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Sängern anschließe, Herrn Selters oufsuche, und Sie alsdann von seiner Anwesenheit benachrichtige!"
„Das wollen Sie?" schrie Madame so laut, daß die Pferde eines eben vorüder- fahrenden Hauderers scheu bei Seite prallten.
„Habe ich Ihnen nicht meine Hülse zugesagt?" — Elisabeth schien meine Bereitwilligkeit: ihrer Mutter einen Dienst zu leiste», sehr übel zu vermerken. Ge miß bereute das arme Mädchen längst ihre Betheiligunz an dem verderblichen Plan, der ihr bei dem Charakter der Frau Mama, leicht den Bräutigam kosten konnte. Früher hatte stein den Schlachtruf: „Das Weitere wird sich finden!" mit eingestimml; jetzt schwieg sie lief verletzt.
„Können Sie mir nicht irgend ein näheres Denkmal angeben, an dem ich Herrn Selters erkenne?" fragte ich Mad. Pfeffer, „ich habe schon jetzt so viele Herren mit schwarzen Schnurr- und Knebelbärten, rothen Blumen im Knopfloch, und pfiffig auf ein Ohr gedrückten Hüten bemerkt, daß ich eine Verwechselung fürchte, die Ihre Absichten vereitelt. Bezeichnen Sie mir wenigstens den Gesangverein, hat Herr Selters Ihnen nie seinen Namen genannt?"
Elisabeth wußte den Namen, aber sie verrieth ihn n ch>.
„Wenn ich mich nicht irre," sagte Mad. Pfeffer, „io hat Selters wiederholt von der „fliegenden Akademie" gesprochen. Er behauptete, diese am liebsten zu besuchen!"
Dann wird er sich ihr auch angeschlossen haben! die „fliegende Akademie" gehört zu den rührigsten Gesangvereinen der Stadt, und zählt besonders viele jüngere Handels, reisende unter ihren Mitgliedern. Fahren Sie getrost nach der Stadl, meine Damen, Mittags erhalten Sie Bescheid. Erwarten Sie mich im Gasthofe."
Unter Betheuerungen ewiger Dankbarkeit von Seiten der Mama, und einem flüchtigen, beinahe verächtlichen Kopsnicken Elisabeths, trennen wir uns; die Damen fuhren nach N . . ., ich folgte den Sängern in den Wald. Der Unwille der arme» Braut kümmerte mich nicht weiter, konnte sie mir doch nicht ins Herz sehen. Sie dauerte mich längst und ich war weit entfernt, dem ruchlosen Plane ihrer Mutter, der nur auf eine Störung des Verhältnisses hinauslaufen konnte, Vorschub zu leisten. Wollte ich den gesangfrohen Selters und das geängstigte Mädchen retten, so mußte ich die Maske des Spions beibehalten.
Langsam setzte ich bei einem kalten Staubregen, dem nur Sänger den Tag über Trotz zu bieten wagen, den Weg nach dem Walds fort, und langte nach dem Schluß des zweiten Liedes bei den Berliner Chören an, doch führten erst nach dem dritten Gesänge meine Nachforschungen zu einem Resultat. Während der Festrede über „die Macht des Gesanges und die Förderung patriotischer Gesinnung durch denselben", war ich so glücklich unter die Mitglieder der fliegenden Akademie zu ge rathen. Ich wandte mich unverzüglich an einen, im Hintertreffen stehenden Bassisten, und fragte ihn, ob der erste Tenorist. Herr Agent Selters, anwesend sei, und ich ihn speichen könne, ich hätte ihm Mitteilungen von Wichtigkeit zu machen? Der junge
Mann war sofort bereit, mich dem berühmten Sänger vorzustellen; einige Augenblicke später befand ich mich in der Vorderreihe und stand vor dem gefeierten Künstler. Da die „fliegende Akademie" etwas entfernt vom Redner postirt war, durste Selters ungestraft solseggiren, und er lieb sich als Genius durch den Akt der Vorstellung weiter nicht hindern, das hohe 8 auf eine zarte Manier zu intoniren.
„Haben Sie vorher mein 8 gehört, Tüffke?" sagte er zn dem Bassisten, mein 8 dringt immer durch den Chor und men» er tausend Man» stark wäre. Die Cere. monien des Aktes waren beendet, Agent Selters blickte stolz umher; er hielt mich für einen Kunstfreund, den sein Weltruf als Tenor nach N. gelockt. Welche Ent käiischung bemächtigte sich jedoch des talent vollen jungen Mannes, als ich ibn hinter die Fronte der fliegenden Akademie führte und also anhub : „Sie sprechen von ihrem hohen 8, Herr Selters, es handelt sich jetzt aber nicht um ein 8, sondern um ein P, ein hartes P — Mad. Pfeffer und Frl. Tochter befinden sich in N."
Der Agent war wie vom Blitz getroffen. Aus allen seinen vokalen Himmeln auf de» trocken prosaischen Erdboden gestürzt, starrte er mich mit offenem Munoe an, und ließ mich seine makellosen Zähne bewundern. Als ich hinzufügte: „Die Damen wollen sich überzeugen, ob Sie sich bei dem Gesangsfeste dethciligen, und haben mich deshalb beauftragt. Sie auszusuchen!" ver- iärbte sich sein blühendes Gesicht. Agent Selters dauerte mich. Mitleidig legte ich die Rechte auf seine Schulter und tröstete ihn: „Fürchten Sie keine Verrätherei von meiner Seile, ich habe mich den Damen nur zur Verfügung gestellt, um sie selber von hier fern zu halten; noch kann Alles gut enden!"
