antrat; sie fand in derselben das, was sie suchte, Brod, Wein, Fleisch. Damit beladen, kehrte sie unangefochten in ihr Stübchen zurück und freute sich des gesunden Appetits ihres Schützlings.
Jetzt galt es noch einen Rock oder Mantel des Vaters herbeizuschaffen, da sein Anzug auf der Flucht und der Hetzjagd dieser Nacht arg zugerichtet worden war.
Doch Emma war nicht ralhlos, mit bewunderungswürdigem Muthe trat sie die zweite Nequisitionsreise an, diesmal eine Treppe höher, wo sich in einer Kleiderkammer die abgelegte Garderobe des Phy- sikus, der seine besonderen Günstlinge unter den ärmeren Patienten dann und wann damit beglückte, befand. Diese Kammer war selten oder nie verschlossen, weil sie auch zur Aufbewahrung alter Hausgeräthe diente und ein Diebstahl zu jener Zeit in der guten Stadt Itzehoe sür ein unerhörtes Wunder galt; man häkle unbesorgt Nachts seine Hausthür offen lasten könne». Emma fand also leicht das Gesuchte, ein Aermel- mantel des Vaters, den dieser auf seinen Landtouren trug, war noch recht gut sür den Flüchtling, sie zog diesen allen andern vor und kehrte wohlbehalten mit ihm zurück. Und nun war's auch die höchste Zeit zum Ausbruch für den nengestärkte» Detlev, dem der Mantel vortrefflich paßte. (Fortsetzung folgt.)
(Glücklich gerettet.) Die Frau eines Berliner Banquiers mar im Begriffe ihren M/sjährigen Knaben zu Bett zu bringen, bemerkte, daß der Kleine, der bis vabi» lustig und guter Dinge gewesen war, plötzlich das Gesicht verzog und heftig zu würgen onfing. Sie konnte sich dies Benehmen gar nicht erklären; das Gestchlchen ves Knaben wurde weiß, dann blau, er ließ die Hände schlaff heruntersinken, weißer Schaum trat ihm vor den Mund, und nur ein schwaches Röcheln verrielh, daß noch Leben in dem Körperchen sei. Jetzt erst kam der zu Tode ersckreckten Mutter oer Gedanke, daß ihr Liebling etwas verschluckt haben müßte. Sich eines Zeitungsartikels erinnernd, in welchem ein ähnlicher Fall besprochen worden war, öffnet sie mit Gewalt das geschloffene Mündchen, greift so weit als möglich in den Hals hinein, fühlt inen spitzen Gegenstand und ist so glücklich diesen herauszuziehen. Es war ein dicker Bleisoldat von 2 Zoll Höhe und 1 Zoll Breite, der glücklicher Weise an seiner Sabelspitze im Halse hängen geblieben war. Das Kind ist zwar noch schwach, aber vollständig außer Gefahr. _
(Der erste Wagen in Montenegro.) Am 3. d. ist, wie „Glas Crnagorca" erzählt, die erste Kutsche nach Cetlinje gekommen. Es ist dies jener Wagen, welcher dem Fürsten Nikolaus von dem Kaiser von Oesterreich geschenkt wurde und der bisher in Caltaro stand, da der Zustand der Straße von Njegusch nach Cettinje einen Transport nicht gestaltete. „So lange diese Felten stehen," bemerkt „Glas Crnagorca", „dürste noch kein Wagen in diesen Gelneten gesehen worden sein." Das vierräderige Wunder soll übrigens nicht geringes Erstaunen in der montenegrinischen Residenz erregt haben und Alt und Jung halte sich zur Besichtigung desselben eingesunden.
Erinnerungstag. Am 7. Dez. 1835 Eröffnung der ersten deutschen Eisenbahn (Nürnberg-Führt.)
Goldturs der Staattzkafsenvcrwaltung
vom 3. Dezember 1879. 20-Frsnkenstücke ... 16 10 ^
Redaktion, Druck und Vertag von Jak M e e h in Neuenbürg.