(Fortsetzung folgt.)
Ein neues Geheimmittel. Während der letzten Wochen ist in den öffentlichen Blättern vielfach unter dem räthselhasten Namen „Malio" ein neues Mittel gegen Pest und alle ansteckenden Krankheiten angepriesen worden. Das Berliner Polizeipräsidium ist der Sache näher getreten, und es fand sich, daß man unter diesem Namen eine kleine Quantität eines weißes Pulvers in einem runden, aus zwei aufeinander geklappten Lederscheiben hergestellten verschlossenen Täschchen erhält, welches an einem blauseidenen Bändchen am Halse getragen werden soll. Das Täschchen mit einer gedruckten Gebrauchsanweisung nebst Preisangabe und Unterschrift der „Adlerapotheke, Remscheid, Preußen", liegt in einer kleinen, flachen Dose mit Zinndeckel, auf welchem der Name „Malio" nebst einem Adler und der vorbenannten Firma eingepreßt ist. Die chemische Analyse des Pulvers hat ergeben, daß das- elbe aus 2'/, Gramm kohlensauren Am moniaks, etwas parsürmirt mit einer Spur Rosenöl und Karbolsäure, besteht. Das Pulver würbe etwa 2—3 kosten, die Emballage ist auf circa 50—60^) zu taxiren. Das Mittel kostet aber 5 ^6. gewiß ein gutes Geschäft. Das Pulver hilft natürlich — den Verkäufern.
Kaffee und Bier. Die zahlreichen - Freunde und Freundinnen „echten Mokka's" werden es erklärlich finden, daß der Kaffeeverbrauch in den letzten vierzig Jahren von 1,900,000 Centner auf — 8,500,000 Ctr. gestiegen ist. — Die Menge der Kaffee- freunde in den einzelnen Ländern ist außerordentlich verschieden. Am wenigsten wird Kaffee in Rußland getrunken: hier kommt aus je einen Einwohner jährlich nicht einmal '/» Psd; in Großbritannien und Italien nahezu ei» Pfund. In Oesterreich-Ungarn schon ca. l'/s Psd, in Frankreich Z^/io Pzd., m Schweden 3°/io Psd., in Deutschland etwa 4'/r Pfb., in Dänemark bei 5 Psd., in der Schweiz 6^4 Pfund. Der Verbrauch des kleinen Belgien überragt aber jenen aller genannten Staaten; dort entfallen im Durchschnitte aus jeden Einwohner nahezu 9 Pfund! Das duftige braune Getränk fließt aber noch lange nicht in so gewaltigen Strömen, wie der schäumende Gerstensatt in den Bierstuben ! Ein Beispiel aus dem „Bierlande" — Bayern — möge genügen. Daselbst beträgt der Bierverbrauch jährlich 284 Liter pro Kops! Im altehrwür- digen Nürnberg steigt er aus 401 Liter, in München auf 479, in Ingolstadt aber gar auf 1600 Liter pro Kops.
Die größte mit Weizen bestellte Fläche ist wohl auf der Grondin Farm am Red River, Dakota, zu finden. Die Farm selbst umfaßt 60,000 Acres (25,000 da), von denen 40,000 mit Weizen bebaut sind und die übrigen 20.000 als Weideland benutzt werden, und hat außer allem sonstigen, für die Bewirthschaftung eines solchen Komplexes nöthigen Zubehör Stallungen für 200 Pferde und Gebäude, um 1,000,000 Busbel (engl.Scheff.l) Weizen aufzuspeichern (1 Bushel — 36 l). Während der Erntezeit werden auf der Farm außer den hierbei zur Verwendung kommenden und Arbeitskräfte sparenden Maschinen noch 250 bis 300 Mann beschäftigt. Zum Ausdreschen der Frucht werden acht Dampf- dreschniaschinen verwandt.
Man stößt aus der Insel Sumatra aus große Schwierigkeiten, die telegraphischen Verbindungen ausrecht zu erhalten, welche häufig von — Elephanten zerstört werden. Der Drath und die Isolatoren werden in die Nohrdickichte verschleppt. Was bei Tag ausgebessert wird, wird in den folgenden Nächten wieder zerstört. Außerdem machen es die zahlreichen Tiger, Bären, wilden Büffel re. äußerst schwierig, die Telegraphen- Linien in den dichten Urwäldern zu überwachen, während Affen auf den Drälhen ihre gymnastischen Hebungen bewerkstelligen, dieselben zerreißen oder die Isolatoren zerschlagen.
Eine österreichische Kolonie hat sich in Ellis im Staate Colorado, und etwa dreißig Methodisten aus Württemberg haben sich in Greenbend, in demselben Staat, niedergelaffe».
Geldkurs der StaatSkasscnvcrwaltung
vom 15. Mai 1879.
20-Frankenstücke . . 16 ^ 18 L
Redaktion, Druck und Bertag von Jak. M e e h in Neuenbürg.